Es dauerte gut zwanzig Jahre, bis die Pflegeversicherung von einer bloßen Problemwahrnehmung zum fünften Zweig der Sozialversicherung wurde. Das Pflegefallrisiko wurde durch die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung als allgemeines Lebensrisiko anerkannt und den vier etablierten Sozialversicherungszweigen für die Risiken Unfall, Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit zur Seite gestellt. Die zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen und die daraus entstandenen, teils erheblichen Probleme, die sich unter anderem dadurch äußerten, dass ein großer Teil der Pflegebedürftigen auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen war, waren Gegenstand der anhaltenden Diskussion um die notwendige Absicherung im Pflegefall. Eine Verschärfung des Pflegeproblems wurde darin gesehen, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen durch die demographische Entwicklung noch erhöht, die Zahl der potenziellen Pflegepersonen hingegen rückläufig ist. Unter dem Begriff „Pflegebedürftigkeit“ ist die geminderte Fähigkeit zur Selbstbetreuung zu verstehen, es handelt sich um eine Situation der Hilflosigkeit, Unselbstständigkeit und des Autonomieverlustes. Pflegebedürftig ist, wer zur täglichen Körperpflege, Nahrungszubereitung und -aufnahme, Mobilität und Haushaltsführung nicht mehr selbstständig in der Lage ist und für einzelne oder sämtliche Verrichtungen fremde Hilfe benötigt. Diese Beeinträchtigungen können in jedem Lebensalter eintreten. Bis es zu dem Gesetz gewordenen Modell einer sozialen Pflegeversicherung kam, standen verschiedene Alternativen zur Diskussion. Einerseits stand die Schaffung einer aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten öffentlichen Pflegesicherung für die gesamte Bevölkerung zur Debatte, andererseits die verbindliche Pflicht zur Begründung einer privatversicherungsrechtlichen Vorsorge für das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Diese Alternativen wurden jedoch verworfen, da bei dem ersten Modell die Pflege als öffentliche, aus Steuern bezahlte Dienstleistung für jeden unentgeltlich zugänglich gewesen wäre, während die Pflegebedürftigkeit bei dem zweiten Modell nicht als soziales, sondern als privates Risiko angesehen worden wäre. Durch die Einführung der sozialen Pflegeversicherung in ihrer heutigen Form wurde die Absicherung des Pflegerisikos umfassend reformiert. Es fand sowohl eine Expansion als auch eine Reorganisation der staatlichen sozialen Sicherung statt.
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Die Behandlung der Pflegebedürftigkeit im Sozialrecht vor Einführung der Pflegeversicherung
- 3 Die Pflegeversicherung
- 3.1 Geschichte der Pflegeversicherung
- 3.2 Durch Einführung der Pflegeversicherung verfolgte Ziele
- 3.2.1 Allokative Ziele und Instrumente
- 3.2.2 Distributive Ziele und Instrumente
- 3.2.3 Stabilitätspolitische Ziele
- 3.3 Versicherter Personenkreis
- 3.3.1 Versicherungspflichtige Personen
- 3.3.1.1 Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung
- 3.3.1.2 Sonstige Personen
- 3.3.2 Befreiung von der Versicherungspflicht
- 3.4 Leistungen und Leistungsvoraussetzungen
- 3.4.1 Terminus der Pflegebedürftigkeit
- 3.4.2 Stufen der Pflegebedürftigkeit
- 3.4.3 Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
- 3.4.4 Versicherungsleistungen
- 3.4.4.1 Leistungen bei häuslicher Pflege
- 3.4.4.2 Leistungen bei teilstationärer Pflege und Kurzzeitpflege
- 3.4.4.3 Leistungen bei Vollstationärer Pflege
- 3.4.4.4 Leistungen an Pflegepersonen
- 3.5 Organisation und Finanzierung der Pflegeversicherung
- 3.5.1 Organisation
- 3.5.2 Finanzierung
- 4 Empirische Daten zur Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung
- 4.1 Pflegestatistik 2005
- 4.1.1 Zum Hintergrund der Erhebung von Pflegestatistiken
- 4.1.2 Ergebnisse der Pflegestatistik 2005
- 4.1.2.1 Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland
- 4.1.2.2 Versorgung der Pflegebedürftigen
- 4.1.2.3 Schätzung der Zahl der Pflegebedürftigen
- 4.2 Ausgaben für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz
- 4.3 Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch
- Entwicklung der Pflegeversicherung als fünfter Zweig der Sozialversicherung
- Ziele der Pflegeversicherung: Allokative, distributive und stabilitätspolitische Aspekte
- Organisation und Finanzierung der Pflegeversicherung im Vergleich zur Krankenversicherung
- Empirische Daten zur Pflegebedürftigkeit und Versorgung in Deutschland
- Einfluss der Pflegeversicherung auf die Sozialhilfe
- Kapitel 1: Einleitung: Einführung in das Thema und Darstellung der Problematik der Pflegebedürftigkeit im Sozialrecht vor der Einführung der Pflegeversicherung.
