Diese Hausarbeit aus dem Jahr 2020 thematisiert die Entwicklung der Biodiversität in Mitteleuropa in der Zeit des Mittelalters bis hin zur Renaissance.
Der Hauptschwerpunkt liegt hierbei auf der Phytodiversität. Hierzu wird auch auf die Entwicklung der Gartenkultur eingegangen, welche sich mit der Entdeckung der Neuen Welt schlagartig änderte, da neue Arten importiert wurden. Der Blick auf die Zoodiversität ist hingegen schwieriger, da es weniger Aufzeichnungen zu dieser Thematik gibt.
Im Vergleich zu der Botanik, änderte sich zudem die Anzahl neuer Tierarten weniger in dem Zeitraum bis zur Renaissance.
Das Gut der biologischen Vielfalt findet in dieser Zeitspanne sein Maximum. Die Entwicklung und die Gründe für dieses Wachstum werden in dieser Hausarbeit thematisiert.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1.Einleitung
2.Mittelalterliche Städte und Gärten
3.Entwicklung der Gärten bis zur Entdeckung der Neuen Welt
3.1 Klostergärten
3.2 Capitulare de villis
4.Neobiota verändern die Diversität
4.1 Cymbalaria muralis (Zimbelkraut)
5.Renaissancegärten
6.Zoodiversität
7.Resümee
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Cymbalaria muralis an der Stadmauer Neubrandenburgs Jan-Eike Petersen 2020
Abbildung 2 Schema der Änderung der Phytodiversität in Mitteleuropa, die letzte 500 Jahre sind überhöht dargestellt (vgl. FUKAREK 1979: 77)
Abbildung 3 Schema der Thünenschen Ringe (vgl. Hoelzel.at 2020: online)
Abbildung 4 Anzahl beschriebener Arten, nach Autor und Jahr (vgl. Sukopp 2004: 30 & Simon 2002: 4)
Abbildung 5 Klosterplan St. Gallen (turba-delirantium.skyrocket.de 2020: online)
Abbildung 6 Veränderung der Anzahl von Gemüse- und landwirtschaftliche Kulturarten in Mitteleuropa (ProSpecieRara Deutschland 2014: 13)
Abbildung 7 Ausbreitung und Einstufung von Neophyten (vgl. Sukopp 2005: 31)
Abbildung 8 Cymbalaria muralis an der Stadtmauer Neubrandenburgs (Petersen 2020)
Abbildung 9 Beispielaufbau eines Bauerngartens (vgl. Simon 2002: 0)
Abbildung 10 Neues Auftreten von Neozoen pro Dekade (Geiter, Homma, Kinzelsbach 2002: 70)
Abbildung 11 Bevölkerungsrate und Aussterberate von Wirbeltieren in Deutschland (Plachter 1989: 101 nach ERZ 1983)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Beispiele für problematische Neophyten (vgl. Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Saarland: online & Biologisches Zentrum - Umweltbildung im Kreis Coesfeld: online) 10
Tabelle 2 Beispiele für Neozoen und den Grund ihres Ansiedelns (vgl. Geiter, Homma, Kinzelsbach 2002: 11 & Biologisches Zentrum –. 13
1.Einleitung
Die Biodiversität Mitteleuropas erreichte ihr Maximum ungefähr zum Ende der Renaissance. Die ursprüngliche Naturlandschaft veränderte sich zunehmend hin zur vorindustriellen Kulturlandschaft, welche sich durch ihre extensive Bewirtschaftung und damit einhergehende Diversität auszeichnete. Eine Skizze (Abb. 1) aus Fukarek 1979: 77 veranschaulicht diesen Verlauf der Biodiversität von 5000 v. Chr. bis 2000 n.Chr. sehr deutlich. Im Folgenden wird vorerst auf die Phytodiversität in der Zeitspanne vom Mittelalter bis zur Renaissance eigegangen (in Abb. 2. dunkel hervorgehoben). Die faunistische Diversität stellt einige Probleme. Im Punkt 6. wird hierauf genauer eingegangen. Im Rahmen der Stadtökologie wird vermehrt auf urbane Gegebenheiten eingegangen, jedoch spielt auch das Umland eine wichtige Rolle für historische Städte, sodass dieser Punkt nicht vernachlässigt werden darf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.Mittelalterliche Städte und Gärten
Mittelalterliche Bewirtschaftungsformen zeichnen sich durch ihre aus heutiger Sicht extensive Bewirtschaftung aus, jedoch gab es auch im Mittelalter unterschiedliche Bestellweisen. Das Modell der Thünenschen Ringe besagt unteranderem, dass die Anbauweise extensiver wird je weiter man sich von einer Stadt entfernt. Gegenteilig geht es von einer Intensivierung der Landwirtschaft aus, je näher man einem Markt oder Stadtzentrum kommt. Allgemein setzt dieses abstrahierende Modell die optimale Bodennutzung mit den Transportkosten, Produktpreisen, -Mengen, -Kosten, sowie der Flächeneinheit, der Entfernung zum Markt und der Verderblichkeit der Produkte in Zusammenhang (vgl. Hoelzel.at 2020: online). Heraus kommt folgende Modellierung (Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Schema der Thünenschen Ringe (vgl. Hoelzel.at 2020: online)
