Allgemeine Wehrpflicht- Ja oder Nein? Diese leicht aufgeworfene Frage ist nicht neu, wird aber intensiv diskutiert. Die Stimmen, welche die Abschaffung der Wehrpflicht und ihre Umwandlung in eine Freiwilligenarmee fordern, sind seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes stärker geworden. Dies hat insbesondere mit den veränderten Anforderungen an die Bundeswehr zu tun. Als die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, sollte sie in erster Linie der Inlandsverteidigung dienen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und damit des Endes des Ost-West-Gegensatzes ist dieser Grund entfallen. Heute ist die Bundeswehr in erster Linie eine weltweite agierende Armee.
Neben diesen sicherheitspolitischen Erwägungen wird auch insbesondere das zunehmende Fehlen der Wehrgerechtigkeit ins Feld geführt. So leisteten aus dem Geburtsjahrgang 1983 nur 15,38% aller Erfassten den Dienst an der Waffe. Aus dem gleichen Jahrgang leisteten 61,28% aller Erfassten gar keinen Dienst. Demnach müssen aktuell rund 2/3 der Männer eines Jahrganges weder Wehr- noch Zivildienst leisten.
Auch finanzielle Erwägungen spielen zunehmend eine Rolle. Dem Staat droht unter dieser gewaltigen Schuldenlast zunehmend die politische Handlungsunfähigkeit. Dass dann auch die Wehrpflicht zur Disposition gestellt wird mit der Hoffnung, durch ihre Abschaffung beträchtliche Einsparungen vornehmen zu können, erscheint nachvollziehbar.
Die Befürworter der Wehrpflicht jedoch fürchten bei einer Freiwilligenarmee nicht nur, dass diese sich verselbstständigen könnte wie die Reichswehr in der Weimarer Republik. Sie sehen die Wehrpflicht auch als Opferbereitschaft an die Gemeinschaft, was es auch in der Demokratie geben müsse. Nicht zu verkennen ist ebenfalls die wachsende Bedeutung des Zivildienstes für die sozialen Sicherungssysteme. Faktisch ist es so, dass viele soziale Einrichtungen ohne Zivildienstleistende in Bedrängnis kämen.
Am Ende bleibt die Frage: Wehrpflichtarmee oder Freiwilligenarmee? Kann ein schlankerer, besser funktionierender Staat durch das Abschaffen der Wehrpflicht erreicht werden? Diesen Fragen will diese Arbeit nachgehen. Sie erhebt dabei keinesfalls den Anspruch den mannigfaltige Diskussionsprozess, an dem unterschiedlichste gesellschaftliche Kräfte beteiligt sind, in Gänze wiederzugeben. Vielmehr soll es darum gehen, die wesentlichen, vor allem sachlichen, Erwägungen darzustellen und am Ende eine vorläufige Antwort auf die aufgeworfenen Fragen zu geben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Skizzierung der derzeitigen Rechtslage
- III. Wehrpflicht in anderen Staaten
- 1.) Überblick
- 2.) Probleme für die Armee
- 3.) Probleme für den sozialen Bereich
- IV. Die sicherheitspolitische Lage und die Konsequenzen für die Wehrpflicht
- 1.) Die sicherheitspolitische Lage
- 2.) Sicherheitspolitische Argumentationslinien
- 3.) Entscheidung
- V. Wehrgerechtigkeit
- 1.) Einleitung
- 2.) Statistisches zur Wehrpflicht
- a.) Anzahl der Erfassten
- b.) Anzahl der Gemusterten
- c.) Kapazitätsauslastung der Kreiswehrersatzämter
- d.) Kriegsdienstverweigerung
- e.) Verfügbare für den Wehrdienst
- f.) Wer leistet tatsächlich Wehrdienst?
- g.) Zusammenfassung
- 3.) Rechtsprechung zur Wehrgerechtigkeit
- a.) Verwaltungsgericht Köln am 21.04.2004
- b.) Bundesverwaltungsgericht am 19.01.2005
- aa.) Keine willkürliche Diskriminierung
- bb.) Wehrgerechtigkeit gegeben
- c.) Reaktion des VG Köln am 15.04.2005
- 4.) Gibt es Wehrgerechtigkeit? - Stellungnahme
- VI. Finanzielle Erwägungen- schlanker Staat ohne Wehrpflicht?
