Warum verlassen Menschen ihre Heimat? Tauchen Sie ein in die komplexen und oft widersprüchlichen Theorien der internationalen Migration, die unser Verständnis von globalen Wanderungsbewegungen prägen. Dieses Buch seziert die ökonomischen Triebkräfte, von neoklassischen Modellen, die Lohnunterschiede betonen, bis hin zu neueren Ansätzen, die das Kalkül ganzer Haushalte in den Blick nehmen. Entdecken Sie, wie die "New Economics of Migration" traditionelle Annahmen in Frage stellt und wie die "Dual Labor Market Theory" die strukturelle Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften in modernen Industriegesellschaften beleuchtet. Erfahren Sie mehr über die systemischen Ungleichheiten, die durch die "World Systems Theory" aufgedeckt werden, und wie globale Wirtschaftsströme Migrationsmuster beeinflussen. Jenseits der reinen Ökonomie werden die Macht sozialer Netzwerke und institutionalisierter Migrationsstrukturen untersucht, die oft außerhalb des Einflusses nationaler Regierungen agieren. Die "Cumulative Causation"-Theorie enthüllt die selbstverstärkenden Dynamiken, die Migration zu einem schwer umkehrbaren Prozess machen, während die "Migration Systems Theory" die komplexen, sich ständig wandelnden Beziehungen zwischen Herkunfts- und Zielländern analysiert. Dieses Buch bietet einen umfassenden Überblick über die wichtigsten theoretischen Rahmenwerke, die das Phänomen der Migration erklären – ein Muss für alle, die die Ursachen und Konsequenzen globaler Mobilität verstehen wollen. Es zeigt auf, dass Migrationspolitik weit mehr als Arbeitsmarktmaßnahmen umfassen muss und dass ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen für eine effektive Steuerung unerlässlich ist. Die Analyse der verschiedenen Theorien bietet wertvolle Einblicke für politische Entscheidungsträger, Forscher und alle, die sich mit den Herausforderungen und Chancen der Migration auseinandersetzen. Es ist eine Reise durch die Denkschulen, die unser Verständnis von Migration geprägt haben und weiterhin prägen.
I. Ökonomische Theorien:
1. Neoklassische Ökonomie: Makro-Theorie:
- Vertreter: Lewis (1954); Ranis und Fei (1961); Harris und Todaro (1970); Todaro (1976)
- begründet Migration mit Lohnunterschieden zwischen Ländern
- mit dem Ausgleich der Lohnunterschiede endet auch die Migration
- Migrationsströme der Facharbeiter können entgegengesetzt zu denen der ungelernten Arbeiter verlaufen, weil die Lohnentwicklung unterschiedlich verlaufen kann
- der Schlüssel zur Kontrolle der Migration liegt für Regierungen in der Kontrolle des Arbeitsmarktes
2. Neoklassische Ökonomie: Mikro-Theorie:
- Vertreter: Sjaastad (1962); Todaro (1969, 1976, 1989); Todaroo und Maruszko (1987)
- Modell der individuellen Entscheidung nach Kosten-Nutzen Kalkül
- Migrationsströme nur als Summe individueller Migrationsentscheidungen
- Kontrolle der Einwanderungen durch Regierungen in erster Linie über Beeinflussung der Nutzen-Erwartung im Ziel- bzw. Herkunftsland, z.B. Arbeitsbeschränkung oder psychologische und materielle Kosten einer Migration erhöhen um Einwanderung zu verhindern; Entwicklungsprogramme um Löhne in den Herkunftsländern zu verbessern
3. New economics of migration:
- Vertreter: Stark und Levhari (1982), Stark (1984, 1991), Stark und Bloom (1985), Katz und Stark (1986), Lauby und Stark (1988), Taylor (1986)
- geht davon aus, daß eine Migrationsentscheidung nicht von dem Individuum alleine getroffen wird, sondern typischerweise in der Familie bzw. im Haushalt
- Lohnunterschiede alleine rufen nicht zwangsläufig Migration aus, Haushalte können auch Anreize durch Risikominimierung erhalten, ohne daß dabei ein Einkommensunterschied entsteht
- es besteht nicht nur die Wahl zwischen lokalem und fremden Arbeitsmarkt, sondern häufig engagieren sich die Familien in beiden
- auch bei Verbesserung des lokalen Arbeitsmarktes kann trotzdem an der Migration festgehalten werden, um zusätzliches Geld zu erwirtschaften (Investition) oder um Risiken entgegezuwirken ➔ ökonomische Entwicklungshilfe unterbindet nicht die Migration
