1. Biografie des Autors
1871 Geburt Heinrich Manns am 27. März in Lübeck
1889 vorzeitiges Verlassen des Gymnasiums · Lehre bei einem Buchhändler
1890 Volontariat beim S. Fischer Verlag, Einschreibung an der Berliner Universität
1891 Beginn der Tätigkeit als freier Schriftsteller
1905 Erscheinung des Romans ,,Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen"
1914 Heirat mit Schauspielerin Maria Kanova
1915 Protest gegen die allgemeine Kriegsbegeisterung mit dem Essay ,,Zola"
1918 Erscheinung des Romans ,,Der Untertan"
1932 Aufrufe Manns zur Aktionseinheit der KPD und der SPD gegen die Nationalsozialisten
1933 Emigration nach Frankreich, Aberkennung der dt. Staatsbürgerschaft
1936 Annahme der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft
1939 Heirat mit Nelly Kröger, Verschleppung von Manns erster Frau ins KZ Theresienstadt
1940 Flucht in die USA
1950 Berufung zum ersten Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin (DDR),
12. März: Tod in Santa Monica (USA)
2. Zeitgeschichtlicher Hintergrund
- Romangeschehen spielt sich etwa zwischen 1889 und 1897 ab
- Bismarck als Kanzler erwähnt
- Bismarcks Entlassung
- Imperialismus (,,Neuer Kurs")
- 100. Geburtstag von Wilhelm I. erwähnt
- Ausbeutung des Industrieproletariats: SPD und Gewerkschaftsbewegung als geringe Gegenmacht zum Kaiserreich (Kontrolle durch Militär)
- Traditionelle Führungsschicht (Grundadel, Militär, Klerus, Beamtenapparat) konservativ · Bindung der klein-, mittel- und großbürgerlichen Schichten an sich
3. Inhalt des Romans ,,Der Untertan"
Der Roman, gegliedert in sechs Kapitel, handelt von Diederich Heßling, der als Sohn eines Papierfabrikanten in Netzig aufwächst. Die autoritäre Erziehung seines Vaters prägt seine Handlungen: untertänig ,,nach oben" hin ergeben und Druck ,,nach unten" ausübend. Für das Chemiestudium zieht Diederich nach Berlin, wo er der Studentenverbindung der Neuteutonia (Burschenschaft, gegen Liberalismus und Sozialdemokratie) beitritt, welche ihm für die Befreiung vom Wehrdienst hilfreich ist. Dort geht er auch eine Liebesbeziehung mit Agnes Göppel, der Tochter eines Geschäftspartners der Papierfabrik ein, bricht diese allerdings aus Angst, seine Stellung könnte ausgenutzt werden ab. Nach dem abgeschlossenen Studium kehrt er als Oberhaupt der Familie und als Leiter des Betriebes, da der Vater inzwischen verstorben ist, nach Netzig zurück. Dort versucht er, sich eine gewisse bedeutende Stellung aufzubauen. Zum einen politisch, indem er gegen das Proletariat kämpft, die Erschießung eines Demonstranten als zurecht einstuft und schließlich als Belastungszeuge gegen einen jüdischen Mitbürger wegen Majestätsbeleidigung auch gesellschaftlich die Gunst der Netziger gewinnen kann. Zum anderen versucht er sein Geschäft zu erweitern durch eine Heirat mit Guste Daimchen, einer reichen Erbin. Die Hochzeitsreise, die eigentlich nach Zürich gehen sollte, führt Diederich weiter nach Rom, weil sich dort der Kaiser befindet, den er fanatisch liebt und dem er nun auf Schritt und Tritt untergeben folgt.