- 1.) Einleitung
- 2.) Wehrpflicht vergleichbar einer Naturalsteuer
- a.) Warum die Wehrpflicht vergleichbar einer Naturalsteuer ist
- b.) Höhe der „Naturalsteuer“ Wehrpflicht
- c.) Probleme
- 3.) Kosten der Wehrpflicht
- a.) Die Verbilligung des Faktors Arbeit
- b.) Wohlfahrtsverluste durch Zufallsauswahl
- c.) Profis effizienter als Wehrpflichtige
- d.) Dynamische Kosten
- e.) Rechnungen zu den Opportunitätskosten
- 4.) Opportunitätskosten Freiwilligenarmee
- a.) Marktgerechte Entlohnung der Soldaten
- b.) Personalkostenerhöhung unter zwei Gesichtspunkten
- c.) Zwischenergebnis: Budgetwirksame Mehrkosten
- d.) Gesamtkosten unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten der Freiwilligenarmee
- 5.) Gesamtrechnung und Entscheidung
- VII. Politische Argumentationslinien
- 1.) Argumentationsmuster
- a.) Wehrpflicht „legitimes Kind der Demokratie“/ Wehrpflicht als „Erziehung“ der Jugend?
- b.) „Staat im Staate“?
- c.) Zurückhaltung hinsichtlich Auslandseinsätzen durch Wehrpflichtarmee?
- d.) Freiwilligenarmee Sammelbecken für Extremisten?
- 2.) Positionen der Parteien
- a.) CDU/CSU
- b.) SPD
- c.) FDP
- d.) Linkspartei.PDS
- e.) Bündnis 90/Die Grünen
- 3.) Entscheidung
- 1.) Argumentationsmuster
- VIII. Gesamtabwägung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Frage nach einem möglichen Abschied von der Wehrpflicht in Deutschland. Ziel ist es, die derzeitige Rechtslage zu skizzieren, die sicherheitspolitische Lage zu analysieren und die finanziellen Aspekte einer Abschaffung der Wehrpflicht im Kontext eines „schlanken Staates“ zu beleuchten. Dabei werden verschiedene Argumentationslinien und die Positionen der Parteien berücksichtigt.
- Analyse der derzeitigen Rechtslage der Wehrpflicht
- Bewertung der sicherheitspolitischen Implikationen einer Abschaffung
- Wirtschaftliche Vergleichsrechnungen (Wehrpflicht vs. Berufsarmee)
- Auswertung unterschiedlicher politischer Positionen zur Wehrpflicht
- Diskussion der Gerechtigkeit der Wehrpflicht
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Dieses einleitende Kapitel führt in das Thema der Seminararbeit ein und skizziert die zentrale Forschungsfrage: Sollte die Wehrpflicht in Deutschland abgeschafft werden? Es umreißt den Aufbau der Arbeit und die methodischen Vorgehensweisen.
II. Skizzierung der derzeitigen Rechtslage: Dieses Kapitel beschreibt detailliert die aktuelle Rechtslage bezüglich der Wehrpflicht in Deutschland. Es beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen, die Einberufungsverfahren und die Rechte der Wehrpflichtigen. Es bietet eine solide Basis für die weitere Argumentation.
III. Wehrpflicht in anderen Staaten: Hier wird ein Vergleich der Wehrpflicht in verschiedenen Ländern durchgeführt. Es werden unterschiedliche Modelle der militärischen Organisation und Rekrutierung vorgestellt und die jeweiligen Vor- und Nachteile diskutiert, um den deutschen Kontext besser einzuschätzen.
IV. Die sicherheitspolitische Lage und die Konsequenzen für die Wehrpflicht: Dieses Kapitel analysiert die aktuelle sicherheitspolitische Lage Deutschlands und der Welt. Es untersucht, welchen Einfluss diese Lage auf die Notwendigkeit der Wehrpflicht hat und welche sicherheitspolitischen Argumentationslinien für und gegen die Beibehaltung oder Abschaffung existieren.
V. Wehrgerechtigkeit: Dieses Kapitel befasst sich kritisch mit der Frage der Wehrgerechtigkeit. Es analysiert statistische Daten zur Wehrpflicht, relevante Gerichtsurteile und diskutiert, ob die derzeitige Umsetzung der Wehrpflicht als gerecht angesehen werden kann. Die verschiedenen Aspekte des Themas werden umfassend beleuchtet.
