Am 19. Januar 2006 beschloss der deutsche Bundestag, den Palast der Republik in Berlin endgültig abzureißen und durch ein Neubebauung der Spreeinsel, deren Fassade an das im Krieg zerstörte Stadtschloss erinnern soll, zu ersetzen. Die nun seit Jahren andauernde und kontrovers geführte Diskussion um die Zukunft des ungeliebten Bauwerks können stellvertretend stehen für die Debatte um die Stadterneuerung in den neuen Bundesländern seit der Wende. Aus städtebaulicher Perspektive stellt sich die Frage, wie mit dem Vermächtnis von 40 Jahren sozialistischer Stadtplanung umgegangen werden soll, und wie das Erbe nachhaltig in ein vereintes Deutschland integriert werden kann.
Nach einer kurzen Phase der Aufbruchstimmung und der mit der Hoffnung auf „blühende Landschaften“ verbundenen Euphorie, hat sich in Ostdeutschland ein Zusammenwirken verschiedenster Schrumpfungsprozesse bemerkbar gemacht, die den Städten ihre existentielle Basis zu entziehen drohen. Ein rapider Rückgang der Bevölkerungszahlen, Wohnkomplexe mit bis zu 30 Prozent Leerstand, steigende Arbeitslosigkeit und Ausdünnung der wirtschaftlichen Infrastruktur sind hierfür kennzeichnende Stichwörter.
Nun ist das Schrumpfen von Städten keineswegs ein ganz neues Phänomen. Von Hartmut Häußermann und Walter Siebel wurde das Schrumpfen 1987 als unabwendbare Begleiterscheinung postindustrieller Gesellschaften prognostiziert und mit tiefgreifenden Veränderungen in der Produktionsweise erklärt. Im Gegensatz zum Ruhrgebiet etwa wurden die ostdeutschen Städte nach der Wende allerdings auf sehr abrupte und schonungslose Weise in den Zustand des Schrumpfens gestürzt. Außerdem kommen hier weitere, eigenständige Prozesse hinzu, die die Situation gegenüber der restlichen Bundesrepublik erheblich verschärfen. Deshalb ist es angebracht, den Schwund der Städte in Ostdeutschland auf gesonderte Weise zu betrachten.
In der folgenden Arbeit werde ich der Frage nachgehen, welche Prozesse speziell die Transformation ostdeutscher Städte nach der Wende beeinflusst haben und welche Perspektiven sich für den Umbau anbieten. Dabei gehe ich davon aus, dass soziale Integration, Nachhaltigkeit und Urbanität die Leitbilder für eine erfolgreiche Stadtentwicklung darstellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Städtebau in der DDR
- Leitbilder - Anspruch - Verwirklichung
- Gründe für das Scheitern
- Entwicklung nach der politischen Wende
- Chancen und Risiken der Stadterneuerung
- Schrumpfung auf allen Ebenen?
- Schrumpfung als Vorzeichen eines generellen Epochenwandels?
- Schrumpfung als neues städtisches Leitbild
- Zum Umgang mit städtischer Schrumpfung - wider die Unumkehrbarkeit der Moderne...
- Perspektiven des „Stadtumbau Ost“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Transformation ostdeutscher Städte nach der Wende und analysiert die Prozesse, die zu dieser Entwicklung führten. Sie geht davon aus, dass soziale Integration, Nachhaltigkeit und Urbanität die Leitbilder für eine erfolgreiche Stadtentwicklung darstellen. Die Arbeit befasst sich mit den Herausforderungen der Stadterneuerung, insbesondere mit dem Phänomen der Schrumpfung und den damit verbundenen Problemen.
- Die Entwicklung des Städtebaus in der DDR und die Herausforderungen der Stadterneuerung nach der Wende
- Der Schrumpfungsprozess in ostdeutschen Städten und seine Ursachen
- Die Perspektiven des "Stadtumbau Ost" und die Herausforderungen des Umgangs mit städtischer Schrumpfung
- Das Erbe der sozialistischen Stadtplanung und seine Integration in ein vereintes Deutschland
- Die Rolle der sozialen Integration, Nachhaltigkeit und Urbanität für eine erfolgreiche Stadtentwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit den städtebaulichen Errungenschaften der DDR und analysiert die Leitbilder und Merkmale der sozialistischen Stadtplanung. Es werden die Ziele des Städtebaus in der DDR sowie die Herausforderungen der Verwirklichung sozialistischer Ideale in der Praxis beleuchtet. Das zweite Kapitel beleuchtet die Entwicklung ostdeutscher Städte nach der politischen Wende und die verschiedenen Prozesse, die zu den beobachteten Schrumpfungserscheinungen geführt haben. Es werden Chancen und Risiken der Stadterneuerung betrachtet sowie die Frage geklärt, ob Schrumpfung als Vorzeichen eines generellen Epochenwandels verstanden werden kann. Das dritte Kapitel widmet sich dem Thema der Schrumpfung als neues städtisches Leitbild und befasst sich mit den Perspektiven des "Stadtumbau Ost". Es wird die Frage nach einem erfolgreichen Umgang mit städtischer Schrumpfung gestellt und die Überlegungen von Häußermann/Siebel und Wolfgang Engler zu einem „Wandel ohne Wachstum“ vorgestellt.
Schlüsselwörter
Städtebau, DDR, Schrumpfung, Stadterneuerung, Stadtumbau Ost, soziale Integration, Nachhaltigkeit, Urbanität, Leitbilder, sozialistische Stadtplanung, politische Wende, Ostdeutschland, Transformation, Häußermann/Siebel, Wolfgang Engler, Wandel ohne Wachstum.
- Quote paper
- Peter Brüstle (Author), 2006, Ostdeutschlands Städte im Wandel. Von der 'sozialistischen Stadt" zur "schrumpfenden Stadt" und zukünftige Perspektiven., Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/70476