1. Einleitung
„Legst du mal bitte noch die Flebbn raus!“ – Jeder in meiner Familie weiß dann sofort, dass es sich dabei um die Fahrzeugpapiere handelt. Woher wissen wir das? Immerhin ist eine direkte Ableitung aus dem Wort nicht möglich. Ein Blick in den Duden verrät: Flebbe, die -, -n meist Plur. (Gaunerspr. Ausweispapier) . Wir bedienen uns also eines gaunersprachlichen, rotwelschen Begriffes.
Bei einer tiefergehenden Untersuchung der Etymologie dieses Wortes begibt man sich auf die Spuren von Vaganten , Dieben, Bettlern, Händlern und Hausierern , deren Geschichte sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt. Von Beginn an bildete das ‚fahrende’ Volk eine Gesellschaft in der Gesellschaft, da dessen Lebensweise nicht den Vorstellungen und Erwartungen der anderen Menschen entsprach. Die von ihm geschaffene Sprache lässt sich – trotz vieler sozialer Veränderungen – bis in die heutige Zeit nachweisen und ist zumindest punktuell auch in der Gemeinsprache wieder zu finden .
Eine Auseinandersetzung mit dem Rotwelschen beinhaltet somit auch die Beschäftigung mit sozialen Unterschieden und den daraus entstehenden Ab- bzw. Ausgrenzungen. Denn erst diese bieten Anlass und Möglichkeit für die Herausbildung einer solchen Sondersprache. Darüber hinaus lassen sie Rückschlüsse auf die Funktionen der Gaunersprache zu: Geheimhaltung und Identifikation.
Einige Beispiele sollen helfen, das heutige Vorkommen der Gaunersprache – in seiner „sesshaften“ Form – als Rotwelsch-Dialekte darzustellen. Des Weiteren soll diese Arbeit einen Überblick über wichtige Forschungsarbeiten liefern und Einblick in literarische Überlieferungen geben.
Aufgrund der großen Beweglichkeit der Rotwelsch-Sprecher und der damit begünstigten Interaktion innerhalb dieser heterogenen Gruppe erklärt sich eine lexikalische Besonderheit: der Einfluss verschiedener Sprachen. Auch wenn ein Großteil der Wörter dem Deutschen entstammt, lassen sich unter anderem Einflüsse aus dem Jüdisch-Hebräischen, Zigeunerischen, Lateinischen und Niederländischen nachweisen.
Dass letztlich nicht nur deutsche Mundarten und andere Sprachen prägend auf die Gaunersprache wirkten, sondern auch diese wiederum Gemein- und Alltagssprache beeinflusste, soll am Beispiel des Berlinischen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Rotwelsch - Die deutsche Gaunersprache
- 2.1. Entwicklungsgeschichte
- 2.1.1. Vom Entstehen eines neuen Standes
- 2.1.2. Vom 30-jährigen Krieg bis zum Ende des napoleonischen Zeitalters
- 2.1.3. Vom Beginn der Industrialisierung bis heute
- 2.2. Rotwelsch-Dialekte
- 2.2.1. Masematte
- 2.2.2. Henese Fleck
- 2.2.3. Hundeshagener Musikantensprache
- 2.1. Entwicklungsgeschichte
- 3. Rotwelsch als sprachwissenschaftlicher Gegenstand
- 3.1. Sprachtypologische Einordnung des Rotwelsch
- 3.1.1. Die Geheimhaltungsabsicht
- 3.1.2. Das Identifikationsmittel
- 3.2. Wichtige Forschungsarbeiten
- 3.2.1. Kenntnis des Rotwelsch zum Schutz vor Betrügern
- 3.2.2. Kriminalistisches Interesse
- 3.2.3. Soziohistorisches und linguistisches Interesse
- 3.2.4. Schriften von Rotwelschen
- 3.3. Literarische Überlieferungen
- 3.1. Sprachtypologische Einordnung des Rotwelsch
- 4. Die Lexik
- 4.1. Deutsche Einflüsse
- 4.2. Jiddische und hebräische Einflüsse
- 4.3. Zigeunersprachliche Einflüsse
- 4.4. Einflüsse anderer Sprachen
- 5. Rotwelsch im Berlinischen
- 6. Rotwelsch heute - Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Geschichte und Entwicklung des Rotwelsch, einer Geheimsprache sozialer Außenseiter. Ziel ist es, die sprachlichen Besonderheiten des Rotwelsch zu beleuchten und dessen soziohistorischen Kontext zu analysieren. Die Arbeit betrachtet sowohl die sprachwissenschaftliche Einordnung als auch den Einfluss verschiedener Sprachen auf die Entwicklung des Rotwelsch.
