Diese Arbeit behandelt die Voraussetzung der zivilrechtlichen Haftung wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung von Insiderinformationen nach § 97 WpHG. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage, ob die positive Kenntnis des Emittenten über den veröffentlichungspflichtigen Sachverhalt nötig ist oder nicht. Damit eng verbunden ist die Frage, ob dem Emittenten durch die Regelung des § 97 WpHG Informationsbeschaffungspflichten auferlegt werden oder nicht.
Insiderinformationen sind gemäß Art. 17 I Unterabs. 1 MMV01 „unverzüglich" bekannt zu geben. Gemäß § 97 I WpHG2 ist der Emittent, der diese Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung verletzt, indem er es unterlässt, die Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen, dem Betroffenen zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, welche Anforderungen an die zivilrechtliche Haftung nach § 97 WpHG zu stellen sind. Diese Frage ist keineswegs rein theoretischer Natur. Relevant ist die Problematik insbesondere in Bezug auf den Dieselskandal rund um VW.
Wesentliche Frage in den Prozessen auf Haftung von VW nach § 97 WpHG ist dabei, ob und wann VW Kenntnis von dem mitteilungspflichtigen Sachverhalt hatte und grundlegender, ob die Kenntnis der Insiderinformation überhaupt notwendige Voraussetzung zur Haftung ist. Vorliegend wird zunächst die Frage behandelt, im Lichte welchen Rechtes der § 97 WpHG zu interpretieren ist, um anschließend einen deutschen Maßstab zur Auslegung der Norm zugrunde zu legen. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesem Beitrag lediglich die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung nach § 97 WpHG behandelt werden. Inwieweit Art. 17 MMV0 den Emittenten etwaige Pflichten auferlegt oder welche Voraussetzungen die Marktmissbrauchsverordnung bei der straf- und verwaltungsrechtlichen Durchsetzung dieser Pflichten zugrunde legt, bleibt unbehandelt.
Zentrale Frage dieser Arbeit ist, ob der Emittent positive Kenntnis über die veröffentlichungspflichtige Insiderinformation haben muss oder nicht. Eng mit dieser Frage verbunden ist, ob § 97 WpHG den Emittenten etwaige Informationsbeschaffungs- und Kommunikationspflichten auferlegt. Im ersten Teil der Arbeit erfolgt die Auslegung der Norm anhand der vier Auslegungsmethoden von Savigny. Dabei wird auf die in der Literatur teilweise vertretenen Argumente für das Erfordernis einer positiven Kenntnis ausführlich eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Auslegung von § 97 WpHG
- 1. Auslegung nach dem Wortlaut
- a) Begriff der Insiderinformation
- b) Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung
- c) „Unverzüglich" im Europäischen Kontext
- d) Umsetzung anderer Mitgliedsstaaten
- e) Rückschluss auf § 97 WpHG
- f) Auslegung nach deutschem Rechtsverständnis
- g) ,,Unverzüglich\" als Indiz für Wissensorganisationspflicht.
- 2. Auslegung nach Telos und Systematik
- a) Vergleich von §§ 97 II und 98 II WpHG
- b) Kenntnis im Rahmen von § 97 III WpHG i.S.v. Mitkenntnis
- c) Privilegierung von Unterlassen gegenüber aktivem Tun
- d) Wirtschaftlichkeitsziel und effet utile.
- 3. Historische Auslegung
- a) Intention des Gesetzgebers
- b) Gesetzlich gewollte Beweislastverteilung zugunsten des Anlegers § 97 II WPHG
- c) Historische Orientierung an ausländischen Kapitalmarktrechten
- 1. Auslegung nach dem Wortlaut
- III. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit den Voraussetzungen für eine Haftung wegen unterlassener Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 97 WpHG. Ziel ist es, die rechtlichen Grundlagen dieser Haftung zu analysieren und die verschiedenen Interpretationsansätze zu beleuchten.
- Auslegung von § 97 WpHG nach Wortlaut, Telos und Systematik
- Bedeutung des Begriffs „unverzüglich" im Kontext von Insiderinformationen
- Vergleich der Haftungstatbestände nach §§ 97 und 98 WpHG
- Wissenszurechnung und Privilegierung von Unterlassen gegenüber aktivem Tun
- Historische Entwicklung der Rechtsprechung und die Intention des Gesetzgebers
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und skizziert den Rahmen der Seminararbeit. Kapitel II analysiert die Auslegung von § 97 WpHG, indem es verschiedene Interpretationsansätze unter Berücksichtigung des Wortlauts, des Telos und der Systematik des Gesetzes beleuchtet. Die Bedeutung des Begriffs „unverzüglich" im Kontext von Insiderinformationen wird dabei besonders hervorgehoben.
Kapitel III vertieft die Analyse der Auslegung von § 97 WpHG anhand des Vergleichs mit anderen relevanten Vorschriften des WpHG, insbesondere §§ 97 II und 98 II. Es werden die verschiedenen Formen der Wissenszurechnung sowie die Privilegierung von Unterlassen gegenüber aktivem Tun im Hinblick auf die Haftung nach § 97 WpHG untersucht.
Kapitel IV beleuchtet die historische Entwicklung der Rechtsprechung zum Thema und die Intention des Gesetzgebers. Es wird insbesondere die Bedeutung der Beweislastverteilung und die Orientierung an ausländischen Kapitalmarktrechten betrachtet.
Schlüsselwörter
Insiderinformationen, § 97 WpHG, Unterlassenshaftung, Veröffentlichungspflicht, Unverzüglichkeit, Wissensorganisationspflicht, Telos, Systematik, Historische Auslegung, Beweislastverteilung, Kapitalmarktrecht.
- Arbeit zitieren
- Doron Bender (Autor:in), 2020, Die Voraussetzungen für eine Haftung wegen unterlassener Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 97 WpHG, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/900527