Stellen Sie sich eine Ära vor, in der die Fesseln der Vergangenheit gesprengt wurden und ein neues Deutschland im Taumel von Freiheit und Unsicherheit nach seiner Identität suchte: die Weimarer Republik. Dieses Buch entführt Sie in das vibrierende Herz der "Goldenen Zwanziger", eine Zeit des radikalen Wandels und der bahnbrechenden Kreativität, in der Kunst, Literatur, Musik und Gesellschaft aufregende neue Wege beschritten. Erleben Sie, wie der Fall der Zensur eine Explosion des politischen Journalismus auslöste, die Meinungen polarisierte und die Bevölkerung aufrüttelte. Entdecken Sie die einflussreichen Medien – Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und den aufstrebenden Film –, die zu mächtigen Werkzeugen der Information und Propaganda wurden. Tauchen Sie ein in die Welt der "Neuen Sachlichkeit" in Kunst und Architektur, wo Künstler wie George Grosz und Otto Dix schonungslos die soziale Realität abbildeten und das Bauhaus die Grenzen von Form und Funktion neu definierte. Verfolgen Sie die literarischen Revolutionen von Thomas Mann, Heinrich Mann und Bertolt Brecht, deren Werke die politische und moralische Landschaft der Zeit widerspiegelten und die Leser zur Reflexion anregten. Erfahren Sie, wie der Jazz aus Amerika nach Deutschland schwappte und die Musikszene aufmischte, während Komponisten wie Hindemith und Schönberg mit neuen musikalischen Ausdrucksformen experimentierten. Beleuchtet werden auch die gesellschaftlichen Umwälzungen, die das Leben der Jugend und der Frauen veränderten, ihnen neue Freiheiten ermöglichten, aber auch mit den Herausforderungen einer instabilen Republik konfrontierten. Doch inmitten des kulturellen Aufbruchs und der sozialen Experimente lauerte eine dunkle Bedrohung: der aufkeimende Nationalismus und die Ideologien der Rechten, die die Republik von innen heraus zu zerstören drohten. Dieses Buch ist eine fesselnde Reise durch eine turbulente Epoche, die bis heute nachwirkt und uns dazu anregt, über die Bedeutung von Freiheit, Verantwortung und den Wert einer vielfältigen und offenen Gesellschaft nachzudenken. Es ist eine Geschichte von Hoffnung und Verzweiflung, von Kreativität und Zerstörung, die jeden Leser in ihren Bann zieht. Die Kultur der Weimarer Republik wird anhand von Analysen zu Zeitung, Zeitschriften, Rundfunk, Film, bildende Kunst, Architektur, Literatur, Musik sowie gesellschaftliche Veränderungen beleuchtet. Dieses Buch ist ideal für Studenten, Historiker und alle, die sich für die deutsche Geschichte und Kultur interessieren.
Kathrin Wanke
Kultur in der Weimarer Republik
1) Einleitung
Der politische und soziale Umbruch nach Kriegsende, der schließlich in der Errichtung einer demokratischen Republik mündete, hatte natürlich auch großen Einfluß auf das kulturelle Leben im Deutschen Reich. Nachdem nun endlich die Zensur seitens des Staates weggefallen war, konnte sich eine Kultur entwickeln, deren Wortführer Stellung bezogen und in nicht geringem Maße damit auch die ,,normalen" Bürger politisierten und zu Meinungsäußerungen zwangen.
Aufgrund der scheinbar stabilen wirtschaftlichen Situation des DR zwischen 1923 - 1929 konnte die Aufbruchstimmung, welche die intellektuelle Elite erfasst hatte, direkt umgesetzt werden und erreichte neuer Verbreitungsmöglichkeiten wegen wie Rundfunk und Tonfilm eine große Masse der deutschen Bevölkerung. Berlin, die Viermillionenhauptstadt, avancierte zum kulturellen Dreh- und Angelpunkt, nicht zuletzt deshalb, weil die amerikanischen Einflüsse in Bezug auf Jazz und die Neuen Medien hier am meisten spürbar waren und am gleichen Ort verarbeitet werden konnten. Als Paradebeispiel dafür lässt sich die Universum Film AG (gegründet 1917) anführen, die in Babelsberg Filme produzierte, die mit ihrer z.T. amerikanischen Machart und ihrer Qualität in Europa führend und auch international bedeutend waren.
Insgesamt waren die traditionellen Ausprägungen der Kultur wie Kunst und Literatur in den Zwanzigern deutlich mehr auf die Bedürfnisse des Normalbürgers zugeschnitten als das z.B. noch während des Expressionismus der Fall gewesen war. Literatur und Kunst sollten dabei jedermann zugänglich gemacht werden, verständlich sein und mussten somit jeglichen Pathos ablegen. Aus dieser Zielsetzung heraus entstanden jene Schlagwörter, die die neuartigen Entwicklungen dieser Zeit benennen wie ,,Neue Sachlichkeit" oder auch ,,episches Theater", welches die Theaterkultur im speziellen revolutionierte. Des weiteren war die Politik ein wichtiger Punkt, der die Kultur der ,,Goldenen Zwanziger" entscheidend prägte. Fast alle Intellektuellen dieser Zeit definierten sich und ihre Kunst über ihre Position zum System und zur Umsetzung in der Republik. Dabei gingen die Meinungen natürlich stark auseinander, was auch auf den verlorenen Krieg und die jeweilige Einstellung des einzelnen Künstlers dazu zurückzuführen ist. Diese ständige Auseinandersetzung sowohl mit dem Vergangenen als auch mit der Gegenwart und sogar der Zukunft ist besonders in der zeitgenössischen Literatur spürbar. Insgesamt kann man das kulturellen Leben der Weimarer Republik in drei Aspekte unterteilen, die einzeln wichtig sind und die Innovationen der Zeit auf ihre Art umsetzen. Zum ersten sind da die regelmäßig erscheinenden Printmedien Zeitung und Zeitschriften und die neuen Medien Rundfunk und Film, zum zweiten die Literatur und zum dritten die bildende Kunst und die Architektur. Auf diese drei Unterpunkte soll im folgenden näher eingegangen werden.