- Entwicklungsgeschichte des Rotwelsch von seinen Anfängen bis zur Gegenwart
- Sprachtypologische Einordnung des Rotwelsch: Geheimhaltung und Identifikation
- Einfluss verschiedener Sprachen auf die Lexik des Rotwelsch
- Rotwelsch als Spiegel sozialer Ausgrenzung und Abgrenzung
- Rotwelsch im Berlinischen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt mit einem Beispiel – dem rotwelschen Wort „Flebbn“ für Fahrzeugpapiere – in die Thematik ein und stellt die Bedeutung des Rotwelsch als Sprache sozialer Außenseiter heraus. Sie hebt die Verbindung zwischen der Sprache und den sozialen Unterschieden hervor und kündigt den weiteren Verlauf der Arbeit an, welcher die historische Entwicklung, sprachwissenschaftliche Aspekte und literarische Überlieferungen des Rotwelsch beleuchten wird. Die Einleitung betont die Funktionen des Rotwelsch als Geheimsprache und Identifikationsmittel.
2. Rotwelsch - Die deutsche Gaunersprache: Dieses Kapitel befasst sich umfassend mit der Geschichte des Rotwelsch. Es unterteilt die Entwicklung in verschiedene Phasen, beginnend mit dem Entstehen eines neuen sozialen Standes, über die Zeit des 30-jährigen Krieges und des napoleonischen Zeitalters bis hin zur Industrialisierung und der Gegenwart. Zusätzlich werden verschiedene Rotwelsch-Dialekte vorgestellt, wie Masematte und Henese Fleck, um die regionale und zeitliche Variabilität der Sprache zu verdeutlichen. Das Kapitel zeichnet so ein detailliertes Bild der Entwicklung und Verbreitung des Rotwelsch im Laufe der Jahrhunderte.
3. Rotwelsch als sprachwissenschaftlicher Gegenstand: Dieses Kapitel analysiert das Rotwelsch aus sprachwissenschaftlicher Perspektive. Es behandelt die sprachtypologische Einordnung, unterstreicht die Funktionen der Geheimhaltung und Identifikation, und gibt einen Überblick über wichtige Forschungsarbeiten zum Thema. Die verschiedenen Forschungsansätze – von der kriminologischen bis zur soziolinguistischen Perspektive – werden erläutert und ihre Bedeutung für das Verständnis des Rotwelsch hervorgehoben. Der Abschnitt zu literarischen Überlieferungen beleuchtet die Rolle des Rotwelsch in der Literatur.
4. Die Lexik: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die lexikalischen Besonderheiten des Rotwelsch. Es analysiert die sprachlichen Einflüsse aus dem Deutschen, Jiddischen/Hebräischen, Zigeunerischen und anderen Sprachen. Durch die Darstellung der vielfältigen sprachlichen Quellen wird die heterogene Zusammensetzung des Rotwelsch-Wortschatzes deutlich. Die Analyse verdeutlicht die dynamische Interaktion zwischen dem Rotwelsch und anderen Sprachen.
5. Rotwelsch im Berlinischen: Dieses Kapitel untersucht den Einfluss des Rotwelsch auf das Berlinische und umgekehrt. Es beleuchtet den Austausch von Wörtern und Ausdrücken zwischen diesen beiden Sprachvarianten und zeigt, wie das Rotwelsch die Berliner Umgangssprache beeinflusst hat und wie diese wiederum das Rotwelsch geprägt hat. Die detaillierte Analyse verdeutlicht den gegenseitigen Einfluss und die Verflechtung dieser Sprachformen.
