Durch das am 01. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz (BtG) wurde das Recht der Entmündigung (§ 6 BGB a. F.), Vormundschaft über Volljährige (§§ 1896 ff. BGB a. F.) und die Gebrechlichkeitspflegschaft (§§ 1910, 1915, 1919 und 1920 BGB a. F.) neu geregelt. Die Rechtslage war geprägt durch ein Nebeneinander von Vormundschaft über Volljährige und Gebrechlichkeitspflegschaft. Im Verfahrensrecht gab es ein Nebeneinander des Verfahrens nach der Zivilprozessordnung (ZPO) und dem Verfahren nach dem Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG). Voraussetzung für eine Vormundschaft gemäß § 1896 BGB a. F. war, dass die betroffene Person entmündigt wurde. Eine Entmündigung führte stets zu einer beschränkten oder völligen Geschäftsunfähigkeit und hatte Auswirkungen auf die Ehefähigkeit, auf die Testierfähigkeit und das Wahlrecht. So wurde ein Betroffener je nach Grad der Geschäftsfähigkeit mit einem Minderjährigen zwischen sieben und siebzehn Jahren oder mit einem Kind unter sieben Jahren gleichgestellt. Diese Gesetzeslage bedeutete für alle Betroffenen einen massiven Eingriff in ihre Grundrechte. Dieser Zustand sollte durch das Reformgesetz, welches mit breiter Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat beschlossen wurde, verändert werden.
Für die vorliegende Arbeit grundlegend lässt sich aus den dafür formulierten Zielen Folgendes zusammenfassen: Demnach sollten nach Inkrafttreten des neuen Betreuungsrechts die verbliebenen Fähigkeiten und die Wünsche der Betroffenen berücksichtigt werden und vorrangig eine Entrechtung und Fremdbestimmung dieser ausgeschlossen sein. Durch die Verwirklichung ihrer Grundrechte sollten ihre Selbstbestimmungsrechte gestärkt werden. Dabei sollte den Betroffenen Hilfe und persönliche Betreuung geboten werden.
Nun, mehr als vierzehn Jahren seit Inkrafttreten der Reform und inzwischen zwei Änderungsgesetzen ist es an der Zeit zu fragen, ob und inwieweit die genannten ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers und der daraus formulierte Grundsatz „Betreuung und Hilfe statt Entmündigung“ erfüllt werden und somit zum „Wohl des Betreuten“ unter Berücksichtigung seiner Wünsche gehandelt wird. Mit dieser Fragestellung befasst sich die vorliegende Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einführung
- 3 Geschichtliche Entwicklung von Vormundschaft und Pflegschaft – Ein Rückblick
- 3.1 Das Vormundschaftswesen im Altertum und Mittelalter
- 3.2 Die Entwicklung des Vormundschaftsrechts von der Zeit der Aufklärung bis 1900
- 3.3 Das Entmündigungs- und Vormundschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896
- 3.4 Die Entwicklung des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts bis zur Reform
- 4 Das heutige Betreuungsrecht – Ein Überblick
- 5 Mängel des alten Rechts bezogen auf die Rechtsstellung der Betroffenen und der Versuch der Mängelbeseitigung durch das neue Betreuungsrecht
- 5.1 Mängel bei der Berücksichtigung von Fähigkeiten, Willen und Wünschen der Betroffenen sowie Rehabilitationsmöglichkeiten
- 5.1.1 Ziele und Umsetzung
- 5.2 Fehlende persönliche Betreuung der Betroffenen
- 5.2.1 Ziel und Umsetzung
- 5.3 Mängel bei der Gebrechlichkeitspflegschaft
- 5.4 Mängel bei den Unterbringungsvorschriften
- 5.5 Entmündigungsverfahren
- 5.5.1 Ziel und Umsetzung
- 5.6 Mängel bei der Kostenregelung von Entmündigungs-, Vormundschafts-, Pflegschafts- und Unterbringungssachen
- 5.6.1 Ziel und Umsetzung
- 5.7 Mängel bei der Verwendung von Begriffen und Ausdrucksweisen
- 5.7.1 Ziel und Umsetzung
- 5.1 Mängel bei der Berücksichtigung von Fähigkeiten, Willen und Wünschen der Betroffenen sowie Rehabilitationsmöglichkeiten
- 6 Die Weiterentwicklung des Betreuungsrechts
- 7 Vorsorge - Die Lösung?
- 7.1 Die Betreuungsverfügung
- 7.2 Die Vorsorgevollmacht
- 7.3 Die Patientenverfügung
- 7.4 Zusatz: Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer
- 8 Schlussfolgerung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Umsetzung des Betreuungsgesetzes (BtG) von 1992 und analysiert, inwieweit der Grundsatz „Betreuung und Hilfe statt Entmündigung“ erreicht wurde. Sie vergleicht die Ziele der Reform mit der tatsächlichen Entwicklung und beleuchtet sowohl Erfolge als auch bestehende Herausforderungen. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Rechtsstellung Betroffener und der Berücksichtigung ihrer Selbstbestimmung.
- Geschichtliche Entwicklung des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts
- Analyse der Mängel des alten Rechts und der Ziele der Reform
- Vergleich der gesetzten Ziele mit der praktischen Umsetzung des BtG
- Die Weiterentwicklung des Betreuungsrechts durch Änderungsgesetze
- Vorsorgemöglichkeiten im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einführung: Die Einführung erläutert die Neuregelung des Rechts der Entmündigung, Vormundschaft über Volljährige und Gebrechlichkeitspflegschaft durch das Betreuungsgesetz (BtG) im Jahr 1992. Sie hebt das vorherige Nebeneinander von Vormundschaft, Gebrechlichkeitspflegschaft und unterschiedlichen Verfahrenswegen hervor und unterstreicht den massiven Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen. Die Arbeit untersucht, ob und inwieweit die ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers, insbesondere der Grundsatz „Betreuung und Hilfe statt Entmündigung“, erfüllt wurden. Der begrenzte Umfang der Arbeit bedingt die Konzentration auf die wesentlichen Aspekte.
