Es gibt viele Argumente gegen die mögliche Existenz eines Gottes – das wohl überzeugendste jedoch ist die so genannte Theodizee-Frage, die im Alltag meist in der Formulierung „Wie kann Gott das zulassen?“ zum Ausdruck kommt.
Bereits der Bibel ist das Dilemma nicht unbekannt: im alten Testament setzen sich sowohl das Buch Hiob, als auch die Klagepsalme ausführlich mit der Thematik der Theodizee auseinander, und bieten eine für viele Philosophen inakzeptable Lösung.
Der französische Philosoph D´Holbach konkretisiert die Problematik in seinem „Gebet eines Atheisten, wenn er sich Gott gegenüber gestellt sähe“ folgendermaßen: „Konnte ich deiner Gerechtigkeit huldigen, da ich das Verbrechen so oft siegen sah und die Tugend in Tränen?"
Für Georg Büchner verkörpert die Frage nach der Rolle Gottes bezüglich Leid und Schmerz in der Welt gar den „Fels des Atheismus“: "Schafft das Unvollkommene weg, dann allein könnt Ihr Gott demonstrieren ... Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz ... Warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich in einem Atom, macht einen Riss in der Schöpfung von oben bis unten."
Für ihn ist jene offensichtliche Diskordanz der Beweis für die Nicht-Existenz Gottes.
Auch Albert Camus hat sich in einigen seiner Werke mit dem Dilemma der Existenz von Leid und Schmerz auseinander gesetzt. In seinem Roman „Die Pest“ prallen Rationalität und Pragmatismus auf Glaube und Fatalismus, der „Glaube an die Absurdität des Daseins [auf den] Glauben an einen durch Gott verbürgten Sinn des Daseins“. Die Befürworter dieser Haltungen – ein Arzt und ein Pfarrer – sind gleichzeitig die Protagonisten, die Geschichte die Nachzeichnung einer Argumentationsschlacht zwischen Wissenschaft und Kirche und der mögliche Ausgang einer solchen.
Im Folgenden soll - nach einer theoretischen Erläuterung von philosophisch-historischen Theodizee-Deutungsansätzen – zunächst der Gesinnungswandel des Pfarrers Paneloux durch eine genaue Analyse der beiden Predigten zu Anfang und gegen Ende des Romans dargestellt werden. Die Parallele zum Buch Hiob wird dabei offensichtlich.
In einem Zwischenteil soll erklärt werden, welche Faktoren zu diesem profunden, und dennoch nicht vollkommenen Meinungsumschwung führen.
Im dritten Teil der Analyse soll die rivalisierende Haltung des Arztes Rieux untersucht, und die Unterschiede seiner Alternative herausgearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- A. Theoretischer Teil
- 1. Ein nicht-wissenschaftlicher Ansatz: die „Theorie“ der Bibel
- 2. Epikur und Plotin
- 2.1 Die Problematik in der Formulierung des Epikur (341-270 v.Chr.)
- 2.2 Plotin (270 v.Chr.)
- 3. Augustinus
- 4. Leibniz
- B. Analyse
- 1. Theodizee in „La peste“: Eine Einleitung
- 2. Le Père Paneloux - Verfechter der augustinischen „,doktrinalen Theodizee“
- 3. Die erste Predigt
- 4. Der Wendepunkt in den Überzeugungen des Père Paneloux
- 5. Die zweite Predigt
- 6. Die Alternative zu Quietismus und Fatalismus: Rieux und sein Aktionismus
- Schlusswort
- Quellenangaben
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Theodizee-Problematik und analysiert den Roman „La peste“ von Albert Camus im Kontext dieser Thematik. Es wird untersucht, wie die Figur des Pfarrers Paneloux in der Geschichte eine „doktrinale Theodizee“ vertritt und welche Faktoren zu seinem Meinungsumschwung führen. Die Analyse der beiden Predigten des Pfarrers soll Parallelen zum biblischen Buch Hiob aufzeigen. Darüber hinaus wird die alternative Haltung des Arztes Rieux untersucht und die Unterschiede zwischen den beiden Protagonisten herausgearbeitet.
- Die Theodizee-Frage als zentrales philosophisches Dilemma
- Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Theodizee-Deutungsansätzen
- Die Analyse der „doktrinalen Theodizee“ in „La peste“
- Der Gesinnungswandel des Pfarrers Paneloux in der Geschichte
- Die rivalisierende Haltung des Arztes Rieux
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Theodizee ein und beleuchtet die historische und philosophische Bedeutung dieser Frage. Der theoretische Teil bietet einen Überblick über verschiedene Ansätze zur Erklärung des Leidens in der Welt, darunter die Bibel, Epikur, Plotin, Augustinus und Leibniz. Im Analyseteil werden die beiden Predigten des Pfarrers Paneloux in „La peste“ im Detail untersucht. Hierbei wird der Wandel seiner Überzeugungen und die Parallelen zum Buch Hiob hervorgehoben. Darüber hinaus wird die rivalisierende Haltung des Arztes Rieux und seine alternative Sichtweise auf das Leiden und den Sinn des Daseins analysiert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der vorliegenden Arbeit sind Theodizee, Leid, Schuld, Gott, Glaube, Rationalität, Fatalismus, Aktionismus, Bibel, Hiob, „La peste“, Albert Camus, Paneloux, Rieux, Augustinus, Epikur, Plotin, Leibniz. Diese Begriffe spiegeln die wichtigsten Themen und Forschungsgebiete der Arbeit wider, die sich mit der Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Leidens in der Welt auseinandersetzt.
- Arbeit zitieren
- Stephanie Geissler (Autor:in), 2007, Die Theodizeeproblematik in 'Die Pest' von Albert Camus, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/72461