2) Zeitung/ Zeitschriften, Rundfunk u. Film
Durch den Wegfall der staatlichen Zensur konnte sich in den Jahren der Weimarer Republik ein politischer Journalismus etablieren, der seine Anfänge bereits im Expressionismus um 1910 hatte. Es entstanden unzählige Zeitschriften, die auf ganz unterschiedliche Weise mit dem verlorenen Krieg und der neu gegründeten Republik umgingen. Viele bezogen eine politisch einseitige Position, so dass viele Zeitschriften zum Sprachrohr bestimmter politischer Organisationen wurden und den politischen Alltag mitbestimmten. Als Zahlen, die die Bedeutung von Zeitung und Zeitschrift in der Weimarer Republik belegen, kann man die Anzahl sowie die Gesamtauflage anführen. 1932 gab es im Deutschen Reich 4702 Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 25 Millionen Exemplaren. Als eine Zeitschrift, hinter der direkt eine Partei stand, kann man den sozialdemokratischen ,,Vorwärts" (bereits 1876 gegründet) nennen und als Zeitschrift, die sich auf satirische Weise mit den politischen Zuständen der jungen Republik auseinandersetzte, den ,,Simplicissimus" (gegründet 1896).
Aufgrund des großen Einflusses der Zeitungen und Zeitschriften begannen viele bedeutende Literaten ihre Karriere als Journalisten und schrieben auch später noch gelegentlich Artikel, so z.B. Brecht, der für die ,,Vossische Zeitung" schrieb, oder auch Heinrich Mann, der zunächst als Auslandskorrespondent arbeitete und später sogar selbst Herausgeber einer Zeitschrift war.
Der bedeutendste politische Journalist der Weimarer Republik war der Humanist und überzeugte Pazifist Carl von Ossietzky(1889-1938). Dieser war von 1927 an Herausgeber der ,, Weltbühne", einer Wochenzeitschrift, für die bald fast alle linken Intellektuellen schrieben. Ossietzky warnte früh vor extremistischen Entwicklungen sowohl von links als auch von rechts und geriet aufgrund seiner Kritik an den immer noch bestehenden reaktionären Kräften in der Reichswehr 1931 mit dieser in einen Konflikt und wurde zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Später, nämlich 1935, als die Nazis schon an der Macht waren, nahm Ossietzky, der internationales Ansehen genoß, trotz Warnungen den Friedensnobelpreis an. Bis heute ist Ossietzky ein Symbol für den Widerstand in Deutschland, denn obwohl er seit 1933 in Konzentrationslagern lebte und an den Folgen der dortigen Behandlung 1938 starb, war er nie bereit, den zahlreichen Angeboten einer Aussöhnung mit Hitler und seinem Regime zuzustimmen.
Ein weiterer Journalist und Literat, der für kurze Zeit ebenfalls Herausgeber der ,,Weltbühne" war, ist Kurt Tucholsky, dessen Name für scharfe satirische Kritik an sozialen und politischen Mißständen steht.
Ein neues Medium, das während der Weimarer Republik weiterentwickelt wurde und schnell an Bedeutung gewann, ist der Rundfunk. 1917 beginnt die Geschichte des Rundfunks mit Musikübertragungen an der Westfront, 1920 wird das erste Konzert gespielt und 1922 gibt es mit dem ,,Wirtschaftsrundspruch" den ersten regelmäßigen Rundfunksender. !929 hat bereits jeder vierte Haushalt des Deutschen Reiches ein Radio, eine Tatsache, die später von den Nazis zu Propagandazwecken genutzt wird. Ab 1924 wurden Hörspiele durch den Rundfunk übertragen. Waren es zunächst noch Bearbeitungen für bekannter Stücke, wurden ab 1927 Hörspiele eigens fürs Radio geschrieben.
Ein anderes Medium, das während der späten Weimarer Republik deutlich verbessert wurde, ist der Film. Schon die frühen deutschen Stummfilme waren von guter Qualität, allerdings ohne internationale Bedeutung. Dies änderte sich Mitte der Zwanziger Jahre. Unter dem Stichwort "Neue Sachlichkeit" entstanden Filme mit einer sozialen Komponente und einer realistischen Darstellungsweise. Als Thematik wurden soziale Probleme vor allem der unteren Schichten gewählt, so z.B. in ,,Die freudlose Gasse" von 1925, ein Film, der im Prostituiertenmilieu spielt. Ende der Zwanziger ging der Trend des deutschen Films zur Amerikanisierung. Es wurde nun mehr Wert gelegt auf Trickreichtum und Spezialsequenzen. Dazu waren technisch gut ausgestattete Studios notwendig und durch den Zusammenschluß der Ufa mit den deutschen Unternehmen amerikanischer Produktionsfirmen wurden die Babelsberger Filmstudios in dieser Hinsicht in Europa führend und gewannen auch international an Bedeutung. Der Höhepunkt des deutschen Films war Anfang der Dreißiger.
1929 wurde der Tonfilm entwickelt und mit ,,Der blaue Engel" gelang dem Regisseur Josef von Sternberg 1930 der erste bedeutende Tonfilm in Deutschland. Nicht zufällig ist dies die Verfilmung eines Roman von Heinrich Mann, denn die Literatur stand mit dem Film in engen Wechselbeziehungen. Der nahm Romanvorlagen als Filmgrundlage und die Literatur Elemente des Films wie Collage und Montage als Grundlage für einen neuen Romantyp.
Beispielhaft für diese Entwicklung ist Alfred Döblins Roman ,,Berlin Alexanderplatz", für dessen Verfilmung er sogar das Drehbuch selbst schrieb.
3) Bildende Kunst und Architektur
Auch in der Bildenden Kunst war die ,,Neue Sachlichkeit" das Schlagwort der Weimarer Republik. Die führenden Maler dieser Zeit entwickelten diesen neuen, sehr realistischen Stil als Gegenbewegung zur Subjektivität des Expressionismus, dem die meisten zuvor selbst angehört hatten. Die versteckte Kritik des Expressionismus, die sich in grellen Farben äußerte und subjektive erschreckende Seelenzustände darstellen sollte, war während der Weimarer Republik nicht mehr angebracht. Die Künstler besaßen nun die Freiheit, Mißstände und ihre Kritik daran konkret äußern und darstellen zu können. Die grellen Farben traten in den Hintergrund und wurden durch eine detailliertere Wiedergabe der Wirklichkeit ersetzt. Ein beliebtes Thema der Neuen Sachlichkeit war die Auseinandersetzung mit dem verlorenen Krieg sowie die Kritik an der wiederkehrenden Macht reaktionärer Kräfte. Bedeutendes Stilmittel war die Satire, mit deren Hilfe viele Maler bissige Gesellschaftskritik übten, so z.B. George Grosz. Ein Maler, der durch extrem realistische Darstellung eine erschreckende und beklemmende Atmosphäre erweckte, war Otto Dix. Soziale Mißstände und Krieg waren die Hauptthemen Käthe Kollwitz', die vor allem mit ihren Kohlezeichnungen und Anti- Kriegsplakaten zu mehr Menschlichkeit aufrief. Seit 1919 war sie Mitglied in der ,,Preußischen Akademie der Künste" und bekam dort als erste Frau überhaupt einen Lehrauftrag.