VI. Finanzielle Erwägungen- schlanker Staat ohne Wehrpflicht?: Dieses Kapitel widmet sich den finanziellen Aspekten der Wehrpflicht. Es vergleicht die Kosten einer Wehrpflichtigenarmee mit denen einer Berufsarmee, indem es die Opportunitätskosten beider Systeme berücksichtigt und die Kosten einer Wehrpflicht als "Naturalsteuer" darstellt. Eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse steht im Mittelpunkt.
VII. Politische Argumentationslinien: In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Argumentationsmuster der politischen Parteien zur Wehrpflicht untersucht und analysiert. Die Positionen der wichtigsten Parteien werden vorgestellt und verglichen, um ein umfassendes Bild der politischen Debatte zu geben.
Schlüsselwörter
Wehrpflicht, Freiwilligenarmee, Sicherheitspolitik, Finanzielle Aspekte, Rechtslage, Wehrgerechtigkeit, Kosten-Nutzen-Analyse, Opportunitätskosten, politische Parteien, „schlanker Staat“
FAQ: Seminararbeit - Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland?
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Die Seminararbeit untersucht die Frage nach einem möglichen Abschied von der Wehrpflicht in Deutschland. Sie analysiert die derzeitige Rechtslage, die sicherheitspolitische Lage, die finanziellen Aspekte einer Abschaffung im Kontext eines „schlanken Staates“, verschiedene Argumentationslinien und die Positionen der Parteien.
Welche Themen werden in der Seminararbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Analyse der derzeitigen Rechtslage der Wehrpflicht, Bewertung der sicherheitspolitischen Implikationen einer Abschaffung, Wirtschaftliche Vergleichsrechnungen (Wehrpflicht vs. Berufsarmee), Auswertung unterschiedlicher politischer Positionen zur Wehrpflicht und Diskussion der Gerechtigkeit der Wehrpflicht.
Wie ist die Seminararbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in acht Kapitel gegliedert: Einleitung, Skizzierung der derzeitigen Rechtslage, Wehrpflicht in anderen Staaten, Sicherheitspolitische Lage und Konsequenzen für die Wehrpflicht, Wehrgerechtigkeit, Finanzielle Erwägungen (schlanker Staat ohne Wehrpflicht?), Politische Argumentationslinien und Gesamtabwägung. Jedes Kapitel beinhaltet Unterkapitel mit detaillierten Analysen und Argumentationen.
Welche Aspekte der Rechtslage werden betrachtet?
Das Kapitel zur Rechtslage beschreibt detailliert die aktuellen gesetzlichen Grundlagen, die Einberufungsverfahren und die Rechte der Wehrpflichtigen in Deutschland. Es dient als Grundlage für die weiteren Analysen.
Wie wird die sicherheitspolitische Lage bewertet?
Die sicherheitspolitische Lage Deutschlands und der Welt wird analysiert, um den Einfluss auf die Notwendigkeit der Wehrpflicht zu untersuchen. Die Arbeit beleuchtet verschiedene Argumentationslinien für und gegen die Beibehaltung oder Abschaffung.
Wie werden die finanziellen Aspekte behandelt?
Die finanziellen Aspekte werden durch einen Vergleich der Kosten einer Wehrpflichtigenarmee mit denen einer Berufsarmee untersucht. Die Opportunitätskosten beider Systeme werden berücksichtigt, und die Kosten der Wehrpflicht werden als "Naturalsteuer" dargestellt. Eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse bildet den Mittelpunkt dieses Kapitels.
Wie wird die Wehrgerechtigkeit diskutiert?
Das Kapitel zur Wehrgerechtigkeit analysiert statistische Daten, relevante Gerichtsurteile und diskutiert, ob die derzeitige Umsetzung der Wehrpflicht als gerecht angesehen werden kann. Verschiedene Aspekte des Themas werden umfassend beleuchtet.
Welche politischen Positionen werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht und analysiert die unterschiedlichen Argumentationsmuster der politischen Parteien zur Wehrpflicht. Die Positionen der wichtigsten Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Linkspartei.PDS, Bündnis 90/Die Grünen) werden vorgestellt und verglichen.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Seminararbeit?
Die Seminararbeit führt eine Gesamtabwägung der vorgestellten Argumente durch und kommt zu einer abschließenden Bewertung der Frage nach der Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Wehrpflicht, Freiwilligenarmee, Sicherheitspolitik, Finanzielle Aspekte, Rechtslage, Wehrgerechtigkeit, Kosten-Nutzen-Analyse, Opportunitätskosten, politische Parteien, „schlanker Staat“
- Quote paper
- Niema Movassat (Author), 2006, Abschied von der Wehrpflicht?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/54544