Wie jedes Modell spiegelt auch dieses nicht die vorherrschende Wirklichkeit wider, jedoch vermittelt es einen Eindruck für die vielfältige und strukturreiche Landschaft. Durch das Wirken des Menschen in der Landschaft sind viele neue Lebensräume, darunter einige Sekundärbiotope, entstanden. Im Vergleich zur Naturlandschaft sind vor allem mit Acker- und Wiesenlandschaften neue Offenlandbiotope hinzugekommen. Diese wurden unterschiedlich bestellt, sodass die Landschaft sehr strukturreich wurde. Auch wurde das Umland durch beispielsweise Hecken, Kleingewässern und Steinhaufen vernetzt und aufgewertet, welche direkte Biotopverbunde waren oder auch als Trittsteinbiotope angesehen werden können. Zudem trug die Nutzung der Wälder einen Teil zur Biodiversität bei. Im Gegenteil zu heutigen Wäldern wurden Tiere häufig in sogenannte Hutewälder getrieben. Diese Wälder zeichnen sich durch die Verzahnung von Wald und Offenlandschaft aus. Laut der Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (2020): online sind sie nährstoffarme Biotope, die Alt- und Totholzstrukturen aufweisen. Auch führt die NW-FVA ein Zitat von Ellenberg und Leuschner 2010 auf: „In Breitenwirkung und Andauer ist keine Maßnahme des Menschen mit der extensiven und den Wald einbeziehenden Weidewirtschaft zu vergleichen, und zwar weltweit.“ Neben den Sekundärbiotopen des Umlandes, kamen auch innerhalb der Städte neue hinzu.
Bei der Betrachtung mittelalterlicher Städte fallen besonders die Siedlungsschwerpunkte auf. Denkt man an das Mittelalter, stellt man sich meistens Burgen und Kirchen vor. Auch Klöster stellten weitere Schwerpunkte da. Meistens sind die Anlagen und Städte zudem mit Mauern umgeben. Gärten findet man im frühen Mittelalter noch innerhalb der Städte (vgl. Klett 2008: 272-275). Mit einer wachsenden Bevölkerung nimmt der innerstädtische Platz jedoch stark ab, sodass viele Gärten vor die Stadtmauern verlagert wurden. Im folgenden Punkt 3. wird auf die Veränderung der Gärten eingegangen.
Will man die historische Biodiversität untersuchen, muss man einige Probleme berücksichtigen. Es gibt wenige niedergeschriebene und häufig ungenaue Aufzeichnung von Pflanzenarten. Die Zahl der festgehaltenen Tiere ist umso geringer. Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der festgehaltenen Artenmengen von 800n.Chr. (89 Arten) bis 1753n.Chr. (ca. 5500 Arten). Da viele der im Mittelalter beschriebenen Arten Nutzpflanzen sind, wird im Folgendem hauptsächlich auf die Entwicklung und den Anbau in Gärten eingegangen. „Im übrigen [sic!] ist der Gartenbau in mittelalterlichen Städten nicht nur durch die kultivierten Pflanzen selbst, sondern leichter und sicherer durch die mit ihnen vergesellschafteten Unkräutern nachzuweisen (Janssen 1989:238/239)“. So kann man durch archäologische Ausgrabungen Rückschlüsse auf die angebauten Arten und die Anbauweise schließen. Zusammen mit den Unkräutern lässt sich ein Bild der innerstädtischen Phytodiversität erstellen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Anzahl beschriebener Arten, nach Autor und Jahr (vgl. Sukopp 2004: 30 & Simon 2002: 4)
3.Entwicklung der Gärten bis zur Entdeckung der Neuen Welt
Den Ursprung des Wortes Garten findet man bei den Germanen. Diese zäunten ihren Ghortos ein, um ihn vor Fraßschäden zu schützen. Der Begriff bedeutet „das Eingefasste“. Diese Einfassung wird sich weiter durch die Geschichte ziehen und als Charakteristikum beständig sein. Als Getreidearten hatten die Germanen ursprüngliche Formen von Gerste, Weizen, angebaut. Erbsen, Bohnen und Rüben stellten eine weitere wichtige Nahrungsquelle (Simon 2002: 2/3). Obst wurde nicht bewusst kultiviert. Holzapfel und -Birne sowie Holunder säten sich selbst, aus Essensresten oder Fäkalien, in Nähe der Siedlungen. Zudem wurden Obstgehölze beim Holzeinschlag im Wald verschont, da ein Großteil der Nahrungspflanzen bei den Germanen noch gesammelt wurden (vgl. Rüblinger 1988: 1, nach Bertsch 1949).
