Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Figur des Gretchen als Kindsmörderin und geht der Frage nach, inwiefern sie für dieses Verbrechen verurteilt wird. Der untersuchte Gegenstand ist nicht die vollendete Fassung des Faust I, sondern der Urfaust, der dabei (trotz einiger Vergleiche) als eigenständiges Werk aufgefasst wird und nicht als "unvollständiger" Vorentwurf des Faust I.
Diese Wahl der Fragestellung, des Gegenstandes und der Methode schränken die brauchbare Forschungsliteratur stark ein. Fast alle Untersuchungen der Gretchen-Figur beziehen sich auf Faust I. (Einige davon werden dennoch verwendet, denn trotz der oben zitierten Behauptung von Vitz lassen sich viele Aspekte auch auf die Gretchen-Figur im Urfaust beziehen.) Die Frage nach dem Kindsmord wird zwar häufig flüchtig berührt, aber selten konkret behandelt. Problematisch ist, dass Gretchen in einigen Fällen einseitig betrachtet und überhöht dargestellt wird, in vielen anderen Fällen lediglich als eine notwendige Episode in der Entwicklung Fausts behandelt wird [Siehe hierzu Vitz’ Kapitel über die Faust-Rezeption nach 1945: Georg Vitz, a.a.O., S. 123f.].
Letzteres findet sich beispielsweise bei Stuart Atkins [Siehe hierzu und zu folgendem: Atkins, Stuart: Neue Überlegungen zu einigen missverstandenen Passagen der "Gretchentragödie" in Goethes Faust. In: Keller, Werner: Aufsätze zu Goethes "Faust I". Darmstadt 1974.]: Gretchen sei lediglich "eine symbolische Vertreterin des weiblichen Geschlechts", ihre Rolle "auf ein absolutes Minimum reduziert" und die sogenannte Gretchentragödie nur "eine symbolische Episode". Aus dieser Sicht erscheint eine Untersuchung der Gretchen-Figur nur im Hinblick auf Faust interessant, nicht aber als eigenständige Figur des Dramas. Dennoch halte ich die Frage nach der Gretchen-Figur für gerechtfertigt, zum einen weil sie, wie bereits gesagt, im Urfaust eine andere Bedeutung hat, zum anderen weil in dieser Figur – wie Bernhard Greiner darlegt – die "Begründung des Faust als Tragödie" liegt [Greiner, Bernhard: Margarete in Weimar: die Begründung des Faust als Tragödie. In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte 93 (2).]. Der Leser empfindet gerade Gretchens Schicksal als das tragische Element des Dramas. Ob dies Goethes Absicht entsprach, kann bei werkimmanenter Interpretation dahingestellt bleiben. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I) Der Kindsmord im Urfaust
- II) Analyse der Gretchen-Figur
- 1. Die Vorgeschichte: Verführte Unschuld oder mitverantwortlich?
- 2. Der Kindsmord - Entschuldigung oder Verurteilung?
- III) Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Gretchen-Figur im Urfaust von Goethe im Hinblick auf ihren Kindsmord. Die zentrale Frage ist, inwieweit Gretchen für diese Tat verurteilt oder entschuldigt werden kann. Der Fokus liegt auf einer werkimmanenten Interpretation des Urfaust, wobei soziologische oder rechtsdiskursive Aspekte ausgeklammert werden.
- Gretchens Schuld am Kindsmord
- Die Darstellung von Gretchens Vorgeschichte und ihrer Verantwortung
- Die Rolle des Urfaust im Vergleich zu Faust I
- Die Interpretation von Gretchens Schuldbekenntnis
- Gretchens Figur als eigenständiges Element im Drama
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung erläutert die Fragestellung der Arbeit, die sich mit der Gretchen-Figur im Urfaust als Kindsmörderin auseinandersetzt. Sie hebt den Unterschied zum Faust I hervor, in dem die Gretchentragödie einen geringeren Anteil einnimmt. Die Arbeit konzentriert sich auf eine werkimmanente Interpretation und beschränkt sich auf den Text des Urfaust. Die methodische Eingrenzung wird begründet und die bestehende Forschungsliteratur, die meist auf Faust I fokussiert, kritisch beleuchtet. Der Aufbau der Arbeit mit einer Analyse der Vorgeschichte und des Kindsmords wird dargelegt.