Neu entdeckt wurde in der Weimarer Zeit die Bedeutung der Photographie. Besonders Künstler wie Laszlo Moholy- Nagy machten die ,,Neue Sachlichkeit" mit Hilfe von Photos insofern populär, als dass sie Alltagsgegenstände wie Geschirr oder auch Wasserhähne abbildeten und experimentell verarbeiteten. Laszlo Moholy- Nagy arbeitete am Bauhaus, einer bedeutenden Institution des kulturellen Lebens dieser Zeit. 1919 von Walter Gropius gegründet, traf sich in Weimar nun regelmäßig eine Gruppe experimentierfreudiger Künstler, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Gegenstände, insbesondere Alltagsgegenstände herzustellen, die eine Einheit aus ästhetischer Form und Funktion bildeten. In diesem Grundsatz zeigt sich das Anliegen der Bauhäusler, industriellen Fortschritt sowie industrielle Fertigungsmethoden und Kunst zu einen. Dazu war nach Meinung des Gründers ein breit gefächertes Studium nötig, während dessen der Student vor allem die Stoffe, mit denen gearbeitet wird, an sich und den Umgang mit ihnen lernen sollte. Aufgrund dieser Neuerungen waren natürlich die Werke, die mit der Zeit entstanden, allesamt innovativ und hatten deshalb großen Einfluß auf die weitere Entwicklung der bildenden Kunst und im besonderen auf die Architektur. Das Bauhaus propagierte einen klaren, sachlichen Stil, der kein Element, weder Form noch Funktion in den Vordergrund rücken sollte. Am deutlichsten wird dieses Prinzip des Industriedesigns, wenn man die am Bauhaus entstandenen Möbel betrachtet, wie z.B. den Bauhaus- Stuhl von Marcel Breuer. Bei den Möbeln dominieren geometrische Formen und - wie z.B. bei Gerrit Rietveld - die Grundfarben.
Abgesehen von seiner internationalen Bedeutung für die Kunst ist die Entwicklung des Bauhauses ein Paradebeispiel für die Schwierigkeit, künstlerisch experimentell angelegte Institutionen frei von staatlichem Einfluß zu halten, auch wenn, wie gesagt, die Zensur eigentlich aufgehoben ist und Meinungsfreiheit gilt. Das Bauhaus war wegen seiner oft veranstalteten Feste und der z.T. fast revolutionären Haltungen seiner Direktoren (studierende Frauen waren an der Universität eine Selbstverständlichkeit) in Weimar verpönt und den dort tagenden hohen Politikern ein Dorn im Auge. Das Bauhaus wurde solange massiv unter Druck gesetzt, bis es schließlich 1925 nach Dessau umzog. Mit dem Anwachsen der nationalsozialistischen Strömung in Deutschland verschlechterte sich die Situation des Bauhauses mehr und mehr. Obwohl es seit 1930 mit Mies van der Rohe einen eher unpolitischen Direktor hatte, wurde es 1932 geschlossen und 1933, nachdem es kurzfristig nach Berlin umgesiedelt war, endgültig aufgelöst.
Bedeutende Künstler am Bauhaus waren Paul Klee, Wassily Kandinsky, Johannes Itten, Oskar Schlemmer, Marcel Breuer, Gerhard Marcks und Josef Albers.
4) Literatur:
Die Literatur ist das vielleicht interessanteste Gebiet der Kultur der Weimarer Republik. Obwohl die Weimarer Republik nur 14 Jahre dauerte, war diese Zeit literaturgeschichtlich gesehen sehr bedeutend und produktiv, was natürlich nicht zuletzt daran liegt, dass so wichtige Literaten wie Thomas und Heinrich Mann sowie Bert Brecht gerade damals lebten und das kulturelle Leben entscheidend prägten. Die Literatur der Weimarer Republik ist auch deshalb so interessant und vielfältig, weil ihre Autoren wie andere Bürger auch und nicht selten in größerem Maße in die politischen Wirren der Zeit eingebunden waren.Wie bereits erwähnt, definierten sich viele Literaten über ihre politische Gesinnung und die daraus resultierende Haltung zur Republik. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Literatur der Weimarer Republik z.T. eine sehr politische war, zumal viele Literaten aktiv politisch tätig waren. So war der Dichter Ernst Toller z.B. der Vorsitzende der bayerischen USPD und Heinrich Mann der Gründer des ,,Politischen Rat geistiger Arbeiter". Neben diesen politisch deutlich Stellung beziehenden Autoren gab es allerdings auch solche, die davon gar nichts hielten und sich lieber zurückzogen, um ,,in Ruhe" künstlerisch anspruchsvolle Bücher schreiben zu können. Und diese Schriftsteller waren keineswegs die weniger erfolgreichen, wie das Beispiel Thomas Mann zeigt. Dieser verstand sich als Repräsentant Deutschlands, was sich zunächst allerdings auf die künstlerische Ebene zu beschränken schien, wie das folgende Zitat von 1918 zeigt: ,,Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt... Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung und Anstand. wenn das philisterhaft ist, so will ich ein Philister sein." Erst wesentlich später, nämlich 1929, als der Nationalsozialismus an Bedeutung gewann, änderte Thomas Mann sein unpolitisches Auftreten und vertrat das republikanische Prinzip. Einerseits extrem politisch engagiert, andererseits extrem auf das Hochgeistige angelegt, erfuhren die Romane der Brüder Mann verschiedene Ausprägungen - mit unterschiedlichem Erfolg. Während Heinrich Manns Parodie auf das wilhelminische Kaiserreich ,,Der Untertan" ein Bestseller wurde (1917 wurde seine Veröffentlichung noch verboten), erlangte der formal durchdachtere, anspruchsvollere ,,Zauberberg" nur bei der geistigen Elite Deutschlands Beachtung, wobei natürlich zu erwähnen ist, dass Thomas Mann für dieses Werk 1929 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Allerdings zeigt ,,Der Untertan" klar die Mißstände des Obrigkeitsstaates auf, während sich eine prägnante Aussage im ,,Zauberberg" nicht findet. Heinrich Manns Werk lag damit im Trend und war in Bezug auf Inhalt und der Form einer breiteren Masse der Bevölkerung zugänglich. Und das ist eine Entwicklung, die in der Literatur der Weimarer Republik entscheidend war. Literatur sollte für jedermann lesbar sein, sie klar Stellung beziehen und dadurch politisierend wirken.
