1.Einleitung
Die vorliegende Hauptseminararbeit behandelt die Geschichte der Migration polnischer Arbeiter in das Ruhrgebiet von 1871 bis 1914. Unter Migration ist in der Soziologie [- und so handhabe ich den Begriff auch in der vorliegenden Arbeit -] eine Wanderung zu verstehen, die mit einem dauerhaften Wechsel des Wohnsitzes verbunden ist. Die überwiegend aus dem Agrarsektor der ehemaligen deutschen Ostprovinzen Posen, Ost- und Westpreußen sowie Oberschlesien stammenden Erwerbsauswanderer polnischer Abstammung werden in der Forschung auch als „Ruhrpolen“ bezeichnet. Die Phase dieser Migration fällt in den Übergang von der Wandlung des deutschen Reiches vom Agrar- zum Industriestaat und ist auch davon wesentlich gekennzeichnet. Doch im Gegensatz zu Arbeitsmigrationen des mittleren und späten 20. Jahrhunderts waren die Polen von einer momentanen Erwerbsarbeit und der darauffolgenden Rückkehr in ihr Heimatland weit entfernt, da es bis 1919 keinen polnischen Nationalstaat gab. Aus diesem Grunde wird hier von einer Binnenmigration gesprochen, da die Wanderung in den Staatsgrenzen vollzogen wurde. Erst mit der Niederlage des Deutschen Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag von 1919 änderte sich die Situation schlagartig, da den Polen nun eine Rückkehr in die nationale Heimat deutlich leichter fiel. Aus diesem Grunde behandelt diese Hauptseminararbeit lediglich die Geschichte der Ruhrpolen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Folgende erkenntnisleitende Fragestellungen sollen in dieser Arbeit beantwortet werden: Welche Faktoren waren ausschlaggebend dafür, dass sich am Ende des 19. Jahrhunderts eine hohe Zahl von polnischen Wanderarbeitern auf den Weg in das Ruhrgebiet machte? Suchten die Polen wahllos dieses Gebiet auf oder wurden sie mit Versprechungen gezielt angeworben? Wie reagierte die preußische Obrigkeit auf die Wanderer aus den Ostprovinzen? Wie wurden sie von der dortigen Bevölkerung auf- respektive wahrgenommen? War es den Polen aufgrund ihrer Lebensumstände überhaupt möglich, sich in die neue Gesellschaft zu integrieren? Welche Versuche unternahmen sie dazu? Und schließlich: Was führte dennoch zu einer Entstehung einer „nationalen Subkultur“ und wovon war diese geprägt?[...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Wanderungs- und Ansiedlungsbewegung
- 2.1. Die Situation der Polen in den Ostprovinzen
- 2.2. Die ökonomische Entwicklung der Bergmannsarbeit im Ruhrgebiet
- 2.3. Die Anwerbungen und die Wanderungen ins Ruhrgebiet
- 3. Zwischen Unterdrückung und Integrationstendenzen
- 3.1. Wohn- und Arbeitsbedingungen
- 3.2. Zur Polenpolitik im Deutschen Kaiserreich
- 3.3. Eigene Integrationsversuche in der katholischen Kirche
- 4. Zur Herausbildung einer nationalen Subkultur
- 4.1. Die Gründung eines eigenen Presseorgans und weiterer Organisationen
- 4.2. Antipolnische Maßnahmen gegen das Vereinswesen am Beispiel der Turnerbewegung „Sokól“
- 5. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Geschichte der polnischen Migration ins Ruhrgebiet von 1871 bis 1914 und analysiert die Ursachen und Folgen dieser Wanderungsbewegung. Sie betrachtet insbesondere die Lebensumstände der polnischen Arbeiter im Ruhrgebiet, die Polenpolitik des Deutschen Kaiserreichs und die Herausbildung einer polnischen Subkultur.
- Die ökonomischen und sozialen Ursachen der polnischen Migration ins Ruhrgebiet
- Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der polnischen Arbeiter im Ruhrgebiet
- Die Polenpolitik des Deutschen Kaiserreichs und ihre Auswirkungen auf die polnische Bevölkerung
- Die Integrationstendenzen der polnischen Arbeiter in die deutsche Gesellschaft
- Die Entstehung und Entwicklung einer polnischen Subkultur im Ruhrgebiet
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der „Ruhrpolen“ ein und beschreibt die Situation der polnischen Bevölkerung in den deutschen Ostprovinzen, die sie zur Migration ins Ruhrgebiet trieb. Kapitel zwei beleuchtet die ökonomische Entwicklung der Bergmannsarbeit im Ruhrgebiet sowie die Anwerbungen und Wanderungen der polnischen Arbeiter in das Revier. Das dritte Kapitel untersucht die schwierige Situation der polnischen Arbeiter im Ruhrgebiet, die geprägt war von Unterdrückung und Diskriminierung, aber auch von Integrationstendenzen, insbesondere in der katholischen Kirche. Schließlich befasst sich Kapitel vier mit der Entstehung einer nationalen Subkultur der polnischen Arbeiter im Ruhrgebiet und analysiert am Beispiel der Turnerbewegung „Sokól“, wie diese Subkultur gefürchtet und bekämpft wurde.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der deutschen Migrationsgeschichte, insbesondere der polnischen Migration ins Ruhrgebiet im späten 19. Jahrhundert. Sie untersucht die „Push-Faktoren“ der Migration, die Lebensbedingungen der polnischen Arbeiter im Ruhrgebiet, die Polenpolitik des Deutschen Kaiserreichs, Integrationstendenzen und die Herausbildung einer nationalen Subkultur. Schlüsselbegriffe sind daher: polnische Migration, Ruhrpolen, Bergmannsarbeit, Polenpolitik, Integration, Subkultur, nationale Minderheit, deutsche Ostprovinzen, Vereinswesen, Turnerbewegung „Sokól“.
- Arbeit zitieren
- Andreas Leinert (Autor:in), 2007, Zur Migrationsgeschichte der „Ruhrpolen“ im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1914, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/85177