Das Ziel, eine faschistische Kunst zu erschaffen, die die Errungenschaften der neuen, autoritären Staatsform würdig zu unterstützen und illustrieren in der Lage war, war somit schon sehr früh von Mussolini klar definiert worden. Und an Versuchen, die Entwicklung einer originär faschistischen Kultur organisatorisch-institutionell zu fördern , fehlte es ebensowenig wie an einer wirksamen Kontrolle der Kunst mittels des 1924 gegründeten Künstlersyndikats Sindicato fascista degli artisti. Dennoch kann man, ganz im Gegenteil zu den anderen totalitären Regimen dieser Zeit, die Beziehung zwischen Kunst und Politik im Italien der Zwischenkriegszeit nicht auf die Formel einer Regimekunst reduzieren. Mussolini vollzog in der Kultur keine Gleichschaltung, die beispielsweise mit der in Deutschland vergleichbar gewesen wäre. Unterschiedliche künstlerische und intellektuelle Strömungen wurden vielmehr mit Mitteln einer äußerst geschickten, die bestehenden Polarisierungen sorgfältig nutzenden, integrativen Konsensstrategie für die Schaffung einer faschistischen Kultur gewonnen. Mussolini forderte eine faschistische Kunst, aber genauere Aussagen, die eine stilistische Festlegung beinhalten, wird man auf Seiten des Regimes vergeblich suchen. Das gilt selbstverständlich auch für die Architektur, die als eine Kunstart in dieser Arbeit exemplarisch herausgegriffen werden soll. Die Arte fascista wurde als in der Entwicklung befindlich gesehen, und der Duce war sich sicher, daß sich im Wettstreit um die großen nationalen Projekte ein einziger Stil entwickeln und durchsetzen würde, der die Darstellungsbedürfnisse des Faschismus am besten repräsentiert. Die Mehrzahl der Architekten konnte daher, ungeachtet ästhetischer Differenzen, ohne Probleme im faschistischen Staat arbeiten. Denn eine eigentliche Opposition gab es nicht; ausnahmslos alle Architekten waren systemkonform eingestellt, und bei den Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen ging es nicht um Antifaschismus, sondern um die beste Art, dem Faschismus architektonischen Ausdruck zu geben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die ideologischen Funktionen von Architektur in totalitären Systemen
- III. Die unterschiedlichen Strömungen
- 1. Die Anfänge: Der Accademismo der Römer Schule
- 2. Die Ansätze, dem Regime zu einer authentischen Kunst zu verhelfen
- 2.1. Das Novecento
- 2.2. Der Razionalismo
- 3. Die Entwicklung
- 3.1. 1926–1931: Der Aufstieg des Razionalismo
- 3.2. 1931-1934: Die Blütezeit des Razionalismo
- 3.3. 1934/37: Die Niederlage des Razionalismo
- IV. Gründe für die Entstehung des faschistischen Stils
- 1. Die Vorteile des Razionalismo
- 2. Die Vorteile des Piacentinischen Monumentalismus
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Entwicklung und den unterschiedlichen Strömungen der Architektur im Italien des Faschismus. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie die Architektur des Faschismus sowohl die Errungenschaften des neuen Staatsregimes repräsentieren als auch die ideologischen Ziele des Regimes widerspiegeln konnte. Dabei werden die verschiedenen Ansätze und Bewegungen innerhalb der Architekturlandschaft des Faschismus untersucht, von den frühen Anfängen des Accademismo bis hin zum dominierenden Piacentinischen Monumentalismus.
- Die Rolle der Architektur in totalitären Systemen
- Die Entstehung und Entwicklung verschiedener architektonischer Strömungen im Faschismus
- Der Einfluss von ideologischen und politischen Faktoren auf die Architektur
- Die Beziehung zwischen Kunst und Politik im Italien der Zwischenkriegszeit
- Der Übergang vom Razionalismo zum Piacentinischen Monumentalismus als dominierender Stil des Faschismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt das Ziel der Seminararbeit vor und erläutert den Zusammenhang zwischen Architektur und politischer Ideologie im Faschismus.
- Kapitel II beschäftigt sich mit der allgemeinen Funktion von Architektur in totalitären Systemen, wobei die ideologischen Botschaften und die politische Kontrolle, die durch architektonische Gestaltung vermittelt werden können, beleuchtet werden.
- Kapitel III beleuchtet die verschiedenen architektonischen Strömungen im Faschismus. Es werden die Anfänge des Accademismo, die Ansätze des Novecento und des Razionalismo sowie die Entwicklung der Strömungen in den Jahren 1926 bis 1937 erörtert.
- Kapitel IV untersucht die Gründe für die Entstehung und den Erfolg des faschistischen Stils, indem es die Vorteile des Razionalismo und des Piacentinischen Monumentalismus in Bezug auf die ideologische und politische Funktion der Architektur darstellt.
Schlüsselwörter
Faschistische Architektur, Razionalismo, Piacentinischer Monumentalismus, Totalitäre Systeme, Ideologie, Kunst und Politik, Italien, Zwischenkriegszeit, Staatsarchitektur, Architekturgeschichte, Kunstgeschichte.
- Quote paper
- Katja Linnartz (Author), 2002, Faschistische Architektur und rationalistische Architektur unter dem Faschismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/8644