Die Gesundheitssysteme in den einzelnen Staaten unterscheiden sich teilweise in sehr starkem Maße. Dies hat seinen Hintergrund unter anderem in der unterschiedlichen wohlfahrtsstaatlichen Tradition der jeweiligen Länder. Im Rahmen dieser Arbeit soll untersucht werden, welche idealtypischen Modelle es im Gesundheitswesen gibt und wie im Einzelfall die konkrete Ausgestaltung vorgenommen wurde. Insbesondere soll ein Vergleich der Gesundheitssysteme in Deutschland, Frankreich und Schweden vorgenommen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Methodische Vorgehensweise und Erkenntnisinteresse
2. Idealtypische Gesundheitssysteme
2.1 Beveridge-Modell
2.1.1 Steuerfinanzierte Systeme
2.2 Bismarck-Modell
2.2.1 Beitragsfinanzierte Systeme
2.3 Schematischer Vergleich des Bismarck- und des Beveridge-Modells
3. Das Gesundheitssystem in Schweden
3.1 Ambulante Versorgung in Schweden
3.2 Ist das schwedische Gesundheitssystem ein Beveridge-Modell ?
4. Das Gesundheitssystem in Deutschland
4.1 Ambulante Versorgung in Deutschland
5. Das Gesundheitssystem in Frankreich
5.1 Ambulante Versorgung in Frankreich
6. Vergleich der betrachteten Gesundheitssysteme
7. Theoretischer Vergleich der Gesundheitssysteme
7.1 Machtressourcen-Ansatz und Neoinstitutionalismus
8. Resümee
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Gesundheitssysteme in den einzelnen Staaten unterscheiden sich teilweise in sehr starkem Maße. Dies hat seinen Hintergrund u.a. in der unterschiedlichen wohlfahrtsstaatlichen Tradition der jeweiligen Länder. Im Rahmen dieser Arbeit soll untersucht werden, welche idealtypischen Modelle es im Gesundheitswesen gibt und wie im Einzellfall die konkrete Ausgestaltung vorgenommen wurde. Insbesondere soll ein Vergleich der Gesundheitssysteme in Deutschland, Frankreich und Schweden vorgenommen werden.
1.1 Methodische Vorgehensweise und Erkenntnisinteresse
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Gesundheitssystemen im internationalen Vergleich. Zunächst sollen zwei idealtypische Gesundheitssysteme, das Beveridge- und das Bismarckmodell, vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang soll auch angesprochen werden, welche Staaten das jeweilige Modell präferieren. Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen die Gesundheitssysteme in Schweden, Deutschland und Frankreich erörtert und auf die zentralen Elemente dieser Systeme eingegangen werden.[1] Ein Schwerpunkt liegt diesbezüglich auf der ambulanten Behandlung. Die zentralen Ergebnisse sollen hierbei in einem Schaubild verdichtet werden. Nach diesen deskriptiven Analysen soll zudem skizziert werden, wie ein theoretischer Vergleich der Gesundheitssysteme im Allgemeinen gestaltet werden kann. Hieran anknüpfend sollen die beiden Gesundheitssysteme in Deutschland und Frankreich anhand des Machtressourcenansatzes und des Neo-Institutionalismus miteinander verglichen werden.
2. Idealtypische Gesundheitssysteme
Innerhalb der europäischen Staaten lassen sich in erster Linie zwei Modelle von Gesundheitssystemen unterscheiden. Zum einen handelt es sich hierbei um das so genannte „Beveridge-Modell“ und zum anderen um das so titulierte Bismarck-Modell. Jedoch ist schon vorab zu konstatieren, dass Gesundheitssysteme fast nie einer solchen reinen Typisierung entsprechen.[2]
2.1 Beveridge-Modell
Das Beveridge-Modell stützt sich bezüglich der Finanzierung hauptsächlich auf Steuern. Dieses Modell hat sich in den nordeuropäischen Staaten sowie in Großbritannien und Irland durchgesetzt. Seit den 80er Jahren orientieren sich auch zunehmend südeuropäische Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland an diesem System.[3]
Das Modell geht auf William Beveridge zurück, ein liberaler und sozial engagierter Akademiker, der im Jahr 1941 in Großbritannien auf Geheiß der damaligen Regierung Vorschläge für eine grundlegende Reformierung der sozialen Systeme Englands konzipieren sollte. Beveridge befürwortete hierbei die Errichtung eines nationalen Gesundheitsdienstes. Der Hintergrund dieser Forderung bestand darin, dass keine finanziellen Gründe einen Kranken davon abhalten dürfen, in den Genuss von ärztlichen Leistungen zu gelangen. Vor allem sollte der Staat der Verschwendung an Volkskraft entgegenwirken, die durch eine nicht ausreichende Gesundheitspflege in immer stärkerem Maße zunahm. Daher wurde auch von Seiten Beveridge argumentiert, dass die Mehraufwendungen durch einen nationalen Gesundheitsdienstes zu Einsparungen an Fürsorge- und Rentenleistungen führen würde.[4] Beveridge forderte vor allem die verwaltungsmäßige Trennung der Stellen des Gesundheitsdienstes vom Ministerium für soziale Sicherheit. Auch sollte ärztliche Hilfe gewährt werden, ohne diese an die Erfüllung von Beitragszahlungen zu binden. Darüber hinaus schlug Beveridge vor, dass die Versicherten zwar unverzüglich und ohne Bedingungen ärztliche und klinische Hilfe in Anspruch nehmen konnten, dass aber „der Versicherte weiter einen Teil der Kosten für die Einrichtung des Gesundheitsdienstes aus den Einnahmen des Sozialversicherungsfonds, zu dem die Versicherten beitragen, gedeckt wurde, indem dieser Kostenanteil den mit der Durchführung des Gesundheitsdienstes betrauten Behörden zugeleitet wird“.[5]