Weitere Autoren griffen diese Entwicklung auf, so z.B. Alfred Döblin. Mit seinem Roman ,,Berlin Alexanderplatz" schuf er einen ganz neuen Romantyp, indem der Elemente des Films wie Montage und Collage nutzte, um so den Stil journalistisch wirken zu lassen und eindringlich das hektische Leben in der Hauptstadt beschreiben zu können. Damit leistet Döblin den stärker werdenden westlichen Einfluß auch in der Literatur Folge. Unter dem Eindruck der ,,goldenen Zwanziger" werden die bis dahin strengen formalen Regeln der Literatur aufgelöst und weichen einer gewissen Experimentierfreudigkeit. Diese Entwicklung läßt sich unter dem Begriff ,,Neue Sachlichkeit" zusammenfassen, denn insgesamt war die Literatur der Weimarer Republik sachlich, denn sie sollte dokumentieren statt spekulieren.
Mit Brechts Worten und auf die Lyrik bezogen kann man sagen: Sie (die Lyrik) wird nicht mehr nach ihrem ,,Schönheitswert" (wie im Impressionismus), sondern nach ihrem ,,Gebrauchswert" beurteilt.
In Bezug auf den Inhalt der Weimarer Literatur kann man sagen, dass sich ein Großteil der Werke mit den Mißständen der aktuellen Situation, also der Gegenwart auseinandersetzte, dass sich viele Autoren aber auch mit dem Vergangenen, mit dem Krieg beschäftigten. In den Köpfen der Bürger spielte der Krieg während der gesamten Weimarer Republik eine große Rolle, was zwangsläufig der Fall sein mußte, waren sie doch im alltäglichen Leben stets mit den Auswirkungen des verlorenen Krieges, dem Versailler Vertrag konfrontiert. Genauso erging es den Schriftstellern. So kontrovers der Erste Weltkrieg und sein Ausgang in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, so gegensätzlich war die ,,Kriegsliteratur". Auch an dieser Stelle gibt es wieder bekannte Beispiele.
Ernst Jünger war einer der ersten ,,Kriegsautoren" und spaltete gleich mit seiner ersten Veröffentlichung ,,In Stahlgewittern" die Kritik. Der Roman ist das Kriegstagebuch Ernst Jüngers; einfach geschrieben enthält es keinerlei Reflexionen über Sinn und Unsinn des Krieges und an keiner Stelle spricht sich Jünger deutlich für oder gegen den Krieg aus. Diese Tatsache brachte dem Autor den Vorwurf ein, trotz der erschreckend detaillierten Darstellung des Krieges diesen verherrlichen zu wollen. Denn für Ernst Jünger scheint der Krieg lediglich der Ort zu sein, an dem sich junge Männer bewähren und zu Helden werden können. Das Heldentum rückt dabei so weit in den Vordergrund, dass jeder moralische Einwand verschwindet. Aufgrund dieser Tatsache lieferte dieses Buch den Nationalsozialisten Argumente für deren heroisches Bild vom Soldaten.
Im Gegensatz zu diesem Werk steht Erich Maria Remarques ,,im Westen nichts Neues". Die ebenfalls sehr eindringliche, aber im Vergleich zu Jünger sehr distanzierte Wiedergabe der Kriegsgeschehnisse gibt deutlich mehr Aufschluß über die Haltung des Autors. Am Beispiel seines Protagonisten Paul Bäumers, der die Sinnlosigkeit des Krieges erkennt, macht Remarque deutlich, wie er den Ersten Weltkrieg sieht und bewertet. Remarque macht in seinem Roman deutlich, wie unaufgeklärt und voll von Illusionen junge Menschen in den Krieg zogen und wie desillusioniert und gebrochen sie wieder nach Hause kamen. Indem er den Leidensweg dieser Generation beschreibt, will Remarque vor den Nazis warnen, die mit ihrer militärischen Erziehung und ihrer Idealisierung der Kriegswirklichkeit die Jugend, also eine weitere, neue Generation für politische Zwecke mißbrauchten. Wegen dieser offensichtlichen Warnung wurde Erich Maria Remarque von den Nazis stark angegriffen und verfolgt, seine Bücher wurden, wie auch die von Heinrich und Thomas Mann, bei der Bücherverbrennung 1933 Opfer der Flammen.
Im Bereich der Epik gab es neben den Brüdern Mann, Döblin, Remarque und Jünger natürlich noch andere bedeutende Autoren, so z.B. Hans Fallada, der mit seinem Roman ,,Kleiner Mann, was nun?" ein Musterbeispiel für den Sozialen Roman schuf, oder Lion Feuchtwanger, der vor allem historische Romane schrieb und mit ,,Jud Süß" bereits sehr früh, nämlich 1925 die Anfänge der antisemitischen Stimmung in Deutschland einfing. Ebenso wie die Epik war auch die Dramatik in den Zwanziger Jahren sehr produktiv, was vor allem daran lag, dass die Theaterbühnen nun auch Stücke aufführen konnten, die im Kaiserreich verboten gewesen wären, so dass einige zuerst noch unbekannte Autoren zu Weltruhm gelangten. Neben Ödön von Horvath, der vor allem sozialkritische Volksstücke wie ,,Fegefeuer in Ingolstadt" schrieb, waren aber vor allem Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht die bestimmenden Autoren.
Carl Zuckmayer war ein eher klassischer Dramatiker, der mit seiner Komödie ,,Der Hauptmann von Köpenick" 1930 einen Publikumserfolg landete. Dieses Stück ist - ähnlich wie bei Heinrich Mann - eine Parodie auf das Deutsche Reich unter Wilhelm II., denn der Protagonist, ein vorbestrafter Schuster, kann mit Hilfe einer Hauptmannsuniform die gesamte Köpenicker Stadtverwaltung täuschen und deckt so den Untertanengeist der Bürger auf, die eher gehorchen anstatt zu hinterfragen. In dem Volksstück ,,Der Schinderhannes" erzählt Zuckmayer die Geschichte des Johann Bückler, der während der napoleonischen Besatzungszeit am Rhein den reichen Leuten Geld stahl, um es an die Armen zu verteilen.