Mit der Verbreitung der Römer innerhalb Europas wurden sowohl Gartenkultur als auch neue Sorten exportiert. Die Einfassung der einzelnen Beete und Gärten erfolgte nun durch Buchsbaum (Buxus species). Neue Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Spargel, Gurke, Knoblauch, Sellerie kamen hinzu. Gewürze, wie Anis, Dill, Kerbel, Senf und Koriander erweiterten das Geschmacksbild. Aber auch neue Obstbaumsorten und -Arten, vor allem der Gattung Prunus, wurden mitgebracht. Kirschen, Pflaumen und Pfirsiche, werden heutzutage als nahezu heimisch angesehen. Dies trifft auch auf Walnüsse zu. Einer der wichtigsten Früchte der Römer stellten Weinreben da. Der Weindurst musste auch außerhalb Roms gestillt werden, sodass die Pflanzen ein wichtiges Exportgut stellten. Neben den Nutzpflanzen fanden auch erstmals Blumenbeete ihren Weg in den Garten. Diese fanden bei den „unzivilisierten Barbaren“ jedoch anfangs keinen Anklang, da sie zu unpraktisch waren (Simon 2002: 2/3).
3.1 Klostergärten
Die derzeitige Gartenkultur wurde innerhalb von Klöstern kultiviert und weiterentwickelt. Der Garten als Sinnbild für den biblischen Garten Eden stand hierbei im Mittelpunkt. Das Ziel der Kultur war es Unabhängigkeit von der weltlichen, aber auch geistlichen Welt zu erlangen. Dies wollten sie unteranderem durch Selbstversorgung und Verkauf eigens angebauter Waren erreichen. Hierzu fand ein reger Austausch von Methoden, Pflanzen und Saat zwischen den Klöstern statt. Getreu Benediktiner-Motto „ora et labora“ (bete und arbeite) ließen sich die Klostergärten in zwei Hauptfunktionen kategorisieren. So hatte man Zonen, wie den Kreuzgang, die keine Nutzfunktion erfüllten, sondern ästhetisch bepflanzt wurden. Sie waren Orte der Ruhe, Erholung, Einkehr, Besinnung und des Gebets „ora“. Im Hortus, dem Nutzgarten und im Herbularius, dem Kräutergarten wurde hingegen angebaut, also gearbeitet „labora“. Eine gesonderte Rolle spielten die Friedhöfe. Diese waren mit Obstbäumen bepflanzt (Janssen 1989: 225-239 & kloster-aktuell.de 2020: online). Alle drei Gartentypen kann man beispielsweise im St. Gallen‘er Klosterplan wiederfinden (s. Abb. 5). „Nach den Klöstern eroberten Gartenbau und Gartenkultur bald die Burgen.“ Zunächst hatten die tristen Gärten die Funktion der Versorgung während einer Belagerung. Später entwickelten sie sich jedoch zum spätmittelalterlich-frühneuzeitlichem Lustgarten, in dem das höfische Leben stattfand (ebd.: 226).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Klosterplan St. Gallen (turba-delirantium.skyrocket.de 2020: online)
3.2 Capitulare de villis
Mit seiner Landgüterverordnung, der „capitulare de villis“, setzte Karl der Große ca. 800n.Chr. ein Zeichen für die Gartenkultur. Seine Stadthalter bekamen eine Liste mit 89 Nutzpflanzen, die seine Untertanen in ihren Gärten zu kultivieren hatten. Dies war bis dato die größte bekannte Niederschrift an Nutzarten in Mitteleuropa (vgl. Abb. 4). Zudem hat er mit dieser Verordnung weitere landwirtschaftliche Themen geregelt und festgesetzt.
