„Und er lehrte sie vieles in Gleichnissen“1 (Mk 4,2) lautet die Feststellung über die Art Jesu, zu seinen Jüngern und zum Volk zu sprechen. Dass diese Form der Rede klug gewählt war, zeigt sich daran, dass das „ganze Volk dauernd um ihn war und sich keines seiner Worte entgehen lassen wollte“2 (Lk 19,48).
Was aber ist ein Gleichnis? Und was ist das Besondere an dieser Redeform? Diese Fragen lassen sich schwer in wenigen Sätzen beantworten, weil Gleichnisse von verschiedenen Standpunkten betrachtet werden können, von denen aus die oben gestellten Fragen zu unterschiedlichsten Antworten führen.
Aus religionspädagogischer Sicht liegt der Vorteil der Gleichniserzählungen sicherlich zum einen in ihrer Kürze und Prägnanz, zum anderen in deren Bildhaftigkeit, deren Intention und nicht zuletzt in der Aktualität der Themen, die in den Gleichnissen zur Sprache kommen.
Die Ansätze der Wissenschaft sind mannigfaltig: Zum Teil wurden strenge Unterteilungen innerhalb der Gleichnisse vorgenommen, es wurde versucht, die Überlieferungsschichten zu durchdringen, um so zum ersten Sitz der Gleichnisse im Leben Jesu zu gelangen und sie von dort aus zu interpretieren, die Frage nach den Adressaten und dem historischen Kontext der Gleichnisse wurde von manchen für wichtig erklärt, andere hingegen betonen die relative Autonomie der Gleichnisse als Kunstwerke auch die Bedeutung der Metaphorik der Gleichnisse wurde hinterfragt. Versuche, die Sprecher- Hörer- Relation für die Gleichnisse zu bestimmen, wurden unternommen, die Gleichnisse wurden auf ihre Semiotik und Pragmatik hin untersucht und unter literaturwissenschaftlichen Aspekten erforscht.
Fest steht, dass die überlieferten Gleichnisse Jesu uns nach wie vor begegnen und beschäftigen.
Auffällig ist, dass gerade einige der umfangreichsten und populärsten Gleichnisse zum lukanischen Sondergut gehören, wie beispielsweise das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-37) oder das vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32). Daraus ergibt sich die Frage, welche Intention den Autor des dritten Evangeliums dazu bewegte, diese Worte Jesu, die ihm weder aus dem Markusevangelium noch aus der Logienquelle (Q) bekannt waren, in sein Werk aufzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gleichnisse
- Religionsgeschichtlich
- Der Begriff Gleichnis im Alten Testament
- Der Begriff Gleichnis im Neuen Testament
- Gleichnisauslegung und -forschung
- Die allegorische Auslegung
- Die didaktische Gleichnisauslegung nach Adolf Jülicher
- Der formgeschichtliche Ansatz
- Der eschatologisch-historischer Ansatz
- Das hermeneutische Gleichnisverständnis
- Der religionsgeschichtliche Ansatz
- Die Sondergutgleichnisse bei Lukas
- Der Verfasser
- Die lukanische Theologie
- Textuntersuchungen an ausgewählten Sondergutgleichnissen
- Das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lk 12,16-21)
- Der Kontext
- Das Gleichnis vom reichen Kornbauern - Textaufbau und Inhalt
- Realien und Bildfeld des Gleichnisses
- Reichtum
- Seele
- Narr
- Tradition und Redaktion
- Das Gleichnis vom Feigenbaum (Lk 13,6-9)
- Der Kontext
- Das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum - Textaufbau und Inhalt
- Realien und Bildfeld des Gleichnisses
- Wein
- Feigen/Feigenbaum
- Tradition und Redaktion
- Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32)
- Der Kontext
- Das Gleichnis vom verlorenen Sohn - Textaufbau und Inhalt
- Realien und Bildfeld des Gleichnisses
- Pharisäer und Schriftgelehrte
- Zöllner und Sünder
- Vater und Sohn
- Erbrecht
- Hunger/Hungersnot
- Schweine
- Kleidung und Schmuck
- Kuss
- Tradition und Redaktion
- Der Gleichnisanfang
- Der jüngere Sohn
- Der Empfang durch den Vater
- Der ältere Sohn
- Der Vater
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit den Sondergutgleichnissen im Lukasevangelium. Sie analysiert die gewählte Form der Rede Jesu sowie die dahinterliegende Botschaft. Ziel der Arbeit ist es, die Besonderheiten dieser Gleichnisse und deren Bedeutung im Kontext der lukanischen Theologie zu erforschen.
- Die Form des Gleichnisses als effektive Lehrmethode Jesu
- Die religionsgeschichtliche Einordnung und Auslegung von Gleichnissen
- Die lukanische Theologie und ihre Rolle in der Interpretation der Sondergutgleichnisse
- Die Untersuchung ausgewählter Sondergutgleichnisse: Kontext, Aufbau, Bildfeld, Tradition und Redaktion
- Die Bedeutung der Sondergutgleichnisse für das Verständnis der lukanischen Botschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Gleichnisse im Lukasevangelium ein und beleuchtet den Stellenwert dieser Form der Rede. Im zweiten Kapitel wird ein Überblick über die religionsgeschichtliche Entwicklung des Gleichnisses gegeben, bevor der Begriff in seiner Bedeutung im Alten und im Neuen Testament erläutert wird. Anschließend wird die Gleichnisauslegung und -forschung beleuchtet, wobei verschiedene Ansätze wie die allegorische Auslegung, die didaktische Gleichnisauslegung, der formgeschichtliche Ansatz, der eschatologisch-historische Ansatz, das hermeneutische Gleichnisverständnis und der religionsgeschichtliche Ansatz beleuchtet werden. Das dritte Kapitel widmet sich den Sondergutgleichnissen bei Lukas. Zunächst werden der Verfasser und die lukanische Theologie vorgestellt. Anschließend werden ausgewählte Sondergutgleichnisse, wie das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lk 12,16-21) und das Gleichnis vom Feigenbaum (Lk 13,6-9), analysiert.
Schlüsselwörter
Sondergutgleichnisse, Lukasevangelium, Gleichnisse, Theologie, Kontextanalyse, Textaufbau, Bildfeld, Tradition, Redaktion, lukanische Theologie, Auslegung, Religionsgeschichte, Alten Testament, Neuen Testament, Allegorie, Didaktik, Formgeschichte, Eschatologie, Hermeneutik.
- Arbeit zitieren
- Rieke Kurzeia (Autor:in), 2003, Die Sondergutgleichnisse im Lukasevangelium, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/55513