Der aber wohl bedeutendste Stückeschreiber dieser Zeit, der mit seinem ,,epischen Theater" die moderne Dramentheorie begründete, war Bertolt Brecht. Mit seinem Werke ,,Die Dreigroschenoper" startete Brecht seinen Siegeszug durch die deutschen und später internationalen Theater. Schon früh hatte Brecht versucht, die Funktion des zeitgenössischen Theaters zu verändern, aber erst Mitte der Zwanziger Jahre begann er, zusammen mit Erwin Piscator, ein politisches Dokumentartheater zu entwickeln, das sich total von der klassischen Dramentheorie des Aristoteles unterschied. Im Gegensatz zum klassischen Drama, bei dem der Zuschauer in die Handlung mit einbezogen werden soll, wollte Brecht eine kritische Distanz zum Bühnengeschehen schaffen, so dass der Zuschauer selbst über die gesellschaftlichen Mißstände, die auf der Bühne gezeigt werden, nachdenken und sie reflektieren kann. Um diese Distanz zu erwecken, benutzte Brecht den sogenannten ,,Verfremdungseffekt", indem er bestimmte Abläufe und Verhältnisse nicht direkt wiedergab, sondern historisch oder geographisch verfremdete, so dass der Zuschauer seinen Blick auf das Allgemeine lenken und sich überlegen konnte, wie man diese Verhältnisse, auf derzeitige Situationen übertragen, ändern könnte. Des weiteren nahm Brecht eine ,,Episierung" des Theaters vor, dass heißt, er sprengte die logische, auf einander aufbauende Szenenfolge des klassischen Theaters insofern auf, als dass er Szene an Szene reihte, ohne dass sie einem zwingenden Aufbau folgten. All das diente letztlich dazu, den Zuschauer zur aktiven Mitarbeit zu bewegen. Brecht, der überzeugter Marxist war, hoffte, mit dieser Art von Theater den Menschen seine politische Haltung näherzubringen und sie zum Handeln zu überzeugen. Dies gelang aber zumindest mit den ersten Stücken kaum. Der Publikumshit der ausgehenden Zwanziger Jahre war die ,,Dreigroschenoper", doch obwohl sie eigentlich einen Angriff auf die scheinheilige Bürgerlichkeit war, ging dieser fast unter, da das Stück an sich mit seiner Mischung aus Musik und Handlung einen großen Genuss darstellte, für den sich vor allem das bürgerliche Publikum begeistern konnte. Brechts zweites Stück für die Bühne, ,,Die heilige Johanna der Schlachthöfe", wurde aufgrund der politischen Brisanz, die es in sich trug, erst 1956 uraufgeführt, da es bereits 1930 niemand mehr wagte, ein solches Stück zu produzieren. In diesem Drama versetzt Brecht die historisch und literaturgeschichtlich wichtige Figur der Jeanne d'Arc in die Chicagoer Schlachthöfe. Den Hintergrund des Dramas bilden die Weltwirtschaftskrise und die damit einher gehende Massenarbeitslosigkeit. Den persönlichen Konflikt seiner Heldin, der Schillers Stück bestimmt hatte, wandelt Brecht in einen gesellschaftlichen um, in dem man sich zwischen passiven Mitleid und aktivem Klassenkampf entscheiden muß. Dass man die Verhältnisse von Chicago nach Weimar übertragen muß, wäre die Aufgabe des Publikums der Weimarer Republik gewesen, allerdings verbot das die Gefahr, die vom damals bereits mächtigen Nationalsozialismus ausging.
Insgesamt gesehen kann man sagen, dass Brecht mit seinem epischen Theater die literaturgeschichtliche Bedeutung von Weimar und Deutschland entscheidend mitprägte.
Das Brechts und auch Zuckmayers Werke von den Nazis verbrannt wurden, versteht sich fast von selbst, handelten diese beiden Autoren mit ihren Werken doch stets gegen deren Ideologie.
Auch im Bereich der Lyrik war der Einfluß der Neuen Sachlichkeit spürbar. Die Lyrik bekam - wie bereits erwähnt - einen sogenannten ,,Gebrauchswert". Besonders der Begriff der Naturlyrik wurde umgedeutet. Während man darunter früher ein Versinken in die Natur meinte, oder auch subjektive Stimmungen in sie hinein projiziert wurden, bedeutete Naturlyrik der Weimarer Republik genaue Beobachtung der Natur. Das ging sogar soweit, dass die Gedichte zu botanischen Beschreibungen wurden. Der wichtigste Vertreter dieser Art von Lyrik war Wilhelm Lehmann mit seinem Gedichtband ,,Antwort des Schweigens". Ein weiterer Dichter, der die Natur sachlich beschrieb, sie allerdings mehr als Lehmann mit antiken Mythen verknüpfte und dessen Sprache nicht ganz so nüchtern wirkte, war Oskar Loerke, der mehrere Gedichtbände veröffentlichte, so u.a. ,,Der Silberdistelwald" (1931).
Zusammenfassend kann man allerdings sagen, dass die Lyrik während der Weimarer Republik innerhalb der Literatur keinen so großen Stellenwert hatte wie z.B. die Epik, weil sich die damaligen Strömungen einerseits nicht so gut auf die Lyrik anwenden ließen und weil andererseits Mißstände offen und ohne symbolhafte Sprache aufgezeigt werden konnten, anders, als das noch im Expressionismus der Fall gewesen war.
Insgesamt gesehen kann man sagen, dass die Literatur der Weimarer Republik sehr ergiebig war, und zwar nicht nur auf ihre literaturgeschichtliche Bedeutung bezogen, denn durch ihre Produktivität entstand fast ein neuer Wirtschaftszweig. Sowohl die Anzahl als auch die Größe einzelner Verlage wuchsen während der Weimarer Republik an und gewannen, so dass das Verlagswesen schnell zu einer bedeutenden Wirtschaftsmacht in Deutschland wurde.
Ähnlich wie heute aber noch stärker ausgeprägt, suchte jeder Verlag aktiv neue junge Literaten, die er fördern konnte und den er dafür vertraglich an sich band. Dadurch entstanden häufig lebenslange Bindungen, die das Image eines Verlages auf Jahrzehnte festlegen konnten. Das Paradebeispiel für eine solche Verbindung ist der S. Fischer Verlag, der mit Thomas Mann einen Schriftsteller unter Vertrag hatte, mit dem sich viel Geld machen ließ, denn nicht nur seine Bestseller halfen dem Verlag, allein sein Name brachte Fischer einen Bekanntheitsgrad ein, der von keinem anderen Verlag überboten werden konnte.