Schlüsselwörter
Rotwelsch, Gaunersprache, Geheimsprache, Soziale Außenseiter, Sprachgeschichte, Sprachwandel, Lexik, Sprachtypologie, Dialekte, Masematte, Henese Fleck, Soziolinguistik, Linguistik, Berlinisch.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Rotwelsch - Die deutsche Gaunersprache"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Geschichte, Entwicklung und sprachlichen Besonderheiten des Rotwelsch, einer Geheimsprache sozialer Außenseiter. Der Fokus liegt auf der sprachwissenschaftlichen Einordnung, dem soziohistorischen Kontext und dem Einfluss verschiedener Sprachen auf die Entwicklung des Rotwelsch.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklungsgeschichte des Rotwelsch von seinen Anfängen bis heute, seine sprachtypologische Einordnung (Geheimhaltung und Identifikation), den Einfluss verschiedener Sprachen auf seine Lexik (Deutsch, Jiddisch/Hebräisch, Zigeunersprache, u.a.), Rotwelsch als Spiegel sozialer Ausgrenzung und Abgrenzung, sowie den speziellen Einfluss des Rotwelsch auf das Berlinische und umgekehrt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel zur Geschichte und den Dialekten des Rotwelsch, ein Kapitel zur sprachwissenschaftlichen Betrachtung, ein Kapitel zur Lexik und ihren sprachlichen Einflüssen, ein Kapitel zum Rotwelsch im Berlinischen und abschließend ein Fazit. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse des jeweiligen Themas.
Welche Kapitelzusammenfassungen werden angeboten?
Die Arbeit bietet Zusammenfassungen für jedes Kapitel. Diese Zusammenfassungen geben einen Überblick über die wichtigsten Inhalte und Ergebnisse jedes Kapitels. Die Einleitung führt in die Thematik ein, die folgenden Kapitel befassen sich detailliert mit der historischen Entwicklung, sprachwissenschaftlichen Aspekten, der Lexik und dem Einfluss auf das Berlinische. Das Fazit fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Welche sprachlichen Einflüsse werden auf das Rotwelsch untersucht?
Die Arbeit analysiert die lexikalischen Einflüsse aus dem Deutschen, Jiddischen/Hebräischen, der Zigeunersprache (Romani) und weiteren Sprachen auf das Rotwelsch. Diese Analyse verdeutlicht die heterogene Zusammensetzung des Rotwelsch-Wortschatzes und die dynamische Interaktion mit anderen Sprachen.
Welche Bedeutung hat das Rotwelsch aus sprachwissenschaftlicher Sicht?
Die Arbeit betrachtet das Rotwelsch aus sprachtypologischer Perspektive, unterstreicht seine Funktionen als Geheimsprache und Identifikationsmittel und gibt einen Überblick über wichtige Forschungsarbeiten. Verschiedene Forschungsansätze (kriminalistisch, soziolinguistisch etc.) werden erläutert und ihre Bedeutung für das Verständnis des Rotwelsch hervorgehoben.
Welche Rolle spielt das Rotwelsch im Berlinischen?
Ein separates Kapitel widmet sich dem gegenseitigen Einfluss von Rotwelsch und Berlinisch. Es wird untersucht, wie sich diese beiden Sprachvarianten gegenseitig beeinflusst und geprägt haben, insbesondere der Austausch von Wörtern und Ausdrücken.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Rotwelsch, Gaunersprache, Geheimsprache, Soziale Außenseiter, Sprachgeschichte, Sprachwandel, Lexik, Sprachtypologie, Dialekte, Masematte, Henese Fleck, Soziolinguistik, Linguistik, Berlinisch.
- Quote paper
- Franka Birkholz (Author), 2004, Rotwelsch - Die geheime Sprache sozialer Außenseiter, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/92864