In der „capitulare de villis“ niedergeschriebene Themen sind:
- Nutzpflanzen
- Regelung des Weinbaus
- Regelung der Dreifelderwirtschaft
- Obstpflege
- Zucht von Tieren
Hiermit reagierte Karl der Große auf eine vorherrschende Hungersnot. Zudem ging sie auf die Art und Weise seiner Herrschaft zurück. Da er während seiner Regierung umherreiste, wollte er seine Ernährung währenddessen sicherstellen (MEURERS-BALKE ET AL. 2008: 50-51 & Konold 2017: 49-52 & Simon 2002: 5)
4.Neobiota verändern die Diversität
Die Artenzahl Mitteleuropas stieg während der Renaissance explosiv an. Dies kann man unteranderem in Abbildung 1 sehen. Hinzu kommt, dass vermehrt Pflanzenarten (vgl. Abb. 4) beschrieben wurden. Guckt man sich die Zahl der genutzten Gemüseartenarten an, kann man ebenso einen nahezu explosiven Anstieg feststellen. Abbildung 6 zeigt den Anstieg der genutzten Gemüsearten in Mitteleuropa von der Jungsteinzeit bis zur Neuzeit. Man kann erkennen, dass je Epoche neue Nutzarten hinzukamen. Eine starke Steigung zeigt der Graph in der Römischen Kaiserzeit, welche in Punkt 3.0 thematisiert wird. Während das Mittelalter eine sehr geringe Steigung aufweist, gibt es zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit die meisten Zuwächse. Diese Zeit entspricht der Renaissance, welche schwierig in genaue Jahreszahlen zu fassen ist, da sie je Region und Sichtweise anders definierbar ist. Sicher ist jedoch, dass die sich erhöhende Biodiversität mit der Entdeckung der „Neuen Welt“ zu begründen ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Forschungsdrang während des 15. Jahrhunderts führte zu einem massiven Import von Tier- und vor allem Pflanzenarten. Diese kamen aus dem Orient und ab 1492 aus der „Neuen Welt“, Amerika. Für die Weltgeschichte und die Ökologie stellt dieses Jahr eine Zäsur da. Lebewesen, die vor der Entdeckung eingebürgert waren, werden als Archäobiota (archä = alt) bezeichnet. Die neuen Lebewesen (ab 1492) werden als Neobiota bezeichnet (vgl. WWF-Jugend 2010: online). Neue Arten und der Begriff Neobiota, oft ohne die Unterscheidung nach Zeit der Ankunft, ist ein negativ konnotierter Begriff. Häufig ist die Rede von schädlichen, die heimische Biozönose zerstörenden Organismen. Herr Sukopp 2005: 31 beschreibt jedoch ein anderes Bild bei Neophyten (s. Abb. 7). Laut ihm breiten sich ca. 10% der hinzukommenden Arten aus. Von diesen ausgebreiteten Arten schafft es ein Viertel sich dauerhaft zu etablieren und auszubreiten. Weitere 5% schaffen den Sprung zu einer naturnahen Vegetation. Unter einem Prozent der sich spontan ausbreitenden Arten ist schädlich für sein Umfeld. Dies zeigt, dass viele Neophyten sich der naturnahen Gegebenheiten einfügen können und nur eine geringe Anzahl Schäden hervorruft. Auch ist beachtlich, dass viele der heute invasiven und schädlichen Arten, eher in der Neuzeit nach Mitteleuropa stießen. Solche wären beispielsweise Heracleum mantegazzianum ( Riesen-Bärenklau ), Fallopia japonica (Japanischer Staudenknöterich) oder Impatiens glandulifera (Drüsiges Springkraut).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 Ausbreitung und Einstufung von Neophyten (vgl. Sukopp 2005: 31)
Es gibt mehrere Wege und Mechanismen, wie ein Neobiont in ein neues Gebiet gelangen kann. Das Bundesamt für Naturschutz 2018: 8 kategorisiert nach der Europäischen Kommission sechs Haupteinführungspfade. Diese sind:
- Freisetzung
- Entkommen aus Gefangenschaft
- Verunreinigung
- Blinder Passagier
- Korridor
- Ohne Hilfe
Für den Betrachtungszeitraum spielen vor allem der wirtschaftliche Nutzen und die Relevanz für Zier- und Botanische Gärten eine Rolle. In der folgenden Tabelle 1 sind Beispiele für einige schädliche Neophyten aufgeführt.