6) Musik:
Der Bereich der Musik war in der Weimarer Republik nicht so bedeutend wie z.B. die Literatur, was vermutlich vor allem darin liegt, dass das Theater und somit auch die Oper durch das aufkommende Massenmedium Film sowie durch die Verbesserung des Grammophons Konkurrenz bekam, was die Abendgestaltung angeht. Trotz dieser Entwicklung gab es zwei deutsche Komponisten, nämlich Hindemith und Schönberg, die die moderne Musik auch im Ausland beeinflußten. Hindemith, der ab 1927 Direktor der Berliner Musikhochschule war, wurde vor allem mit seine zwei Opern ,,Cardillac" und ,,Mathis der Maler" sowie seinen Gedichtvertonungen bekannt. In seinen Werken versuchte Hindemit auf experimentelle Weise, die Dur- Moll- Harmonien durch eine Neuordnung der 12 chromatischen Töne zu ersetzen. Vorausgegangen war dabei die von Arnold Schönberg um 1920 entwickelte Zwölftonmusik, der weiterhin mit seinen Werken ,,Verklärte Nacht" und den ,,Gurrelieder" berühmt wurde. Die Zwölftonmusik aber war die ,,Erfindung", welche Schönberg internationale Anerkennung brachte. Dabei liegt beim Komponieren einem Stück eine bestimmte Zwölftonreihe zugrunde, die vom Komponisten in Bezug auf die Tonhöhen verändert werden kann, im ganzen aber eine Einheit und einen Zusammenhang im Stück schaffen soll.
Einer der Schüler Schönbergs war Anton Weber, ein weiter Komponist der Weimarer Zeit, der durch seine Opern ,,Wozzek" und ,,Lulu", beides Vertonungen literarischer Stücke, berühmt wurde.
Wenn man über die Musik der Weimarer Republik redet, darf man eine ganz neue Stilrichtung nicht vergessen, und zwar den Jazz. Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Zeit Berlin die kulturelle Hauptstadt Europas waren, machten sich internationale Einflüsse zuerst bemerkbar. Wie auch im Film gab es auch in der Musik die Tendenz zur Amerikanisierung und im Zuge der Goldenen Zwanziger kam der Jazz nach Deutschland, wo bald die ersten Musiklokale mit eigener Big- Band eröffneten. Da diese Art Musik schnell ihr Publikum fand, wurde der Jazz auch in die traditionellen Ausprägungen der Musik mit eingebunden, was Ernst Krenek mit seiner Jazz- Oper ,,Johnny spielt auf" zeigt.
Bertolt Brecht, in dessen Theorie wie bereits erwähnt Songs, die in seine Stücke integriert waren, eine wichtige Rolle spielten, arbeitete sehr häufig mit Kurt Weill zusammen, der die Musik für Brechts Stücke komponierte. Mit dem Erfolg des Musikdramas ,,Dreigroschenoper" gelangte auch Kurt Weill zu Weltruhm, dessen Lieder auch heute noch ein großes Publikum erfreuen.
7) gesellschaftliche Veränderungen:
Wenn man den Begriff ,,Kultur", bezogen auf eine zeitliche Periode, nicht nur auf die künstlerischen Ausprägungen der Epoche beschränkt, sondern auch bestimmte gesellschaftliche Veränderungen dazu zählt, so waren derartige Veränderungen während der Weimarer Republik speziell im Bereich der Jugend und bei den Frauen entscheidend.
Die Jugend der Weimarer Republik war, im Gegensatz zur vorhergehenden Generation, die voller Illusionen in den Krieg gezogen war, wesentlich kritischer und auch freier in ihrem Denken und Handeln. Aufgrund der Tatsache, dass die Kirche, die während des Krieges eine doch recht patriotische Haltung vertreten hatten, entscheidend an Einfluß verlor, brauchte sich die Jugend der Zwanziger nicht mehr an Treueverpflichtungen zu halten, welche die Kirche früher als zwingende Gebote vorgegeben hatte. Dies machte sich besonders im Verhältnis Kind - Eltern und auch Schüler - Lehrer bemerkbar. Waren die Eltern vor dem Krieg noch eine Autorität, die nicht angegriffen werden durfte (ebenso war es in Bezug auf den Lehrer), so war dies nach dem Krieg weit weniger der Fall. Zur Zeit des politischen Umbruchs, als die neue Republik eine Umwälzung dieser Art zu rechtfertigen schien, wurden die Jugendlichen kritischer, was moralische und gesellschaftliche Regeln und Normen anging und machten gleichzeitig deutlich, dass sie nicht länger fremdbestimmte Marionetten sein wollten, denn sie hatten am Beispiel der Kriegsgeneration gesehen, wie vergänglich das Leben ist und wie sinnlos und fatal die von Eltern und Lehrern getroffenen Entscheidungen häufig waren. Die Befreiung der Jugend von den mächtigen Erziehungsinstanzen, wie sie die Expressionisten noch gefordert hatten (Wedekind: ,,Frühlings Erwachen"), war also vollbracht. Doch wegen der teilweise extrem instabilen politischen und wirtschaftlichen Situation der Weimarer Republik waren die Voraussetzungen für eine folgenreiche Jugendbewegung nicht gerade günstig. Statt dessen kann man sagen, dass es gerade wegen dieser Instabilität zu einer Orientierungslosigkeit unter den Jugendlichen kam, die nicht wußten, wo die Republik und sie selbst standen und auf welches Ziel sie eigentlich hinarbeiten sollten. Am besten faßt Klaus Mann, der auch ein Vertreter dieser Generation war, das Problem der Jugendlichen zusammen: ,,Wir sind eine Generation, sei es, dass nur Ratlosigkeit uns vereine. Ist uns sogar das Ziel noch nicht gemeinsam, dass uns erst zur Gemeinschaft weihen könnte, so ist es doch das Suchen nach einem Ziel." Am Ende der Weimarer Republik wurde schließlich deutlich, dass die verschiedenen Regierungen es versäumt hatten, den Jugendlichen das Verständnis für die Republik näherzubringen, was sich darin zeigte, dass die Nationalsozialisten, die erkannten, welches Potential in dieser dann nicht mehr ganz so jungen Generation steckte und es wesentlich besser, wenn auch mit zweifelhaften Argumenten, verstanden, sie für ihre Zwecke zu gewinnen.
