Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) war einer der bedeutendsten Dramentheoretiker der Aufklärung und gilt als Begründer des deutschen Bürgerlichen Trauerspiels. Eines seiner ersten Werke ist das 1759 erschienene Trauerspiel „Philotas“. Doch was veranlasste Lessing ein solches Drama zu schreiben, das die von Johann Christoph Gottsched aufgestellten Gesetzmäßigkeiten der Heroischen Tragödie der Frühaufklärung ironisch konterkariert?
Um dies zu klären, werde ich auf die dominierende Gattung der Heroischen Tragödie der Frühaufklärung eingehen. Dieser Gattungstyp wurde insbesondere von Johann Christoph Gottsched (1700-1766) geprägt. Sein „Sterbender Cato“ gilt bis heute als Musterstück der Frühaufklärung und war vor allem ein Versuch, der tragischen Gattung in Deutschland wieder Ansehen zu verschaffen und Arbeiten auf diesem Feld anzuregen. Im Zentrum meiner Untersuchung steht Lessings Werk „Philotas“. Dieses ging aus der Diskussion um eine erneuerte Tragödientheorie hervor und bringt Lessings Skepsis gegenüber Gottscheds Gattungsbestimmung zum Vorschein. Meine Arbeit folgt der These, dass nach und durch „Philotas“ die Gattungstradition der Heroischen Tragödie überwunden war und sich das Bürgerliche Trauerspiel etablieren konnte.
Dem Hauptteil vorangestellt ist die Definition des Gattungstyps der Heroischen Tragödie. Dies ist notwendig, um das Kernthema verstehen zu können. Es folgt eine Einordnung des Werks „Philotas“ in Lessings Schaffensprozess, um seinen Weg von der Heroischen Tragödie zum Bürgerlichen Trauerspiel nachzuweisen. Mein Hauptaugenmerk werde ich auf einen Vergleich zwischen „Philotas“ und Gottscheds „Sterbender Cato“ legen, um Lessings Abweichungen von den Gattungsnormen deutlich zu machen. Es wird aufzuzeigen sein, dass „Philotas“ als Auslöser für das Ende der Heroischen Gattungstradition fungierte und das bürgerliche Zeitalter der Literaturauffassung in Deutschland einläutete. Abschließend folgt eine endgültige Deutung und Bewertung „Philotas“ als kunstvolles Zeugnis für Lessings kritische Rezeption des Heroischen Tragödientyps.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Aufbau und Ziel der Ausarbeitung
- 2. Grundlagen: Der Gattungstyp der Heroischen Tragödie
- 3. „Philotas“ als Gotthold Ephraim Lessings Weg von der Heroischen Tragödie zum Bürgerlichen Trauerspiel
- 3.1. Einordnung des Werks „Philotas“ in Lessings Schaffensprozess
- 3.2. Lessings Kritik an Johann Christoph Gottscheds Tragödientheorie, aufgezeigt am Vergleich zwischen „Philotas“ und „Sterbender Cato“
- 3.3. „Philotas“ als Auslöser für das Ende einer Gattungstradition
- 4. Schlussbetrachtung: Ergebnisse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Gotthold Ephraim Lessings „Philotas“ im Kontext der heroischen Tragödie der Aufklärung. Das Hauptziel besteht darin, Lessings kritische Auseinandersetzung mit Gottscheds Tragödientheorie zu analysieren und die Bedeutung von „Philotas“ für die Entwicklung vom heroischen zum bürgerlichen Trauerspiel zu beleuchten.
- Die heroische Tragödie der Frühaufklärung nach Gottsched
- Lessings Einordnung von „Philotas“ in seinen Schaffensprozess
- Vergleich zwischen „Philotas“ und Gottscheds „Sterbender Cato“
- „Philotas“ als Übergang zum bürgerlichen Trauerspiel
- Die Überwindung der Gattungstradition der heroischen Tragödie
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Aufbau und Ziel der Ausarbeitung: Die Einleitung stellt Gotthold Ephraim Lessing als bedeutenden Dramentheoretiker der Aufklärung und Begründer des bürgerlichen Trauerspiels vor. Sie führt Lessings „Philotas“ (1759) ein und formuliert die Forschungsfrage nach den Beweggründen Lessings für dieses Drama, das Gottscheds Regeln der heroischen Tragödie ironisch konterkariert. Die Arbeit skizziert den Aufbau und die Argumentationslinie, die auf die heroische Tragödie, Lessings Schaffensprozess, einen Vergleich zwischen „Philotas“ und Gottscheds „Sterbender Cato“, und schließlich die Überwindung der Gattungstradition eingehen wird.
