Das Kunstmärchen "Der Runenberg" von Ludwig Tieck erschien in seiner Sammlung "Volksmärchen". Dem unbedarften Leser stellen sich unweigerlich verschiedene Fragen, scheint doch die Gattung des Märchens der Inbegriff des glücklichen Ausgangs zu sein. Was unterscheidet also das Volksmärchen vom Kunstmärchen? Was macht die Gattungen in der literaturwissenschaftlichen Definition aus und wie grenzen sie sich ab? Wie hängt das Kunstmärchen mit dem Volksmärchen zusammen?
Diese Arbeit wendet Aspekte und Charakteristika des Volksmärchens auf Tiecks Runenberg an und untersucht somit, inwieweit Entsprechungen und Unterschiede festzustellen sind. Die Kriterien hierfür sind dem Werk Max Lüthis übernommen und werden auf zwei Szenen des Runenbergs angewandt, die das Kunstmärchen in besonderer Weise charakterisieren, Christians Erlebnis auf dem Runenberg und das (hier sogenannte) verpasste Happy End.
Die Liebe der Romantiker zum Märchen geht aus seinem selbstverständlichen Umgang mit dem Wunderbaren hervor. Romantische Dichter hoben diesen Aspekt, der in der Literatur der Aufklärung selten geworden war, erneut hervor. Das wahre Wesen der Dinge sei nur oder zumindest besser durch die Romantisierung erkennbar. Dass das Volksmärchen in den Fokus der Romantiker geriet, hängt auch mit seiner mündlichen Überlieferungstradition zusammen. Viele romantische Dichter empfanden und verklärten das Mittelalter als ein goldenes Zeitalter, eine harmonische Vergangenheit, in der sich der Mensch noch im Einklang mit der Welt befand und nach der es in der Gegenwart zu streben gilt. Das Alter und die allgemeine Gültigkeit des Märchens, so wie sein fantastischer Inhalt fanden Anklang und Nachahmer unter den Romantikern, sodass Volksmärchen gesammelt und niedergeschrieben und erste Kunstmärchen verfasst wurden. Der Runenberg ähnelt in seiner Abweichung vom prototypischen Volksmärchen dem "Blonden Eckbert" von Tieck. Wahnsinn und Schein spielen eine große Rolle in Tiecks Märchenkonzeption. Das Wunderbare wird in eine düstere Sphäre gedrängt und scheint mehr und mehr zum Unheimlichen zu werden. Die ungewöhnlichen Merkmale des Textes, ob sie nun volksmärchentypisch sind oder nicht, bedürfen einer näheren Betrachtung, um den Märchencharakter des Textes ganz zu erschließen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Gattungsfrage
- Die Gattungsfrage beim Runenberg
- Die Gattung des Volksmärchens nach LÜTHI
- Untersuchung des Runenbergs nach LÜTHIS Kriterien
- Szene 1: Die erste Begegnung mit dem Wunderbaren (S.190-193)
- Szene 2: Das verpasste Happy End (S. 195-199)
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Ludwig TIECKS Kunstmärchen Der Runenberg und untersucht dessen Nähe und Distanz zum Volksmärchen. Der Fokus liegt auf der Einordnung des Textes in die Gattungsfrage sowie der Analyse von Merkmalen und Abweichungen vom Volksmärchen anhand der Kriterien von Max LÜTHI.
- Die Gattungsfrage des Runenbergs im Kontext der Märchenforschung.
- Der Einfluss des Volksmärchens auf TIECKS Werk und die spezifischen Eigenschaften des Kunstmärchens.
- Analyse der Szenen im Runenberg unter Anwendung der LÜTHIschen Kriterien für das Volksmärchen.
- Die Ambivalenz des Wunderbaren und Unheimlichen in TIECKS Werk.
- Der Kontrast zwischen dem simplen Stil des Volksmärchens und der Komplexität der Gegenwart in TIECKS Kunstmärchen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Relevanz der Analyse des Runenbergs im Kontext der Romantik und der Märchentheorie dar. Kapitel 2 befasst sich mit der Gattungsfrage und beleuchtet die Einordnung des Runenbergs als Kunstmärchen, gleichzeitig werden aber auch die Versuche, TIECKS Stil genauer zu benennen, besprochen. Kapitel 2.2 stellt die wichtigsten Kriterien des Volksmärchens nach Max LÜTHI vor, die im folgenden Kapitel zur Analyse herangezogen werden. Kapitel 3 analysiert ausgewählte Szenen des Runenbergs anhand der Kriterien von LÜTHI, um Entsprechungen und Unterschiede zum Volksmärchen aufzuzeigen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen der Arbeit sind: Ludwig TIECK, Der Runenberg, Kunstmärchen, Volksmärchen, Max LÜTHI, Gattungsfrage, Wunderbares, Unheimliches, Romantik, Psychologie.
- Quote paper
- Almut Amberg (Author), 2015, Ludwig Tiecks Kunstmärchen "Der Runenberg." Über die Nähe und Entfernung vom Gattungsvorbild, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/974722