Auch die Rolle, die die Frau in der Gesellschaft spielte, hatte sich durch den Krieg entscheidend verändert. Denn während die Männer an der Front kämpften, waren sie in der Rüstungsindustrie unentbehrlich geworden. Nach dem Krieg bekamen sie das in der Weimarer Verfassung verankerte Wahlrecht und auch in Bezug auf die Bildung hatten sich ihre Chancen vergrößert. Auch wenn sie meistens schlecht bezahlt wurden und geringe Aufstiegsmöglichkeiten hatten, waren in der Zeit der Weimarer Republik 11 Mio. Frauen voll berufstätig, was natürlich darauf schließen läßt, dass sich auch ihre Rolle innerhalb der Familie geändert hatte. Die Frau war nun nicht mehr nur für die Betreuung der Kinder zuständig, sondern verdiente Geld und schaffte sich dadurch eine gewisse Freiheit und ein neues, starkes Selbstbewußtsein. Das äußerte sich auch im Auftreten und Aussehen der Frauen der Zwanziger Jahre. Die moderne Frau dieser Zeit trug figurbetonte Kleider (im Gegensatz zum Kaiserreich), schnittige Frisuren wie den ,,Bubikopf" oder ,,Herrenschnitt" und kümmerte sich nicht mehr um überlebte gesellschaftlich anerkannte Regeln wie z.B., als Frau nicht zu rauchen und Alkohol zu trinken oder auch, als Frau öffentliche Lokale ohne männliche Begleitung nicht betreten zu können. Damit zeigten Frauen auch äußerlich, dass Gleichstellung mit den Männern ihr Ziel war. Doch auch wenn die Frauen während der Weimarer Republik eine wichtige Rolle spielten, was speziell im kulturellen Leben, im Theater mit berühmten Schauspielerinnen wie Trude Hesterberg oder Elisabeth Bergner der Fall war, darf man nicht vergessen, dass auch sie oft genug an der Instabilität der Verhältnisse litten, so z.B. während der Inflation. So kam es, dass auch sie zu einer Zielgruppe der Nationalsozialisten wurden, denn diese gaben den Frauen das Gefühl, wirklich wichtig zu sein. Dass diese Wichtigkeit darin lag, auf das Großziehen von Kindern beschränkt zu sein, war da vielleicht nicht so offensichtlich. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass es auch in der Republik noch sehr viele Frauen gab, die zu Hause blieben und die nun praktisch als Gegenbewegung zu den modern eingestellten Frauen an Gewicht gewannen. Die eigentliche Frauenbewegung geriet unter den Nazis als "unnatürlich" in Verruf und irgendwie scheint es verständlich, dass man als Frau, wenn das Muttersein von vielen Kindern sogar mit einem Mutterkreuz gewürdigt wird, zum Vertreter einer bestimmten ideologischen Haltung werden kann, zumal wenn stabile und geordnete Lebensumstände versprochen werden. Doch trotz diesem ,,Rückfall" kann man sicher sagen, dass die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft erst durch die Veränderungen, die sie während der Weimarer Republik erfuhr, so möglich wurde.
8) Kultur der Rechten:
Obwohl die Kultur in der Weimarer Republik von der Regierung gefördert wurde, konnten sich in manchen Teilen auch in diesem Bereich die konservativen, nationalistischen Kreise durchsetzen. Eine rechtsgerichtete Kultur, wie es sie in der Weimarer zeit gab, war jedoch selten und ist es bis heute. Wie bereits erwähnt hatte die Rechte besonders gegen Ende der Weimarer Republik großen Einfluß auf die Jugend, da sie mit Intellektuellen wie Arthur Moeller van den Bruck oder auch Oswald Spengler Vertreter besaß, die nicht, wie die Konservativen früher, lediglich für die Wiederkehr des Alten eintraten, sondern statt dessen ein neues, glorreiches Reich propagierten. Sie lehnten die Republik, aber auch das alte Reich ab und begründeten eine ganz eigene Art der Philosophie, die die Umkehrung aller Werte und und ein neues kraftvolles Reich zum Ziel hatte. Dass sie sich dabei Nietzsches Gedanken bedienten, störte weniger, denn somit hatten sie einen Philosophen, der ihre Ziele zu rechtfertigen schien und ihnen sogar mit dem ,,Übermenschen" und der ,,Herrenmoral" entgegenkam, auch wenn diese Begriffe von Nietzsches Philosophie her eigentlich anders belegt waren. Eine Gruppe von ,,Übermenschen" war nach Meinung rechter Intellektueller nötig, um ein Reich zu schaffen zu können, in dem die Menschen frei von beherrschender Demokratie (mit ihren Gesetzen) und Kapitalismus ihre eigentliche Individualität mit all ihren Eigenschaften, ob gut oder schlecht, ausleben können. Moeller und Spengler sahen sich durch den Krieg in ihrer Auffassung bestätigt, da sie Gewalt an sich, die sie in allen Formen idealisierten, als eine Tugend des deutschen Kriegers betrachteten, die es zu fördern galt. Das kurz nach dem Krieg erschienene Kriegstagebuch! von Ernst Jünger schien sie dabei in ihren Auffassungen nur zu bestärken, da auch da, wie bereits erwähnt, Gewalt beschönigt und der Krieg idealisiert wird. Des weiteren zogen Moeller und später auch Spengler alte urdeutsche Heldentypen wie z.B. Friedrich den Großen heran, um ihre Vorstellung des idealen Deutschen zu erläutern. Wie das von ihnen entworfene Dritte Reich auszusehen hat, blieb allerdings verschwommen, da es abstrakt umschrieben wurde, was das folgende Zitat aus Moellers Buch ,,Das Dritte Reich" (1925) verdeutlicht: ,,Der deutsche Nationalismus ist Streiter für das Endreich. Es ist immer verheißen. Und es wird niemals erfüllt. Es ist das Vollkommene, das nur im Unvollkommenen erreicht wird... Es gibt nur ein Reich, wie es nur eine Kirche gibt. Was sonst diesen Namen beansprucht, das ist Staat oder das ist Gemeinde oder Sekte. Es gibt nur Das Reich." Doch gerade mit dieser unklaren Ausdrucksweise, die den Autoren den Anschein einer gewisse Gelehrtheit gab, wurden viele Menschen angelockt, die vieles von dem, was Moeller ablehnte, wie z.B. die Republik und die Parteien, haßten, aber nicht genau wußten, was sie eigentlich wollten, außer dass es anders sein sollte.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die rechten Intellektuellen mit ihrer Philosophie drei Entwicklungen verstärkten:
1) Die Gewalt wurde idealisiert und befürwortet, 2) Die Politik wurde insgesamt abgelehnt und man weigerte sich bewußt, mehr über ihr Wesen zu erfahren und 3)Moralische Werte und die Vernunft als Maßstäbe für individuelles Handeln wurden nicht akzeptiert.