2. Grundlagen: Der Gattungstyp der Heroischen Tragödie: Dieses Kapitel definiert den Typus der heroischen Tragödie der Frühaufklärung, vor allem geprägt durch Johann Christoph Gottsched und seinen „Versuch einer Critischen Dichtkunst“ (1730). Gottscheds rationalistische Literaturtheorie, die Vernunft und Nachahmung der Natur betont, wird erläutert. Die Kapitel beschreibt Gottscheds Definition der Tragödie mit ihren Regeln: moralische Belehrung des Publikums durch allegorische Fabeln mit berühmten historischen Personen, fünf Akte, geschlossene gereimte Sprache, der mittlere Charakter des Helden, der zwischen Tugend und Laster steht, und die Einhaltung der drei Einheiten von Handlung, Zeit und Ort. Der Einfluss der französischen Tragédie classique und Aristoteles’ Katharsis-Theorie wird diskutiert, einschließlich des Konzepts der Bewunderung des Helden.
3. „Philotas“ als Gotthold Ephraim Lessings Weg von der Heroischen Tragödie zum Bürgerlichen Trauerspiel: Dieses Kapitel analysiert Lessings „Philotas“ im Kontext seines Gesamtwerks und seiner Auseinandersetzung mit Gottsched. Es beschreibt „Philotas“ als ein Übergangswerk zwischen der Frühaufklärung und der Hochaufklärung, das, obwohl es formal an die heroische Tragödie anknüpft, diese gleichzeitig durch subtile Brechungen und ironische Distanzierung unterläuft. Der Abschnitt vergleicht „Philotas“ detailliert mit Gottscheds „Sterbender Cato“, um Lessings Abweichungen von den Gattungsnormen aufzuzeigen. Die Unterschiede in der Charakterzeichnung der Protagonisten (Philotas vs. Cato), der dramatischen Struktur (Einakter vs. fünf Akte), der Sprache (Prosa vs. Vers), und der moralischen Botschaft werden im Detail beleuchtet. Es wird gezeigt, wie Lessing die traditionellen Werte des Heldentums hinterfragt und das Mitleid als zentralen Affekt hervorhebt.
Schlüsselwörter
Gotthold Ephraim Lessing, Heroische Tragödie, Bürgerliches Trauerspiel, Johann Christoph Gottsched, „Philotas“, „Sterbender Cato“, Aufklärung, Dramentheorie, Gattungsgeschichte, Mitleid, Bewunderung, Held, Charakter.
Häufig gestellte Fragen zu Lessings "Philotas"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Gotthold Ephraim Lessings Drama "Philotas" im Kontext der heroischen Tragödie der Aufklärung. Der Fokus liegt auf Lessings kritischer Auseinandersetzung mit Gottscheds Tragödientheorie und der Bedeutung von "Philotas" für die Entwicklung vom heroischen zum bürgerlichen Trauerspiel.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die heroische Tragödie der Frühaufklärung nach Gottsched, Lessings Einordnung von "Philotas" in seinen Schaffensprozess, einen detaillierten Vergleich zwischen "Philotas" und Gottscheds "Sterbender Cato", "Philotas" als Übergang zum bürgerlichen Trauerspiel und die Überwindung der Gattungstradition der heroischen Tragödie.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu den Grundlagen der heroischen Tragödie, ein zentrales Kapitel zur Analyse von "Philotas" im Vergleich zu Gottscheds "Sterbender Cato" und eine Schlussbetrachtung. Die Einleitung stellt Lessing und "Philotas" vor und skizziert die Forschungsfrage und den Aufbau der Arbeit. Das Kapitel zu den Grundlagen definiert die heroische Tragödie nach Gottsched. Das Hauptkapitel analysiert "Philotas" als Übergang zwischen heroischer und bürgerlicher Tragödie. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse zusammen.
Was ist die Bedeutung von "Philotas" nach dieser Arbeit?
Die Arbeit argumentiert, dass "Philotas" ein Schlüsselwerk in Lessings Schaffensprozess darstellt und ein Übergangswerk zwischen der Frühaufklärung und der Hochaufklärung ist. Es zeigt Lessings Abkehr von den Regeln der heroischen Tragödie nach Gottsched und seinen Weg zum bürgerlichen Trauerspiel. "Philotas" wird als ironische Konterkarierung von Gottscheds Regeln interpretiert.
Wie wird "Philotas" mit Gottscheds "Sterbender Cato" verglichen?
Der Vergleich zwischen "Philotas" und "Sterbender Cato" bildet einen zentralen Teil der Arbeit. Es werden Unterschiede in der Charakterzeichnung der Protagonisten, der dramatischen Struktur, der Sprache und der moralischen Botschaft herausgearbeitet, um Lessings Abweichungen von den Gattungsnormen aufzuzeigen und seine kritische Auseinandersetzung mit Gottscheds Theorie zu belegen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Gotthold Ephraim Lessing, Heroische Tragödie, Bürgerliches Trauerspiel, Johann Christoph Gottsched, „Philotas“, „Sterbender Cato“, Aufklärung, Dramentheorie, Gattungsgeschichte, Mitleid, Bewunderung, Held, Charakter.
- Quote paper
- Christina Hundeshagen (Author), 2006, Lessings "Philotas" vor dem Hintergrund der heroischen Tragödie der Aufklärung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/64525