Die Bedeutung des Staates für das Gelingen der Industrialisierung, dieses umfassenden technologischen, ökonomischen und sozialen Wandlungsprozesses, wird seit dem Beginn der Beschäftigung mit diesem Thema kontrovers diskutiert und hat bis heute, vergegenwärtigt man sich die Bemühungen von Entwicklungsländern ihre Wirtschaften zu modernisieren, nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Nachholprozesse sind kein Phänomen der Gegenwart. Im Vergleich zu England befanden sich die deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer ähnlichen Situation wie die im Aufholen begriffenen Staaten heute: erdrückende Konkurrenz, gesellschaftlicher und politischer Traditionalismus und Unsicherheit ob des einzuschlagenden Weges aus der Rückständigkeit. Deshalb erscheint es lohnend, in die Anfänge der deutschen Industrialisierung zurückzuschauen und dabei die Rolle des Staates zu untersuchen. Dabei soll die These überprüft werden, dass Sachsen in dieser Phase Laissez-faire-Politik betrieb, die sich fördernd auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkte. Diese Aussage ist eine bewusste Zuspitzung des Forschungstrends. Die These impliziert nicht nur Zurückhaltung des Staates bei Eingriffen in die Wirtschaft, sondern behauptet, dass das Laissez-faire eine bewusste Entscheidung der Obrigkeit war. Folglich sind vier Fragen zu beantworten: Erkannte der Staat die Tatsache, dass die heimische Wirtschaft in immer größeren Rückstand zu England und Preußen geriet? Entspricht die sächsische Wirtschaftspolitik dieser 16 Jahre den Kriterien des Laissez-faire? Förderte sie die Industrialisierung, wobei hier noch einmal zwischen direkter (etwa finanzielle Unterstützung) und indirekter Förderung (Maßnahmen, deren Adressaten nicht oder nicht ausschließlich die Unternehmer waren und Unterlassungen, die dennoch positiv auf die Industrie wirkten) unterschieden werden muss, und war das Laissez-faire tatsächlich eine bewusste Entscheidung der Regierung?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ausgangsbedingungen Sachsens nach dem Wiener Kongress
- Maßnahmen zur Gewerbeförderung
- Finanzielle Bezuschussungen
- Konzessionen und Privilegien
- Beschaffung von ausländischem Know-how
- Straßenbau und Bildungswesen
- Rahmengesetzgebung
- Arbeiter/Handwerker und Staat
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Rolle des sächsischen Staates in der Frühphase der Industrialisierung (1815-1830) und prüft, ob Sachsen in dieser Zeit Laissez-faire-Politik betrieb. Die These wird anhand der konkreten Maßnahmen des Staates in den Bereichen Gewerbeförderung, Infrastruktur und Rahmengesetzgebung überprüft.
- Analyse der staatlichen Wirtschaftspolitik in Sachsen zwischen 1815 und 1830
- Bewertung der These, dass Sachsen in dieser Zeit Laissez-faire-Politik betrieb
- Untersuchung des Verhältnisses zwischen Staat und Arbeitern/Handwerkern
- Beurteilung der Auswirkungen der staatlichen Politik auf die Industrialisierung Sachsens
- Einordnung der sächsischen Wirtschaftspolitik in den Kontext des Merkantilismus und des Liberalismus
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung skizziert die Bedeutung des Staates für die Industrialisierung und stellt die Forschungsfrage nach der Rolle des sächsischen Staates in der Frühphase der Industrialisierung. Der Zeitraum der Untersuchung wird auf 1815 bis 1830 begrenzt, um den Einfluss des Wiener Kongresses und der Septemberaufstände auf die sächsische Wirtschaftspolitik zu beleuchten. Die These der Arbeit ist, dass Sachsen in dieser Zeit Laissez-faire-Politik betrieb.
Ausgangsbedingungen Sachsens nach dem Wiener Kongress
Dieses Kapitel beschreibt die Situation Sachsens nach dem Wiener Kongress. Der Verlust von zwei Dritteln des Territoriums durch Preußen und die Folgen der Bündnistreue mit Frankreich werden dargestellt. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Wirtschaft und die gesellschaftliche Situation Sachsens stehen im Vordergrund.
Maßnahmen zur Gewerbeförderung
Dieses Kapitel analysiert verschiedene Maßnahmen der sächsischen Wirtschaftspolitik, die auf die Förderung der Industrie ausgerichtet waren. Dazu gehören finanzielle Bezuschussungen, Konzessionsvergabe, die Beschaffung von ausländischem Know-how, die Förderung des Straßenbaus und der Bildung sowie die Erarbeitung von Rahmengesetzgebung.
Arbeiter/Handwerker und Staat
Dieses Kapitel beleuchtet das Verhältnis zwischen Staat und Arbeitern/Handwerkern. Es werden Maßnahmen des Staates untersucht, die die Ausbreitung der Fabrikwirtschaft fördern oder behindern konnten. Die Untersuchung fokussiert auf die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Arbeiterschaft und die Handwerksbetriebe.
Schlüsselwörter
Industrialisierung, Laissez-faire, Wirtschaftspolitik, Königreich Sachsen, Wiener Kongress, Gewerbeförderung, Infrastruktur, Arbeiter/Handwerker, Merkantilismus, Liberalismus.
- Quote paper
- Toni Jost (Author), 2007, Staat und Industrialisierung in Sachsen 1815-1830 , Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/80610