- Kapitel 2: Die Behandlung der Pflegebedürftigkeit im Sozialrecht vor Einführung der Pflegeversicherung: Darstellung der Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Finanzierung durch Eigenmittel, Angehörige und die Sozialhilfe.
- Kapitel 3: Die Pflegeversicherung:
- Kapitel 3.1: Geschichte der Pflegeversicherung: Kurze Darstellung der Entstehung und Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes.
- Kapitel 3.2: Durch Einführung der Pflegeversicherung verfolgte Ziele: Analyse der allokativen, distributiven und stabilitätspolitischen Ziele der Pflegeversicherung.
- Kapitel 3.3: Versicherter Personenkreis: Beschreibung des Personenkreises, der der Versicherungspflicht unterliegt, sowie der Möglichkeiten der Befreiung von der Versicherungspflicht.
- Kapitel 3.4: Leistungen und Leistungsvoraussetzungen: Detaillierte Darstellung der verschiedenen Leistungen der Pflegeversicherung wie häusliche Pflege, teilstationäre Pflege, vollstationäre Pflege und Leistungen an Pflegepersonen.
- Kapitel 3.5: Organisation und Finanzierung der Pflegeversicherung: Erklärung der Organisation des Pflegeversicherungssystems und Beschreibung des Umlageverfahrens zur Finanzierung der Leistungen.
- Kapitel 4: Empirische Daten zur Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung:
- Kapitel 4.1: Pflegestatistik 2005: Analyse der Daten zur Anzahl der Pflegebedürftigen, Versorgungsmöglichkeiten und der Ausgaben für Pflegeleistungen.
- Kapitel 4.2: Ausgaben für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz: Untersuchung der Entwicklung der Ausgaben für Leistungen der Sozialhilfe im Bereich der Pflegebedürftigkeit.
- Kapitel 4.3: Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch: Erläuterung der Reform und Modernisierung des Sozialhilferechts durch die Einordnung in das Zwölfte Buch des Sozialgesetzbuchs.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Hintergrund und der Entwicklung der Pflegeversicherung (SGB XI) in Deutschland. Sie analysiert die Entstehung der Pflegeversicherung vor dem Hintergrund der Problematik der Pflegebedürftigkeit im Sozialrecht vor 1995. Weiterhin werden die Ziele der Pflegeversicherung sowie die Organisation und Finanzierung des Systems dargestellt und anhand von empirischen Daten zu Pflegestatistik und Ausgaben für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz beleuchtet.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Pflegebedürftigkeit, Pflegeversicherung, SGB XI, Sozialhilfe, Bundessozialhilfegesetz, Pflegestatistik, ambulante Pflege, stationäre Pflege, häusliche Pflege, Pflegegeld, Rehabilitation, Prävention, Qualitätssicherung, Finanzierung, Beiträge, Versicherungspflicht, Leistungskatalog, Empirische Daten.
- Quote paper
- Melanie Hörstmann-Jungemann (Author), 2007, Die Pflegeversicherung (SGB XI). Hintergrund und Entwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/75575