- Regierungen können Migration nicht nur mit Arbeitsmarktmaßnahmen beeinflussen; sie müssen auch Versicherungsmärkte, Kapitalmärkte; staatliche Versicherungsprogramme, vor allem bei Arbeitslosigkeit beeinflußen die Anreize zur Migration
4. Dual labor market theory:
- Piore (1979) als Hauptvertreter
- geht davon aus, daß die Internationale Migration von den Arbeitsforderungen der modernen industriellen Gesellschaften gelenkt wird
- Migration resultiert aus 4 Eigenschaften der Industriegesellschaften
1.) Strukturelle Inflation
2.) Motivationsprobleme
3.) Ökonomischer Dualismus
4.) The demography of labor supply
- Regierungen können mit Maßnahmen, die Löhne und Beschäftigungsraten beeinflussen sollen, nur sehr unwahrscheinlich die Migration beeinflussen; die Immigranten erfüllen eine Nachfrage an Arbeitern, die strukturell in der Ökonomie der Industrienationen verankert ist, so daß eine Veränderung dieser Nachfrage eine grundlegende Veränderung in der Ökonomie voraussetzen würde
5. World Systems Theory:
➔ Vertreter: Wallerstein (1974) Portes und Walton (1981), Petras (1981), Castells (1989), Sassen (1988, 1991), Morawska (1990)
➔ versucht, internationale Migration mit der globalen Wirtschaftsentwicklung zu erklären
➔ Ströme der Arbeit folgen Strömen der Waren und entwurzelte, mobile Bevölkerung entsteht
➔ Einfluß auf Migration über Einfluß auf Investitionen in den Entwicklungsländern, sowie durch Kontrolle von Waren- und Kapitalströmen ➔ unwahrscheinlich, weil schwer durchzusetzen, würde internationale Handelsdiskussionen hervorrufen und eine weltökonomische Rezession riskieren
II Netzwerk-Theorie:
- Vertreter: Hugo (1981), Taylor (1986), Massey and García Espana (1987), Massey (1990) Gurak und Caces (1992)
- Migrantennetzwerke sind Sets interpersoneller Beziehungen zwischen ehemaligen Migranten, Migranten und Nichtmigranten im Heimatland
- erhöhen die Wahrscheinlichkeit internationaler Migration indem sie die und Risiken der Migration senken
- Regierungen haben so gut wie keinen Einfluß, da die Netzwerke nicht in ihrem Einflußbereich liegen; Regierungen könnten höchstens die Migration kontrollieren, indem sie die Wiedervereinigung der Migranten mit ihren Familien unterstützen, z. B. indem sie Familienmitgliedern bestimmte Einreiseerlaubnisse erteilen
III. Institutionelle Theorie:
- Mit dem Beginn internationaler Migration entstanden auch private Organisationen (Schwarzmarkt und humanitäre Organisationen)
- diese Organisationen institutionalisieren sich und werden für die Migranten zu sozialem Kapital
- wenn Organisationen die internationale Migration unterstützen, wird diese selbst zunehmend institutionalisiert und unabhängig von den ursprünglich auslösenden Faktoren
- Regierungen können Migrationsströme nur noch schwer kontrollieren, weil der Prozeß der Institutionalisierung schwer zu beeinflussen ist
IV. Cumulative Causation:
- Vertreter: Myrdal (1957), Massey (1990b), Stark, Taylor und Yitzhaki (1986), Taylor (1992)
- Soziale, kulturelle und ökonomische Veränderungen, die in den Ziel- und Herkunftsländern entstehen, geben der Migration ein dynamisches Moment und sind schwer von Regierungen zu beeinflussen
- die soziale Besetzung bestimmter Berufe mit dem Begriff des Immigranten-Jobs macht dauerhaft Immigranten erforderlich, weil diese Jobs abgelehnt werden
V. Migrations -System-Theorie:
- Vertreter: Fawcett (1989), Zlotnik (1992)
- keine selbständige Theorie, mehr eine Verallgemeinerung der vorangegangenen Annahmen
- politische und ökonomische Beziehungen wirken stärker als geographische Nähe
- multipolare Systeme sind möglich
- Politische und ökonomische Strukturen verändern sich, so daß Länder hinzukommen oder ausbleiben können, weil sich die soziale, politische oder ökonomische Lage verändert hat
Literatur:
Douglas S. Massey, Joaquín Arango et al.: Theories of International Migration: A Review an Appraisal. In: Population and Development Review 19, No. 3, 1993.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die wichtigsten ökonomischen Theorien zur Migration?