3 Geschichtliche Entwicklung von Vormundschaft und Pflegschaft – Ein Rückblick: Dieses Kapitel skizziert die historische Entwicklung von Vormundschaft und Pflegschaft, beginnend mit dem römischen Recht (cura furiosi und cura prodigi) und den germanischen Stammesrechten. Es zeigt die Entwicklung von vormundschaftsähnlichen Fürsorgeformen, die zwischen Fürsorge und Entrechtung schwankten, und die Ausweitung des Vormundschaftswesens im Laufe der Geschichte, bis hin zu den Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts, die "geistig und körperlich Gebrechliche, Kranke und Abwesende" mit einschlossen. Der Kapitelverlauf unterstreicht die fortschreitende Entwicklung und die anhaltende Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen Fürsorge und Wahrung der Selbstbestimmung zu finden.
5 Mängel des alten Rechts bezogen auf die Rechtsstellung der Betroffenen und der Versuch der Mängelbeseitigung durch das neue Betreuungsrecht: Dieses Kapitel analysiert die Mängel des alten Rechts im Hinblick auf die Berücksichtigung der Fähigkeiten, des Willens und der Wünsche der Betroffenen, sowie die fehlende persönliche Betreuung und die problematischen Aspekte von Entmündigungsverfahren und Kostenregelungen. Es beschreibt, wie das neue Betreuungsrecht versucht hat, diese Mängel zu beheben, und beleuchtet die angestrebten Ziele im Vergleich zu den tatsächlichen Entwicklungen. Der Fokus liegt dabei auf der Diskussion der Erfolge und Schwierigkeiten der Reform im Hinblick auf die Selbstbestimmung der Betroffenen.
Schlüsselwörter
Betreuungsrecht, Entmündigung, Vormundschaft, Pflegschaft, Selbstbestimmung, Betreuungsgesetz (BtG), Menschenwürde, Rehabilitation, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Dokument: Entwicklung des Betreuungsrechts
Was ist der Hauptgegenstand dieses Dokuments?
Das Dokument analysiert die Entwicklung des deutschen Betreuungsrechts, insbesondere die Umsetzung des Betreuungsgesetzes (BtG) von 1992. Es untersucht, inwieweit der Grundsatz „Betreuung und Hilfe statt Entmündigung“ erreicht wurde und vergleicht die Ziele der Reform mit der tatsächlichen Entwicklung.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt die historische Entwicklung von Vormundschaft und Pflegschaft, die Mängel des alten Rechts, die Ziele und die Umsetzung des Betreuungsgesetzes (BtG), die Weiterentwicklung des Betreuungsrechts durch Änderungsgesetze und die Möglichkeiten der Vorsorge (Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung).
Welche historischen Aspekte werden beleuchtet?
Das Dokument beleuchtet die historische Entwicklung des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts, beginnend mit dem römischen Recht und den germanischen Stammesrechten, bis hin zum Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896 und den Entwicklungen bis zur Reform von 1992. Es zeigt die Herausforderungen, ein Gleichgewicht zwischen Fürsorge und Wahrung der Selbstbestimmung zu finden.
Welche Mängel des alten Rechts werden kritisiert?
Das Dokument kritisiert die Mängel des alten Rechts bezüglich der Berücksichtigung der Fähigkeiten, des Willens und der Wünsche der Betroffenen, die fehlende persönliche Betreuung, problematische Aspekte der Entmündigungsverfahren und die Kostenregelungen. Es zeigt auf, wie das neue Betreuungsrecht versucht hat, diese Mängel zu beheben.
Wie wird das Betreuungsgesetz (BtG) bewertet?
Das Dokument bewertet das BtG durch den Vergleich der gesetzten Ziele mit der praktischen Umsetzung. Es beleuchtet sowohl Erfolge als auch bestehende Herausforderungen und diskutiert die Schwierigkeiten der Reform im Hinblick auf die Selbstbestimmung der Betroffenen.
Welche Vorsorgemöglichkeiten werden vorgestellt?
Das Dokument stellt verschiedene Vorsorgemöglichkeiten vor, um die zukünftige Betreuung zu regeln: Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Zusätzlich wird das Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer erwähnt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt des Dokuments?
Schlüsselwörter sind: Betreuungsrecht, Entmündigung, Vormundschaft, Pflegschaft, Selbstbestimmung, Betreuungsgesetz (BtG), Menschenwürde, Rehabilitation, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung.
Welche Kapitelstruktur hat das Dokument?
Das Dokument gliedert sich in Kapitel zu Einführung, historischer Entwicklung von Vormundschaft und Pflegschaft, dem heutigen Betreuungsrecht, Mängeln des alten Rechts und dem Versuch der Mängelbeseitigung, der Weiterentwicklung des Betreuungsrechts, Vorsorgemöglichkeiten und einer Schlussfolgerung. Die Kapitel sind weiter untergliedert.
Für wen ist dieses Dokument relevant?
Dieses Dokument ist relevant für Juristen, Studenten der Rechtswissenschaften, Sozialarbeiter, Betreuer und alle, die sich mit dem Thema Betreuungsrecht und der Selbstbestimmung von Menschen mit Unterstützungsbedarf auseinandersetzen.
- Quote paper
- Katharina Bethmann (Author), 2006, Betreuung und Hilfe statt Entmündigung. Anspruch und Wirklichkeit des Betreuungsrechts, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/72449