Die vorliegende Arbeit untersucht wesentliche Aspekte der Sprache und des Inhalts in der Lyrik Nelly Sachs sowie deren Weiterentwicklung. Eine Analyse der ausgewählten Gedichte ist nicht denkbar ohne die Einbeziehung der 1951 in seinem Aufsatz Kulturkritik und Gesellschaft aufgestellten Thesen von Theodor W. Adorno, welche die Forschung und Diskussion nachhaltig beeinflusst haben.
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Adorno hielt das Schreiben nach Auschwitz schon für möglich, allerdings nur solches, welches der Vergangenheit gedachte und das Leid zum Ausdruck brachte. Mit seinem Satz, dass es barbarisch sei, nach Auschwitz noch Gedichte zu schreiben, zeigte er vordergründig eben auch das Dilemma auf, in welchem sich Intellektuelle im Allgemeinen und Autoren im Speziellen direkt nach Auschwitz befanden. Nach Adorno sollte schon geschrieben und erzählt werden, aber nicht so, als hätte der Holocaust nie stattgefunden. Die Schwierigkeit für alle Nachkriegsautoren war es somit, die Gratwanderung zwischen Banalisierung des Geschehenen und völliger Erstarrung bzw. Verstummung zu meistern. Adorno hat also nur das zum Ausdruck gebracht, was viele Autoren der damaligen Zeit gedacht und gefühlt haben mögen, denn mit dem Holocaust ging eine grundlegende Sprach- und Sinnkrise einher, in der sowohl jegliche Sinnkonstruktion als auch ein sinnvolles Sprechen in Frage gestellt wurde. Die Frage nach dem Sinn sowie der Zweifel an Sinngegebenheiten führten zu einer unbefriedigenden Suche nach einem Sinn und einer Allgemeingültigkeit und ließ somit die Sprache oft als stammelnd, unvollständig und unabgeschlossen wirken.
Aus diesen Erfahrungen entwickelte sich bei vielen Autoren eine lyrische Sprache, die oft verschlossen wirkt und somit auch als hermetische Lyrik bezeichnet wird. Die Dichter misstrauten der zutiefst fragwürdig gewordenen Sprache und begannen daher, die Sprache zu verschlüsseln. Die Chiffre, also die absolute Metapher, wurde demzufolge zum zentralen Begriff der neuen Lyrik. Neben Paul Celan, Rose Ausländer und Ingeborg Bachmann war eben auch Nelly Sachs ein wichtiger Vertreter dieser literarischen Richtung. Inwiefern sie dies in ihren Gedichten zum Ausdruck brachte und ob sich eine hermetische Schreibweise durch ihr ganzes lyrisches Werk zieht, wird auf den folgenden Seiten zu untersuchen sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bemerkungen
- Wesentliche Merkmale der Lyrik Nelly Sachs'
- Entwicklungstendenzen in der Lyrik Nelly Sachs
- inhaltliche Entwicklungstendenzen
- sprachliche Entwicklungstendenzen
- Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse der Sprache und des Inhalts der Lyrik Nelly Sachs und untersucht deren Entwicklung. Der Fokus liegt dabei auf den Auswirkungen des Holocausts auf die poetische Sprache und die Suche nach einer neuen Form der Kommunikation, die das Unsägliche angemessen widerspiegeln kann.
- Adornos These vom Schreibverbot nach Auschwitz und seine Rezeption durch Sachs
- Die sprachliche und inhaltliche Entwicklung der Lyrik Nelly Sachs
- Das Verhältnis von Sprache und Trauma in Sachs' Werk
- Die Rolle von Bildhaftigkeit und Metaphorik in der Lyrik Nelly Sachs
- Die Bedeutung von Hermetik und Chiffre in der Lyrik Nelly Sachs
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitende Bemerkungen
Dieses Kapitel führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt die These von Theodor W. Adorno vom Schreibverbot nach Auschwitz vor. Es analysiert die Rezeption dieser These und untersucht die Schwierigkeit, das Geschehene in Worte zu fassen, ohne es zu banalisieren.
Wesentliche Merkmale der Lyrik Nelly Sachs'
Dieses Kapitel beleuchtet Adornos Kritik an der Lyrik im Allgemeinen und zeigt, wie Nelly Sachs die lyrische Form nutzt, um die Trauer über den Holocaust zu artikulieren. Es analysiert die Besonderheiten von Sachs' Lyrik, insbesondere den Einsatz von Bildhaftigkeit und Metaphorik.
Entwicklungstendenzen in der Lyrik Nelly Sachs
Dieses Kapitel behandelt die inhaltlichen und sprachlichen Entwicklungen in Sachs' Lyrik. Es untersucht, wie ihre Erfahrungen im Exil und der Holocaust ihre poetische Sprache prägten. Der Fokus liegt auf der Verwendung von Hermetik und Chiffre als Mittel der sprachlichen Verdichtung und des Ausdrucks von Trauma.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Nelly Sachs, Lyrik, Holocaust, Adorno, Schreibverbot, Trauma, Sprache, Bildhaftigkeit, Metapher, Hermetik, Chiffre, Exil.
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- Stefanie Müller (Author), 2005, Die göttliche Sprache zum Ziel - inhaltliche und sprachliche Entwicklungstendenzen in der Lyrik Nelly Sachs, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/63046