Wer sich mit der Frühgeschichte Spartas beschäftigt, sieht sich mit dem Problem einer äußerst dürftigen Quellenlage konfrontiert. Nicht umsonst werden die ersten Jahrhunderte nach dem Untergang der mykenischen Hochkultur allgemein als ‚Dark Ages‘ bezeichnet.
Die einzigen umfassenden Darstellungen der Geschichte Spartas stammen von Pausanias und aus der ‚Vita des Lykurg‘ von Plutarch. Beide Autoren lebten im 2. Jahrhundert nach Christus, waren also weit länger als ein halbes Jahrtausend von den Ereignissen der spartanischen Frühgeschichte entfernt. Daß eine solche Quelle mit Vorsicht genossen werden muß, versteht sich von selbst, und es zeigt sich, daß Pausanias aufgrund offenkundiger Irrtümer und romantischer Ausschmückungen wenig glaubwürdig ist. [...]
Die wertvollste Quelle zur Frühgeschichte Spartas stellt Herodot dar. Allerdings liegen die Ereignisse der Dorischen Wanderung, von der diese Arbeit handeln soll, noch weit vor den Perserkriegen. [...]
Die einzigen literarischen Zeugnisse aus der Zeit davor sind Fragmente der Dichtungen von Terpandros, Tyrtaios und Alkman. Diese sind äußerst nützlich für die Rekonstruktion der Geschichte des 7. Jahrhunderts, beispielsweise für die Datierung der Messenischen Kriege; bis in die Zeit der Dorischen Wanderung reichen aber auch sie nicht zurück.
Bleibt also noch die Archäologie, um der spartanischen Frühgeschichte auf den Grund zu gehen. Aber auch archäologisch ist die Dorische Wanderung nur schwer festzumachen, da die Dorier dazu tendierten, die Kultur der von ihnen eroberten Länder zu übernehmen. [...] Das erklärt die Weiterführung der lokalen Grabformen, Bestattungsriten und der Keramik, was eine Datierung des Zeitpunkts der Einwanderung erschwert. Nichtsdestotrotz bietet die Archäologie aber einige Ergebnisse, die ein wenig Licht in die Dunkelheit der ‚Dark Ages‘ zu werfen vermögen.
Grundlage dieser Arbeit soll aber eine dritte Quellensorte sein: der Sagenschatz, der zumeist mündlich tradiert wurde, bis griechische Autoren ihn irgendwann einmal schriftlich fixierten. Es gilt zu klären, ob solche Legendentraditionen tatsächlich kollektive Erinnerungen an historische Ereignisse darstellen. In Bezug auf diese Abeit muß die Frage also lauten: Ist die Sage von der Rückkehr der Herakliden eine Reminiszenz der Dorier an ihre Einwanderung in die Peloponnes? Nach einer kurzen Betrachtung des Stammes der Dorier und ihrer Wanderung durch Griechenland wird im Folgenden versucht werden, diese Frage zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Analyse der Quellenlage
- Das Volk der Dorier
- Die Dorische Wanderung: Verlauf und Datierung
- Die Heraklidensage als Quelle spartanischer Frühgeschichte
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Heraklidensage und ihre mögliche Funktion als kollektive Erinnerung der Dorier an ihre Einwanderung in die Peloponnes. Sie analysiert die Quellenlage zur spartanischen Frühgeschichte, beleuchtet die Herkunft und Eigenschaften der Dorier und untersucht den Verlauf und die Datierung der dorischen Wanderung.
- Analyse der Quellenlage zur spartanischen Frühgeschichte
- Herkunft und Charakteristika der Dorier
- Verlauf und Datierung der dorischen Wanderung
- Die Heraklidensage und ihre historische Bedeutung
- Verbindung zwischen Sage und kollektiver Erinnerung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung und Analyse der Quellenlage: Die Arbeit beginnt mit der Herausstellung der schwierigen Quellenlage für die Erforschung der spartanischen Frühgeschichte, die als "Dark Ages" bezeichnet wird. Sie diskutiert die Schwierigkeiten, die sich aus der späten Entstehung der wichtigsten Quellen (Pausanias, Plutarch) ergeben, und betont die eingeschränkte Objektivität der Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts v. Chr. aufgrund des athenisch-spartanischen Antagonismus. Herodot wird als wertvollste Quelle hervorgehoben, obwohl seine Informationen vor der Zeit der Dorischen Wanderung liegen. Archäologische Funde und Fragmente von Gedichten (Terpandros, Tyrtaios, Alkman) werden ebenfalls als Quellen erwähnt, jedoch als ungeeignet, um die Zeit der Dorischen Wanderung umfassend zu beleuchten. Die Arbeit fokussiert sich daher auf die Analyse der Heraklidensage als potentielle Quelle kollektiver Erinnerung.
