In der Forschung zur Rolle der Frau im brechtschen Theater findet sich wiederholt die Ansicht, Brechts Frauenfiguren zeugten von einem negativen Weiblichkeitsverständnis des Autors. Brecht scheint eine Lieblingszielscheibe für die feministische Literaturkritik ab den siebziger Jahren zu sein, was man an einer Reihe von ständig wiederkehrenden Vorwürfen festmachen kann.
Am häufigsten wird die stereotype Konzeption der Frauenfiguren bei Brecht hervorgehoben und kritisiert. Dieser Vorwurf bezieht sich vor allem auf die späten Dramen. Obwohl gerade im Spätwerk Brechts meistens Frauen die Heldinnen sind, oder wenigstens Hauptrollen haben, werden sie als entpersonalisiert und vor allem als „entweiblicht“ gesehen.
Auf der anderen Seite wird den frühen Stücken vorgeworfen, Frauen seien ausschliesslich als Rand- und Nebenfiguren ohne dramatisches Gewicht dargestellt. Abgesehen davon seien sie klischeehaft als (Sexual-)Objekte, Märtyrerinnen oder Opfer gezeichnet.
Diese Kritik wirkt oft vorbelastet und undifferenziert und versäumten es, die Präsentation der dramatischen Frauenfiguren mit Brechts Weiblichkeitsverständnis in Zusammenhang zu bringen und im Hinblick auf die bürgerliche Geschlechterauffassung im historischen Kontext der zwanziger Jahre zu hinterfragen.
In dieser Arbeit soll am Beispiel eines der frühen Stücke untersucht werden, ob die Frauenfiguren tatsächlich so stereotypisch sind, wie die Forschung es oft darstellt und mit welchem Ziel eine mögliche Stereotypisierung von Brecht eingesetzt worden sein könnte. Dafür soll die Typologie der weiblichen Figuren in „Trommeln in der Nacht“ im Zusammenhang mit Brechts Kritik am Bürgertum gebracht werden, mit der Fragestellung, ob Brecht nicht „anhand der Beziehungen dieser Frauen zu ihrer männlichen Umwelt einen sexualpolitischen Diskurs entwickelt“.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Huren, Jungfrauen, Mütter. Brechts Frauenfiguren in der Literaturkritik
- Mütter, Töchter, Huren. Frauentypen in „Trommeln in der Nacht“
- Die bürgerlichen Frauenfiguren
- Die Mutter: Amalie Balicke
- Die Tochter: Anna Balicke
- Die Prostituierten
- Die bürgerlichen Frauenfiguren
- Brechts Kritik vom Bürgertum anhand der Frauenfiguren in „Trommeln in der Nacht“
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Typologie der Frauenfiguren in Bertolt Brechts „Trommeln in der Nacht“ im Kontext seiner Kritik am Bürgertum. Dabei wird untersucht, ob Brechts Frauenfiguren tatsächlich so stereotypisch sind, wie die Forschung es oft darstellt und mit welchem Ziel eine mögliche Stereotypisierung von Brecht eingesetzt worden sein könnte.
- Die Darstellung von Frauenfiguren in Brechts frühen Stücken im Vergleich zur feministischen Literaturkritik.
- Analyse der Stereotypisierung von Frauenrollen in „Trommeln in der Nacht“ im Kontext der bürgerlichen Geschlechterauffassung der zwanziger Jahre.
- Die Beziehung zwischen Brechts Kritik am Bürgertum und der Darstellung der Frauenfiguren.
- Die Frage, ob Brecht in „Trommeln in der Nacht“ einen „sexualpolitischen Diskurs“ entwickelt.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung beleuchtet die gängige Kritik an Brechts Frauenfiguren in der Literaturforschung und stellt fest, dass diese oft stereotypisch und undifferenziert ist. Sie argumentiert für eine neue Sichtweise auf die Frauenfiguren in „Trommeln in der Nacht“, die ihren historischen Kontext und Brechts Kritik am Bürgertum berücksichtigt.
Kapitel 2 untersucht den vorherrschenden Diskurs der feministischen Literaturkritik zu Brechts Frauenfiguren. Es wird gezeigt, dass die Kritik häufig auf eine schematische Einteilung in „Huren, Jungfrauen und Mütter“ fokussiert, die hauptsächlich auf die späteren Stücke Brechts zutrifft. Dieses Kapitel beleuchtet die Arbeit von Hellmuth Karasek, der als einer der ersten Autoren eine Entwicklung in Brechts Frauenfiguren feststellt, die mit der Politisierung seiner Stücke einhergeht.
Kapitel 3 analysiert die Frauentypen in „Trommeln in der Nacht“. Es werden die bürgerlichen Frauenfiguren, insbesondere die Mutter Amalie Balicke und die Tochter Anna Balicke, sowie die Prostituierten vorgestellt. Das Kapitel beleuchtet die sozialen Rollen der Frauenfiguren im Stück und untersucht, wie sie in Brechts Kritik am Bürgertum eingesetzt werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der weiblichen Figuren in Bertolt Brechts „Trommeln in der Nacht“, darunter Stereotypisierung, bürgerliche Geschlechterrollen, Kritik am Bürgertum, sexualpolitischer Diskurs, und die Beziehung zwischen Privatleben und revolutionären Gefühlen.
- Quote paper
- MA Karin de Miguel Wessendorf (Author), 2005, Die Typologie der Frauenfiguren in Bertolt Brechts „Trommeln in der Nacht“, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/85152