Die bei seinem politischen Engagement entstandenen Beziehungen helfen Diederich beim Aufkauf eines direkten Konkurrenten, der Papierfabrik von Klüsing. So steigt er über viele politische und auch gesellschaftliche Machenschaften und Intrigen zum mächtigsten Mann Netzigs auf. Der vor ihm diese Stellung bekleidende Buck, den Diederich in seiner Kindheit verehrt und später auf das härteste bekämpft hat, wegen dessen Nähe zur Sozialdemokratie, geht langsam unter dem Druck Diederichs zugrunde. Bei der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, für das er sich statt eines Kinderheims stark eingesetzt hatte, erhält Diederich für seine Verdienste einen Orden. Allerdings löst sich die Veranstaltung kurz nachdem Diederich eine Lobeshymne auf den Kaiser und eine aufwieglerische Rede gegen Frankreich hält wegen eines Gewitters auf. Auf dem Heimweg kommt er am Haus des alten Buck, der im Sterben liegt, vorbei. Dieser, als er als einziger Diederich, der sich hereingeschlichen und versteckt hat, erblickt nahm ihn als den Teufel wahr und verstirbt.
4. Thematische Aspekte
- Begleitung des wilhelminischen Bürgers Diederich Heßling von der Kindheit bis zur Sicherung der Machtposition (wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich)
- Diederich als repräsentatives Beispiel (·kein Einzelfall)
- Politisches System formt den Charakter, den es zur Machterhaltung braucht
5. Charakterisierung Diederich Heßlings
- Kindheit: weiches, feiges Kind · weint oft (Sentimentalität als Schutzmechanismus), nutzt Macht aus, akzeptiert autoritäre Strafen
- schlägt sich auf die Seite der Mehrheit: Neuteutonia, Kaiseranhänger
- Angst vor menschlicher Nähe · fürchtet Abhängigkeit
- Charakterlosigkeit: verlässt Agnes, zettelt Intrigen an, Geldheirat
- antisemitische und nationale Einstellung
- lächerliche Kaisertreue: verwendet Auszüge aus Kaiserreden, fanatischer Anhänger, Nachahmung
- Doppelrolle Tyrann - Untertan
6. Erzähltechnische Aspekte
- Geschehnisse aus der Perspektive Diederichs
- dem Leser werden sowohl Diederichs ,,Erfolge" als auch seine innere Schwäche und Unsicherheiten verdeutlicht
- auktorialer Erzähler kommentiert das Geschehen (· ironische Distanz des Erzählers)
- vorwiegend anspruchsvoller, hypotaktischer Satzbau
- in Gesprächen: einfache Umgangssprache
7. ,,Der Untertan" - Ein satirisches Werk
- Parodie auf den Entwicklungsroman: keine individuelle Entfaltung, starre Haltung
- Wiederholung von Situationen
- Entlarvung der Doppelbödigkeit
- Zeichnung typischer Vertreter einer Kleinstadt
- Naturmetaphorik: Gewitter bei der Rede Diederichs
- Sprachverwendung:
- Wiederholungen (z.B. national, kaisertreu) ·Klischeehaftigkeit
- Dialekt und vulgäre Sprache · niedrige Bildung
- Übertreibungen, ausdrucksstarke Schilderungen, rhetorische Mittel (Metaphern, Superlative, Vergleiche, etc.)
-Veranschaulichung
- 1. Zusammentreffen mit dem Kaiser: Diederich fällt vor dem Kaiser übereifrig in eine Pfütze, dieser lacht ihn aus
- Verwendung von Kaiserzitaten · Lächerlichmachung Diederichs durch eigene Überheblichkeit
- Manns Kritik am Kaiser
⇒ Satire zur kritischen Analyse von gesellschaftlichen und politischen Problemen, Zeitkritik, Entlarvung der Gesellschaft (Doppelmoral, Materialismus, Heuchelei)
Literaturangaben:
Mann, Heinrich, Der Untertan. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1991
Hellberg, Wolf Dieter, Lekt ü rehilfen Heinrich Mann ,,Der Untertan". Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH, 1997 3
Hummelt-Wittke, Monika, Heinrich Mann ,,Der Untertan". M ü nchen: Oldenburg Verlag GmbH, 1988 2