Das Volk der Dorier: Dieses Kapitel befasst sich mit der Herkunft und den Eigenschaften der Dorier. Die Abwesenheit der Dorier im Schiffskatalog der Ilias deutet auf eine spätere Ansiedlung in der Peloponnes hin. Archäologische Funde auf Kreta weisen auf einen kriegerischen Stamm hin, was durch die Art der Landnahme in der Peloponnes und erhaltene spartanische Gebräuche (z.B. Krypteia) bestätigt wird. Der Kult des Apollon Karneios und Apollon Lykeios sowie die Dreiteilung in die Phylen Hylleis, Dymanes und Pamphyloi werden als Indizien für ein gemeinsames dorisches Erbe vor den Wanderungen angeführt. Die Phylenordnung spielte in Sparta weniger eine gesellschaftliche als eine militärische Rolle.
Schlüsselwörter
Sparta, Dorische Wanderung, Heraklidensage, Quellenkritik, Frühgeschichte, Dorier, Archäologie, Mykenische Kultur, kollektive Erinnerung, Heloten, Krypteia.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Die Heraklidensage als Quelle spartanischer Frühgeschichte
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Heraklidensage und ihre mögliche Funktion als kollektive Erinnerung der Dorier an ihre Einwanderung in die Peloponnes. Sie analysiert die Quellenlage zur spartanischen Frühgeschichte, beleuchtet die Herkunft und Eigenschaften der Dorier und untersucht den Verlauf und die Datierung der dorischen Wanderung.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit analysiert die schwierige Quellenlage der spartanischen Frühgeschichte ("Dark Ages"). Sie berücksichtigt Herodot (als wertvollste Quelle, obwohl vor der Wanderung liegend), Pausanias und Plutarch (als späte Quellen mit eingeschränkter Objektivität), archäologische Funde und Fragmente von Gedichten (Terpandros, Tyrtaios, Alkman). Der Fokus liegt jedoch auf der Analyse der Heraklidensage als potentielle Quelle kollektiver Erinnerung.
Wie wird die Herkunft und der Charakter der Dorier beschrieben?
Die Abwesenheit der Dorier im Schiffskatalog der Ilias deutet auf eine spätere Ansiedlung in der Peloponnes hin. Archäologische Funde auf Kreta und die Art der Landnahme in der Peloponnes weisen auf einen kriegerischen Stamm hin, was durch spartanische Gebräuche (z.B. Krypteia) bestätigt wird. Der Kult des Apollon Karneios und Apollon Lykeios sowie die Dreiteilung in die Phylen Hylleis, Dymanes und Pamphyloi werden als Indizien für ein gemeinsames dorisches Erbe vor den Wanderungen angeführt. Die Phylenordnung spielte in Sparta vorwiegend eine militärische Rolle.
Welche Bedeutung hat die Heraklidensage in dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Heraklidensage als potentielle Quelle kollektiver Erinnerung an die dorische Einwanderung. Sie analysiert, inwieweit die Sage die Erinnerung der Dorier an ihre Vergangenheit prägte und welche historische Bedeutung ihr zukommt.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der Quellenlage zur spartanischen Frühgeschichte, die Herkunft und Charakteristika der Dorier, den Verlauf und die Datierung der dorischen Wanderung, die Heraklidensage und ihre historische Bedeutung sowie die Verbindung zwischen Sage und kollektiver Erinnerung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Einleitung und Analyse der Quellenlage, dem Volk der Dorier, dem Verlauf und der Datierung der dorischen Wanderung, der Heraklidensage als Quelle spartanischer Frühgeschichte und einer Zusammenfassung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Sparta, Dorische Wanderung, Heraklidensage, Quellenkritik, Frühgeschichte, Dorier, Archäologie, Mykenische Kultur, kollektive Erinnerung, Heloten, Krypteia.
- Quote paper
- Johannes Kaufmann (Author), 2004, Die Heraklidensage – eine kollektive griechische Erinnerung an die Dorische Wanderung? , Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/92096