Tabelle 1 Beispiele für problematische Neophyten (vgl. Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Saarland: online & Biologisches Zentrum - Umweltbildung im Kreis Coesfeld: online)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1 Cymbalaria muralis (Zimbelkraut)
Die Hochschulstadt Neubrandenburg zeichnet sich durch eine intakte Stadtmauer aus. Im April kann man zahlreche rosafarbene Blüten an der Mauer erkennen, da das Zimbelkraut (Cymbalaria muralis) anfängt zu blühen (s. Deckblatt & Abb.8). Der Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland (21. Auflage) bezeichnet die Pflanze als kalkstet. Dies heißt, dass das Kraut auf kalkreichen, ursprünglichen Mörtel angewiesen ist, den die Mauerfugen ihr bieten können. Besonders ist hierbei der Ursprung der Pflanze interessant. Vermutlich ist sie über Skulpturen aus Italien gen Norden gereist. Im Jahr 1644 ist sie das erste Mal in Mitteleuropa (Niederlande) nachgewiesen worden, was sie per vorangegangener Definition zu einem Neophyten macht (uni-marburg.de: online). Solche alten und ursprünglichen Mauern bieten vielen Organismen Schutz und Lebensraum, weshalb sie als Struktur und Ersatzlebensraum (Felsen) wichtig für die Biodiversität sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8 Cymbalaria muralis an der Stadtmauer Neubrandenburgs (Petersen 2020)
5.Renaissancegärten
Im Laufe der Globalisierung kamen vermehrt neue Pflanzen in die heimischen Gärten. Tulpen, Narzissen, Kaiserkronen und Flieder wären hier beispielsweise zu nennen. Hinzukamen gefüllte Blütenpflanzen, wie eine Form des Gänseblümchens oder auch Blumenkohl. Dies war den damaligen Ökologen sowie den Traditionalisten ein Dorn im Auge. Die kulturellen Wurzeln sollten nicht mit Füßen getreten und deswegen von den verderblichen Neuerungen abgelassen werden. Demnach wurde schon damals die Umgestaltung der Bauerngärten beäugt (Simon 2002: 9). Die Ästhetik, der Erholungsfaktor und der Betätigungswert der Gärten rückte immer weiter in den Vordergrund. Das Herausnehmen von Nutzflächen zu diesem Zweck symbolisierte Wohlstand. Diese Außenwirkung wurde unterstützt durch das Sammeln von Gegenständen, wie z.B. Statuen und bunten Steinen (Gartenkunst-beitmann.de o.J.: online). Auch erfolgte die bekannte Einfriedung der Beete mit sorgfältig gestutzten Buxus -Hecken aus diesen Intentionen heraus. Diese kann man unteranderem an dem folgenden Beispielaufbau eines typischen Bauerngartens von Simon 2002: 0 erkennen. Zudem kann man die ehemaligen Einteilungen der Klostergärten sehen (vgl. Farbgebung der Abb. 9).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 Beispielaufbau eines Bauerngartens (vgl. Simon 2002: 0)
6.Zoodiversität
Schaut man sich die Zoodiversität während des Mittelalters bis hin zur Renaissance an, fällt auf, dass während dieser Zeit wenige neue Arten und Spezies nach Deutschland, hier stellvertretend für Mitteleuropa, gebracht wurden. Laut Geiter, Homma & Kinzelbach 2002: 70 wurden in der gesamten Zeit vor dem Jahr 1800, unter 25 Arten eingebürgert. Ein Bruchteil im Vergleich zu den folgenden Dekaden (s. Abb. 10). Interessant zu betrachten, ist hingegen die Aussterberate der Wirbeltierarten in Deutschland im Vergleich zum Bevölkerungswachstum. Man kann in der Abb. 11 von Plachter 1989: 101 sehen, dass das Bevölkerungswachstums der Menschen proportional zu dem Aussterben einiger Wirbeltiere steht. Zwischen 700 n.Chr. und 1600 n.Chr. sind ca. 7 Tiere ausgestorben. Diese Graphen zeigen für den zu betrachtenden Zeitraum eine geringe Änderung der Diversität, welche in Anbetracht eines möglichen Aussterbens anderer Tiergruppen, eine sinkende Tendenz aufweist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Im Gegensatz zu den Kulturpflanzen war bei den Haustieren der Artenbestand im Mittelalter der gleiche wie heute.“ Pferde, Geflügel, Schwein, Schaf und Ziege wurden unteranderem ihres Fleisches wegen gehalten. Die letzten Drei gaben zusätzlich Milch (Behre 1989: 77). Nicht nur die Nutztiere sind dem Menschen gefolgt. Als Kulturfolger, Jagdtier, Nutztier oder zur Zierde wurden weitere Tiere vom Menschen verbreitet. Die folgende Tabelle zählt Beispiele für solche Tiere auf.