Jarmatz, Klaus, Heinrich Mann ,,Der Untertan". Frankfurt a. M.: Verlag Moritz Diesterweg GmbH, 1995
Die verschiedenen Charaktere
Kaiser Wilhelm II
Regierungspräsident v. Wulckow
Bürgermeister Dr. Scheffelweis
Landgerichtsrat Fritzsche
Richter Sprezius
Assessor Jadassohn
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Opposition DIEDERICH
HEßLING Nationalisten
der alte Buck Major Kunze
(48er Revolutionär) (Kriegerverein)
Wolfgang Buck Guste Daimchen Kätchen Zillich Prof. Kühnchen
(Schauspieler, Rechtsanwalt) (reiche Erbin) (,,Edelprostituierte")
(Gymnasialprofessor)
Dr. Heuteufel Red. Nothgroschen
(Hausarzt Diederichs) (Netziger Zeitung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fabrikant Lauer Vater, Mutter Pastor Zillich
(Angeklagter im Prozess) (Vater von Kätchen)
Prokurist Sötbier Magda Emmi Lt. Karnauke
(alter Buchhalter d. Fabrik) (Premierleutnant)
Napoleon Fischer Friedrich Kienast Lt.v. Brietzen
(Sozialdemokrat, Arbeiter)
Herr Göppel
(Zellulosefabrikant, Vater von Agnes)
Agnes
MONTAGETECHNIK
Diederich ,,unterschrieb jedes Wort in jeder Rede des Kaisers[...] Alle Kernworte deutschen und zeitgem äß en Wesens - Diederich lebte und webte in ihnen[...]sein Ged ä chtnis bewahrte sie, als h ä tte er sie selbst gesprochen. Manchmal hatte er sie wirklich schon gesprochen. Andere untermischte er bei ö ffentlichen Gelegenheiten seinen eigenen Erfindungen..." (S.444, Z.9 - 18)
Vergleich: Heßlings Rede an die Arbeiter - Reden des Kaisers
HEßLING WILHELM II.
Situation Antritt als Chef Öffentlichkeitsreden
Intention Einschüchterung Einschüchterung
Machtstabilisierung Machtpräsentation
Zitate,,Mein Kurs ist der richtige, ich führe euch herrlichen Tagen entgegen."
(S.106, Z.17f) (24.02.1890)
,,Diejenigen, welche mir dabei behilflich sein wollen, sind mir von Herzen willkommen; diejenigen jedoch, welche sich mir bei dieser Arbeit entgegenstellen, zerschmettere ich."
(S.106, Z.19ff) (05.03.1890)
,,Einer ist hier Herr, und das ,,Einer nur ist Herr im Reich, keinen bin ich." anderen dulde ich."
(S.106, Z.25) (Anfang Mai, 1890)
,,Sollte sich ein Zusammen- ,,Wer nicht das Tischtuch zwischen sich hang irgendeines von euch mit und diesen Leuten (Sozialdemokraten) sozialdemokratischen Kreisen zerschneidet, legt moralisch gewisserherausstellen, so zerschneide maßen die Mitschuld auf sein Haupt." ich zwischen ihm und mir (14.05.1889)
das Tischtuch."
(S.106, Z.29ff)
,,Denn für mich ist jeder ,,Denn für mich ist jeder Sozialdemokrat gleich- Sozialdemokrat gleich- bedeutend mit Feind meines bedeutend mit Reichs- und Betriebes und Vaterlandsfeind. Vaterlandsfeind. So, nun geht wieder an eure Fahrt nun nach Hause, überArbeit und überlegt, was ich legt, was ich gesagt." euch gesagt habe." (14.05.1889)
(S.106, Z.35 - S.107, Z.3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
FUNKTION:
- satirische Entlarvung He ß lings
Häufig gestellte Fragen zu Heinrich Manns "Der Untertan"
Was sind die wichtigsten biografischen Daten von Heinrich Mann?
Heinrich Mann wurde am 27. März 1871 in Lübeck geboren. Er verließ 1889 vorzeitig das Gymnasium und begann eine Lehre bei einem Buchhändler. 1890 volontierte er beim S. Fischer Verlag und schrieb sich an der Berliner Universität ein. Ab 1891 war er als freier Schriftsteller tätig. 1905 erschien sein Roman "Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen". 1914 heiratete er die Schauspielerin Maria Kanova. 1915 protestierte er mit dem Essay "Zola" gegen die allgemeine Kriegsbegeisterung. 1918 veröffentlichte er den Roman "Der Untertan". 1933 emigrierte er nach Frankreich und wurde ausgebürgert. 1940 floh er in die USA und starb am 12. März 1950 in Santa Monica.