Dass die Philosophie der Rechtsintellektuellen und ihrer zahlreichen Anhänger, die sich vor allem aus ehemaligen Soldaten sowie sozial schlecht gestellten Bürgern zusammensetzten, für die innere Stabilität der Republik nicht gerade förderlich war, ist nachvollziehbar. Interessant und auffällig ist aber, wie wenig Intellektuelle in dieser zeit überhaupt für die Republik eintraten, denn obwohl sich die Regierung redlich vor allem um die linken Künstler bemühte, waren auch auf dieser Seite viele gegen eine Republik in dieser Form, weil sie ihnen zu wenig radikal und zu viel auf die alten Mächte gestützt war. Dieses Verhalten ist zwar ebenfalls nachvollziehbar, allerdings muß man sich fragen, ob nicht auch die linken Künstler mit Schuld am Untergang der Republik sind, denn ein Staat, noch dazu, wenn seine Form neu ist, kann ohne Unterstützung aus dem Volk nicht existieren und die verwehrten ihm auch die eigentlich links Eingestellten. Man muß also festhalten, dass die Republik fast zu jeder Zeit nur Verachtung erhalten hat und zwar von beiden Seiten, von links und rechts.
9)Quellen:
1. Gerd Röger: Deutsche Literatur in Beispielen; bsv, 1991
2. Hans Gerd Rötzer: Geschichte der deutschen Literatur; C.C. Buchner, 1992
3. Bärbel Schrader/Jürgen Schebera: Die ,,Goldenen" Zwanziger Jahre; Böhlaus Verlag, 1987
4. Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte 1866- 1945; C.H. Beck, 1999
5. Sebastian Haffner: Zur Zeitgeschichte; Knaur, 1982
6. Kindlers Literaturlexikon
Häufig gestellte Fragen zu Kultur in der Weimarer Republik
Was war der Einfluss des politischen und sozialen Umbruchs auf die Kultur der Weimarer Republik?
Der politische und soziale Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg und die Errichtung der Weimarer Republik führten zu einer kulturellen Blüte, die von Meinungsfreiheit, dem Wegfall der Zensur und einer Politisierung der Bevölkerung geprägt war. Berlin entwickelte sich zu einem kulturellen Zentrum, beeinflusst von amerikanischen Trends und neuen Medien.
Welche Rolle spielte die "Neue Sachlichkeit" in der Kultur der Weimarer Republik?
Die "Neue Sachlichkeit" war ein zentrales Konzept, das sich in Literatur, Kunst und Film manifestierte. Sie kennzeichnete einen realistischen und unverklärten Blick auf die Gesellschaft, soziale Probleme und politische Realitäten. Pathos wurde abgelegt und Literatur und Kunst sollten für jedermann zugänglich sein.
Wie entwickelten sich Zeitung, Zeitschriften, Rundfunk und Film während der Weimarer Republik?
Der Wegfall der Zensur ermöglichte einen politischen Journalismus. Es entstanden zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften, die oft politisch einseitig waren. Der Rundfunk entwickelte sich zu einem Massenmedium, das ab 1924 Hörspiele ausstrahlte. Der Film erlebte eine Blütezeit, mit der Einführung des Tonfilms und der Amerikanisierung der Produktionsmethoden.
Wer waren bedeutende Journalisten der Weimarer Republik?
Carl von Ossietzky, Herausgeber der "Weltbühne", war ein bedeutender politischer Journalist und Pazifist, der früh vor extremistischen Entwicklungen warnte. Kurt Tucholsky war ebenfalls ein scharfer Kritiker sozialer und politischer Missstände.
Welche Themen behandelten die bildende Kunst und Architektur der Weimarer Republik?
Auch in der bildenden Kunst war die ,,Neue Sachlichkeit" das Schlagwort. Die Auseinandersetzung mit dem verlorenen Krieg, die Kritik an reaktionären Kräften und soziale Missstände waren beliebte Themen. Das Bauhaus propagierte einen klaren, sachlichen Stil, der eine Einheit aus ästhetischer Form und Funktion bilden sollte.
Wer waren wichtige Künstler am Bauhaus?
Bedeutende Künstler am Bauhaus waren Paul Klee, Wassily Kandinsky, Johannes Itten, Oskar Schlemmer, Marcel Breuer, Gerhard Marcks und Josef Albers.
Welche Merkmale kennzeichneten die Literatur der Weimarer Republik?
Die Literatur der Weimarer Republik war stark politisiert und von der Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg, der Republik und sozialen Problemen geprägt. Autoren wie Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht und Alfred Döblin schufen bedeutende Werke, die unterschiedliche Positionen und Stile repräsentierten.
Welche Rolle spielte der Erste Weltkrieg in der Literatur der Weimarer Republik?
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen waren ein zentrales Thema. Ernst Jünger verherrlichte in "In Stahlgewittern" den Krieg, während Erich Maria Remarque in "Im Westen nichts Neues" die Sinnlosigkeit des Krieges und die Desillusionierung der Soldaten thematisierte.
Wer waren bedeutende Dramatiker der Weimarer Republik?
Ödön von Horvath, Carl Zuckmayer und Bertolt Brecht waren bedeutende Dramatiker. Brecht begründete mit seinem "epischen Theater" eine neue Dramentheorie, die auf Distanzierung und kritischer Reflexion des Zuschauers abzielte.
Wie veränderte sich die Rolle der Frau und der Jugend in der Weimarer Republik?
Frauen erlangten das Wahlrecht und waren zunehmend berufstätig. Ihre Rolle in der Familie und der Gesellschaft veränderte sich, was sich auch im Auftreten und Aussehen der Frauen der Zwanziger Jahre äußerte. Die Jugend war kritischer und freier in ihrem Denken und Handeln, aber auch orientierungslos aufgrund der instabilen politischen und wirtschaftlichen Situation.
Welche Rolle spielte die Kultur der Rechten in der Weimarer Republik?
Konservative und nationalistische Kreise propagierten ein neues, glorreiches Reich, das die Republik und das alte Reich ablehnte. Sie idealisierten Gewalt und lehnten politische und moralische Werte ab. Intellektuelle wie Arthur Moeller van den Bruck und Oswald Spengler übten großen Einfluss auf die Jugend aus.
Welche Rolle spielte der S. Fischer Verlag?
Der S. Fischer Verlag war durch die Verbindung mit Thomas Mann einer der größten und wichtigsten Verlage während der Weimarer Republik.
Wer waren bedeutende Komponisten der Weimarer Republik?
Hindemith und Schönberg beeinflussten die moderne Musik. Schönberg entwickelte die Zwölftonmusik. Ernst Krenek verband Jazz mit klassischer Musik. Kurt Weill komponierte die Musik zu Brechts Stücken.
- Quote paper
- Kathrin Wanke (Author), 1999, Kultur in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/98196