2.1.1 Steuerfinanzierte Systeme
Innerhalb des Beveridge-Systems gibt es einen Nationalen Gesundheitsdienst, dessen öffentlich-rechtliche Organisation vom Staat verantwortet wird. Kennzeichnend ist hierbei, dass die „Verantwortung für die Finanzierung und Leistungserbringung nicht durch getrennte Institutionen vorgenommen wird, sondern in einer Hand liegt“[6]. Diese Organisationsstruktur besteht in Ländern wie Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen, Irland, Italien, Portugal und Spanien. Im Gegensatz zu den Krankenversicherungssystemen existiert bei den steuerfinanzierten Systemen eine universelle Absicherung der gesamten Bevölkerung, wobei alle Individuen Zugang zu einem allgemeingültigen Leistungskatalog medizinischer Güter und Dienstleistungen haben. Auch wenn häufig davon ausgegangen wird, dass zusätzliche private Krankenversicherungen innerhalb steuerfinanzierter Systeme nicht nötig sind, haben diverse Entwicklungen (z.B. Wartelisten, Rationierungen bei der Leistungserbringung) in Italien, Spanien und Großbritannien dazu geführt, dass die Bedeutung privater Zusatzversicherungen zugenommen haben.[7]
2.2 Bismarck-Modell
Das andere Modell ist das „Bismarck-Modell“, das als Sozialversicherungsmodell anzusehen ist. Das Bismarck-Modell ist das idealtypische System sozialer Absicherung der konservativen Wohlfahrtsstaaten, zu denen u.a. Deutschland zu zählen ist. Als in Deutschland während des 19. Jahrhunderts in Folge der Industriellen Revolution die soziale Frage aufgrund von wachsenden ökonomischen und sozialen Probleme in den Mittelpunkt rückte, erfolgte die Einführung des Sozialversicherungswesens durch den damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck. Ziel der Bismarckschen Sozialpolitik war es in erster Linie, die Arbeiterschaft von diesem Modell überzeugen zu können und damit Sozialdemokratie zu isolieren, die immer mehr an Einfluss gewann. Das Bismarck-Modell wird zum Teil auch als Male-Breadwinner-Modell bezeichnet, da es sich an Familien ausrichtet, in denen der Ehemann allein die Familie ernährt, während die Frau für Kinder und Haushalt zuständig ist.[8]
Besonders die mitteleuropäischen Staaten und seit den 90er Jahren auch fast alle osteuropäischen Staaten sind diesem Modell zuzuordnen. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass gerade bei den osteuropäischen Saaten der Staat nichtsdestotrotz eine verhältnismäßig hohe Bedeutung bei der Finanzierung des Gesundheitssystems einnimmt.[9]
Innerhalb der überwiegend beitragsfinanzierten Krankenversicherungssysteme kann zwischen dem Kostenerstattungsprinzip, das vor allem in Belgien, Frankreich und Luxemburg angewendet wird, und dem Sachleistungsprinzip, das in Deutschland, Niederlande und Österreich verfolgt wird, differenziert werden.[10]
Neben der Unterscheidung in staatliche Systeme und den krankenversicherungs-basierten Systemen unterscheiden sich die Gesundheitssysteme auch dahingehend, ob, respektive in welchem Maße, die Leistungserbringer privatwirtschaftlich organisiert sind, unter direkter staatlicher Kontrolle stehen oder sogar zum Eigentum des Staates gehören. Diese Unterscheidung der Systeme ist vor allem bezüglich der Auswirkungen marktwirtschaftlicher Steuerungsansätze von Bedeutung. Beispielsweise haben die Krankenversicherungssysteme in der Schweiz, Niederlande und Deutschland diverse Marktmechanismen im Gesundheitssystem verankert. Zu nennen sind in diesem Kontext die Wahlmöglichkeiten der Versicherten, sich zwischen unterschiedlichen Krankenversicherungen mit verschiedenen Prämien und Leistungspaketen zu entscheiden.[11]
[...]
[1] Schweden wurde vor allem deshalb ausgewählt, da dieses Land in der Typologisierung des Sozialwissenschaftlers Esping-Andersen einem sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatsmodell zuzuordnen ist, während Deutschland und Frankreich diesbezüglich eine konservativ-korporatistische Ausrichtung aufweisen.
[2] Vgl. Schaub (2001), S.23
[3] Vgl. Riesberg et al. (2003), S.31
[4] Beveridge, (1943), S.243 ff
[5] Bremme (1961), S.64 http://www.sternfeld.de/bwl/download/gesundheit/strukturgesundheitswesens.pdf
[6] Schaub (2001), S.28
[7] Vgl. Schaub (2001), S.28 f
[8] Vgl. Stenger (2004), im Internet unter:
[9] Vgl. Riesberg et al. (2003), S.31
[10] Vgl. Schaub (2001), S.23 f
[11] Vgl. Ahrens (2004) Im Internet unter: http://www.provinz.bz.it/gesundheitswesen/downloads/bioetica/Ahrens%20Entwicklungstrends%20im%20europ%C3%A4ischen%20Gesundheitswesen.pdf
- Quote paper
- Diplom-Soziologe / PR-Berater (DPRG) Tilmann Wörner (Author), 2007, Idealtypische Gesundheitssysteme. Vergleich der Gesundheitssysteme in Deutschland, Schweden und Frankreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/87829