In welcher zeitgeschichtlichen Epoche spielt der Roman "Der Untertan"?
Der Roman spielt etwa zwischen 1889 und 1897, also in der Zeit des wilhelminischen Kaiserreichs. Bismarck wird als Kanzler erwähnt, ebenso seine Entlassung. Der Imperialismus ("Neuer Kurs") und der 100. Geburtstag von Wilhelm I. sind weitere zeitgeschichtliche Bezüge.
Was ist die Kernaussage bzw. der Inhalt von "Der Untertan"?
Der Roman handelt von Diederich Heßling, der als Sohn eines Papierfabrikanten in Netzig aufwächst. Die Geschichte begleitet ihn von seiner Kindheit bis zum Aufstieg zum mächtigsten Mann in Netzig durch politische und gesellschaftliche Machenschaften. Das Werk thematisiert Untertanengeist, Autoritätshörigkeit und die Kritik am wilhelminischen Kaiserreich.
Welche thematischen Aspekte werden in "Der Untertan" behandelt?
Der Roman begleitet den wilhelminischen Bürger Diederich Heßling von der Kindheit bis zur Sicherung seiner Machtposition. Diederich wird als repräsentatives Beispiel für seine Zeit dargestellt, und es wird gezeigt, wie das politische System den Charakter formt, den es zur Machterhaltung braucht.
Wie lässt sich Diederich Heßling charakterisieren?
In seiner Kindheit ist Diederich ein weiches, feiges Kind. Er schlägt sich auf die Seite der Mehrheit und hat Angst vor menschlicher Nähe. Er ist charakterlos, antisemitisch und national eingestellt. Sein Verhalten ist geprägt von lächerlicher Kaisertreue und einer Doppelrolle als Tyrann und Untertan.
Welche erzähltechnischen Aspekte sind in "Der Untertan" auffällig?
Die Geschehnisse werden aus der Perspektive Diederichs geschildert, wobei sowohl seine "Erfolge" als auch seine innere Schwäche und Unsicherheit verdeutlicht werden. Ein auktorialer Erzähler kommentiert das Geschehen mit ironischer Distanz. Es wird vorwiegend ein anspruchsvoller, hypotaktischer Satzbau verwendet, während in Gesprächen einfache Umgangssprache zum Einsatz kommt.
Inwiefern ist "Der Untertan" ein satirisches Werk?
Der Roman ist eine Parodie auf den Entwicklungsroman und entlarvt die Doppelbödigkeit der Gesellschaft. Er zeichnet typische Vertreter einer Kleinstadt und verwendet Naturmetaphorik, Sprachverwendung (Wiederholungen, Dialekt, Übertreibungen, rhetorische Mittel) und Veranschaulichung, um satirisch gesellschaftliche und politische Probleme zu kritisieren.
Welche wichtigen Charaktere außer Diederich Heßling kommen in dem Roman vor?
Zu den wichtigen Charakteren gehören Kaiser Wilhelm II., Regierungspräsident v. Wulckow, Bürgermeister Dr. Scheffelweis, der alte Buck (ein 48er Revolutionär), Guste Daimchen (eine reiche Erbin), Kätchen Zillich, Prof. Kühnchen, Dr. Heuteufel, Red. Nothgroschen, Fabrikant Lauer, Pastor Zillich, Agnes Göppel und weitere.
Welche Montagetechnik wird im Roman verwendet?
Es werden Kaiserzitate in Diederichs Reden montiert, um die Lächerlichkeit Diederichs und die Kritik am Kaiser zu verdeutlichen. Es findet ein Vergleich zwischen Heßlings Reden und den Reden des Kaisers statt, um die Intentionen der Einschüchterung und Machtstabilisierung zu zeigen.
Welche Funktion hat die Satire im Roman "Der Untertan"?
Die Satire dient zur kritischen Analyse von gesellschaftlichen und politischen Problemen, zur Zeitkritik und zur Entlarvung der Gesellschaft (Doppelmoral, Materialismus, Heuchelei).
- Quote paper
- Andrea Bretzendorfer (Author), 2000, Mann, Heinrich - Der Untertan, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/98916