Katharina Mommsen, Goetheforscherin an der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin, erinnert sich wie folgt an ihre Schweizer Schulzeit in den fünfziger Jahren „Die heutige Wissenschaft ist, beeindruckt von den Forschungen Karl Meyers, zum Schluss gekommen, die Existenz Wilhelm Tells als eine wahrscheinliche Möglichkeit zu betrachten“
Dieser Lehrsatz, der den damaligen Schülern bei der Behandlung von Schillers Tellstück vordiktiert wurde, ist beispielhaft für den Schweizer Umgang mit ihrem Ursprungsmythos. Jede historische Auseinandersetzung, die Zweifel an der Existenz des Nationalhelden aufkommen lässt, stößt bei den Eidgenossen auf Widerspruch. So glauben nach einer Umfrage der Schweizer Coopzeitung auch heute noch 60% der Schweizer an ihren historischen Landsmann Tell und man wird es nicht müde, wissenschaftlichen Zweifeln mit Schriften zu begegnen, die den selben Tenor wie das Buch vom Schweizer Claudio Schärer inne haben: Und es gab Tell doch. Neue Forschungsergebnisse zur Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft (Luzern: Harlekin 1986).
Tatsächlich ist die seriöse Wissenschaft jedoch zu dem Schluss gekommen, dass Wilhelm Tell als eine historische Person nicht nachweisbar ist, was jedoch nicht immer der Fall war.
Im Weißen Buch zu Sarnen (1470), eine der ältesten und umfassendsten Landesschroniken der Schweiz, oder etwa in Aegidius Tschudis Chronicon Helveticum (16. Jahrhundert) wird die Geschichte Wilhelm Tells als historische Realität geschildert. Beide Bücher dienten Schiller als primäre Quellen seines Studiums der Schweizer Geschichte. Sie spiegeln einen Trend zur Realperson Wilhelm Tell wieder, der bis ins 18. Jahrhundert hineinreichte, bevor erstmals historische Kritik am Mythos kratzte. So stellt Schneller 1834 in seinen wissenschaftlichen Recherchen bereits fest, ,, das sich sein (W. Tell’s) Name in keinem Archiv der vier Urkantone finden ließ“. Zwar stößt Joseph Eutych Kopp bei „Dokumentenforschungen 1845 doch auf den Namen Tell im Urner Kirchenbuch (...), zögert aber nicht, diese Eintragung als Fälschung zu klassifizieren“. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Die historische Person Wilhelm Tell
- Schiller als Sänger des Tell für die Schweiz
- Dichter der Freiheit und Tell als Symbol der Freiheit
- Tells Entwicklung zum Held in Schillers Drama
- Umwertung der Werte in der Tellfigur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Figur des Wilhelm Tell in Schillers Drama und untersucht, welche Aspekte ihn zum Freiheitshelden werden ließen. Ziel ist es, die Bedeutung Tells als Lokalheld in der Schweiz zu erforschen und seinen Bedeutungshorizont über die Schweiz hinaus zu ergründen.
- Die historische Existenz des Wilhelm Tell
- Die Entstehung des Tell-Mythos
- Schillers Intentionen mit der Figur des Wilhelm Tell
- Die Bedeutung Tells als Symbol der Freiheit
- Die Entwicklung der Tellfigur im Drama
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die historische Person Wilhelm Tell untersucht die historische Existenz des Wilhelm Tell und die Entstehung des Mythos um seine Person. Es werden verschiedene Quellen und Studien analysiert, um die Debatte um die historische Realität des Schützen aufzuzeigen.
- Kapitel 2: Schiller als Sänger des Tell für die Schweiz untersucht die Bedeutung des Tell-Mythos für die Schweizer Identität. Es wird analysiert, wie Schiller den Mythos für seine Zwecke nutzte und ihn zum Symbol der Schweizer Freiheit machte.
- Kapitel 3: Dichter der Freiheit und Tell als Symbol der Freiheit befasst sich mit Schillers Intentionen, den Tell zu einer Figur der Freiheit zu machen. Es werden Schillers politische und philosophischen Ansichten im Kontext des Tell-Stückes beleuchtet.
- Kapitel 4: Tells Entwicklung zum Held in Schillers Drama untersucht die Transformation des Tell von einem einfachen Schützen zu einem Freiheitshelden im Verlauf des Dramas. Es werden die wichtigsten Szenen analysiert, die zu seiner Heldenhaftigkeit beitragen.
- Kapitel 5: Umwertung der Werte in der Tellfigur beleuchtet die Veränderung der Werte, die mit der Figur des Wilhelm Tell verbunden sind. Es wird diskutiert, welche Werte in der Tellfigur besonders hervorgehoben werden und welche Rolle diese für die Rezeption des Dramas spielen.
Schlüsselwörter
Wilhelm Tell, Schiller, Schweizer Geschichte, Freiheitskampf, Tyrannenmord, Symbol, Mythos, Volksstück, Dramenkomposition, moralische und philosophische Ansätze, Rütlibund, Lokalheld, Bedeutungshorizont, Freiheitsheld, historische Quellen.
- Quote paper
- Norman Hanisch (Author), 2006, Eine Darstellung der Figur Wilhelm Tell von Schiller - Mythos vom Held der Freiheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/91809