Die wichtigsten ökonomischen Theorien zur Migration umfassen: Neoklassische Ökonomie (Makro- und Mikro-Theorien), New Economics of Migration, Dual Labor Market Theory und World Systems Theory. Diese Theorien erklären Migration durch Lohnunterschiede, individuelle Kosten-Nutzen-Kalkulationen, Haushaltsentscheidungen, Arbeitsmarktstrukturen in Industriegesellschaften und globale Wirtschaftsentwicklungen.
Wie erklärt die neoklassische Ökonomie Migration?
Die neoklassische Ökonomie erklärt Migration durch Lohnunterschiede zwischen Ländern (Makro-Theorie) und durch individuelle Kosten-Nutzen-Kalkulationen (Mikro-Theorie). Die Makro-Theorie besagt, dass Migration mit dem Ausgleich der Lohnunterschiede endet. Die Mikro-Theorie sieht Migrationsströme als Summe individueller Entscheidungen, basierend auf erwarteten Nutzen und Kosten.
Was ist die "New Economics of Migration"?
Die "New Economics of Migration" geht davon aus, dass Migrationsentscheidungen nicht vom Individuum allein getroffen werden, sondern typischerweise im Kontext der Familie oder des Haushalts. Haushalte können Anreize durch Risikominimierung erhalten, auch ohne Einkommensunterschiede. Sie betont, dass Verbesserungen des lokalen Arbeitsmarktes nicht zwangsläufig die Migration unterbinden.
Was besagt die "Dual Labor Market Theory"?
Die "Dual Labor Market Theory" argumentiert, dass internationale Migration von den Arbeitsforderungen moderner Industriegesellschaften gelenkt wird. Migration resultiert aus struktureller Inflation, Motivationsproblemen, ökonomischem Dualismus und der Demographie des Arbeitsangebots.
Wie erklärt die "World Systems Theory" internationale Migration?
Die "World Systems Theory" versucht, internationale Migration mit der globalen Wirtschaftsentwicklung zu erklären. Sie besagt, dass Arbeitsströme Warenströmen folgen und entwurzelte, mobile Bevölkerungen entstehen.
Was ist die Netzwerk-Theorie der Migration?
Die Netzwerk-Theorie besagt, dass Migrantennetzwerke (Sets interpersoneller Beziehungen zwischen ehemaligen Migranten, Migranten und Nichtmigranten) die Wahrscheinlichkeit internationaler Migration erhöhen, indem sie die Kosten und Risiken der Migration senken.
Was versteht man unter der Institutionellen Theorie der Migration?
Die Institutionelle Theorie besagt, dass mit dem Beginn internationaler Migration auch private Organisationen entstehen (Schwarzmarkt und humanitäre Organisationen), die sich institutionalisieren und für die Migranten zu sozialem Kapital werden. Diese Institutionalisierung macht Migration zunehmend unabhängig von den ursprünglich auslösenden Faktoren.
Was ist "Cumulative Causation" im Kontext der Migration?
"Cumulative Causation" beschreibt soziale, kulturelle und ökonomische Veränderungen in Ziel- und Herkunftsländern, die der Migration ein dynamisches Moment geben. Die soziale Besetzung bestimmter Berufe mit dem Begriff des Immigranten-Jobs kann dauerhaft Immigranten erforderlich machen, weil diese Jobs abgelehnt werden.
Was besagt die Migrations-System-Theorie?
Die Migrations-System-Theorie ist keine selbstständige Theorie, sondern eine Verallgemeinerung der vorangegangenen Annahmen. Sie betont, dass politische und ökonomische Beziehungen stärker wirken als geographische Nähe und dass multipolare Systeme möglich sind.
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- Claudia Neumann (Author), 2000, Migrationstheorien, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/99774