Tabelle 2 Beispiele für Neozoen und den Grund ihres Ansiedelns (vgl. Geiter, Homma, Kinzelsbach 2002: 11 & Biologisches Zentrum – Umweltbildung im Kreis Coesfeld: online)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
7.Resümee
Die Biodiversität in Mitteleuropa während des Mittelalters und der Renaissance war sehr hoch und findet ihr Maximum in Zeiten der vorindustriellen Kulturlandschaft. Durch das Wirken des Menschen in der Landschaft, sind viele neue Lebensräume und Sekundärbiotope entstanden, welche sich Tier- und Pflanzenarten zu nutzen gemacht haben. Bei Letzteren nimmt die Anzahl vorkommender Arten und Gesellschaften proportional zur Einwohnerzahl zu (Sukopp 30: 2004). Bei den Wirbeltieren lässt sich jedoch ein gegenläufiger Trend sehen. Die hohe Phytodiversität lässt sich vor allem auf die „Entdeckung der Neuen Welt“ im Jahr 1492 zurückführen. Der Forscherdrang brachte viele neue Pflanzen nach Mitteleuropa. Die neuen Arten „Neophyten“, welche heutzutage negativ konnotiert sind, boten eine Chance für die hiesige Diversität. Wenige neue Arten schaffen es jedoch sich hier zu etablieren. Unter einem Prozent dieser Arten sind gefährlich für den Menschen oder die Biozönosen. Viele neue, aber auch „alte“ Neuankömmlinge (Archäobiota vor 1492) bereichern seit Jahrhunderten unser Landschaftsbild. Sie haben sich einer naturnahen Landschaft angepasst und eingegliedert und damit die Diversität bereichert. Leider zeigt ein zeitlicher Ausblick über die Industrielle Kulturlandschaft hinweg, dass die Diversität anfängt immer stärker zu sinken. Sie ist damit zu einem wichtigen Gut und Ziel für viele Organisationen, Ländern und Gremien geworden, welche sich dem Ziel des Schutzes verschrieben haben.
Quellenverzeichnis
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Fukarek, F. et al. (1979): Pflanzenwelt der Erde. Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin, S. 65-77.
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Janssen, W. (1989): Mittelalterliche Gartenkultur, in Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, S. 225-240.
Klett (o.J.): Geographisches Grundbuch, Schülerbuch, Oberstufe, Lebensraum Stadt und die weltweite Verstädterung Stadtentwicklung in Mitteleuropa. Ernst Klett Verlag, Stuttgart. URL: https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/104103-4107.pdf.kloster-aktuell.de (online): Klostergärten. URL: http://www.kloster-aktuell.de/klostergarten/klostergaerten.html.
Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Saarland (online): Gebietsfremde Arten in der heimischen Tier- und Pflanzenwelt. URL: https://www.saarland.de/dokumente/thema_naturschutz/FINAL_MFU_Invasive_Neobiota_A4_WEB(1).pdf.
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Plachter, H. (1989): Laufender Seminarbeitrag 2/89 Grundlagen und Verwirklichung eines flächendeckenden Naturschutzes. Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, Laufen/ Salzach. URL: https://www.zobodat.at/pdf/Laufener-Spez-u-Seminarbeitr_2_1989_0100-0132.pdf.
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- Quote paper
- Jan-Eike Petersen (Author), 2020, Stadtökologie. Die Biodiversität Mitteleuropas vom Mittelalter bis zur Renaissance, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/920634