I) Der Kindsmord im Urfaust: Dieses Kapitel untersucht den Kindsmord im Urfaust, wobei zu beachten ist, dass die Tat selbst nicht direkt dargestellt wird. Anhand von Gretchens Aussagen in der Kerkerszene wird auf die Tat und ihr Geständnis geschlossen. Ihre widersprüchlichen Aussagen werden analysiert, und es wird argumentiert, dass ihr Bekenntnis im Moment der Klarheit die glaubwürdigste Version darstellt. Die Liedzeile „Meine Mutter, die Hur,/ die mich umgebracht hat“ wird als weiterer Beleg für Gretchens Tat interpretiert.
Schlüsselwörter
Urfaust, Gretchen, Kindsmord, Schuld, Verurteilung, Entschuldigung, werkimmanente Interpretation, Goethe, Tragödie, Vorgeschichte, uneheliche Schwangerschaft.
Häufig gestellte Fragen zum Urfaust: Gretchen und der Kindsmord
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Figur Gretchen im „Urfaust“ von Goethe, insbesondere im Hinblick auf ihren Kindsmord. Im Fokus steht die Frage nach Gretchens Schuld und der Möglichkeit, sie zu verurteilen oder zu entschuldigen. Die Analyse beschränkt sich auf eine werkimmanente Interpretation des „Urfaust“.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht Gretchens Schuld am Kindsmord, ihre Vorgeschichte und Verantwortung, die Rolle des „Urfaust“ im Vergleich zu „Faust I“, die Interpretation ihres Schuldbekenntnisses und ihre Figur als eigenständiges Element im Drama.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, drei Hauptkapitel und ein Kapitel mit Schlüsselbegriffen. Die Einleitung erläutert die Fragestellung und den methodischen Ansatz. Kapitel I analysiert den Kindsmord im „Urfaust“, Kapitel II untersucht die Gretchen-Figur detailliert, einschließlich ihrer Vorgeschichte. Kapitel III fasst die Ergebnisse zusammen. Schliesslich werden Schlüsselwörter aufgeführt.
Wie wird der Kindsmord im „Urfaust“ behandelt?
Da der Kindsmord selbst nicht explizit dargestellt wird, stützt sich die Analyse auf Gretchens Aussagen in der Kerkerszene und ihre widersprüchlichen Äußerungen. Die Arbeit argumentiert, dass ihr Geständnis im Moment der Klarheit die glaubwürdigste Darstellung ihrer Tat ist. Die Liedzeile „Meine Mutter, die Hur,/ die mich umgebracht hat“ wird als weiterer Beleg interpretiert.
Wie wird Gretchens Schuld bewertet?
Die Arbeit untersucht Gretchens Schuld am Kindsmord, wobei sie die Vorgeschichte und die Verantwortung Gretchens beleuchtet. Soziologische oder rechtsdiskursive Aspekte werden ausgeklammert. Der Fokus liegt auf der werkimmanenten Interpretation des Textes.
Welchen Unterschied gibt es zur Interpretation von Gretchen in "Faust I"?
Die Arbeit hebt den Unterschied zur Interpretation Gretchens in "Faust I" hervor, in dem die Gretchentragödie einen geringeren Anteil einnimmt. Diese Arbeit konzentriert sich ausschließlich auf den „Urfaust“.
Welche methodischen Aspekte werden betont?
Die Arbeit verwendet eine werkimmanente Interpretationsmethode, d.h. die Analyse beschränkt sich auf den Text des „Urfaust“ selbst und bezieht keine externen Faktoren ein.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Urfaust, Gretchen, Kindsmord, Schuld, Verurteilung, Entschuldigung, werkimmanente Interpretation, Goethe, Tragödie, Vorgeschichte, uneheliche Schwangerschaft.
- Quote paper
- Inga Hüttemann (Author), 2003, Gretchen als Kindsmörderin in Johann Wolfgang von Goethes "Urfaust". Verurteilung oder Entschuldigung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/55448