„[…] Eine aus der Vermittlung der praktischen Bedürfnisse hervorgegangene Verfassung ist niemals ohne Mängel zustande gekommen, […]. Das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht ist unter unserer Mitwirkung zur Grundlage öffentlichen Lebens sgemacht. Wir verhehlen uns nicht die Gefahren, die es mit sich bringt […]. Am Volke liegt es jetzt, für die Reinheit der Wahlen einzutreten; angestrengten Bemühungen wird es gelingen, seine Stimme wahrheitsgetreu zum Ausdruck zu bringen und dann wird das allgemeine Wahlrecht selbst das festeste Bollwerk der Freiheit sein, wird es die in die neue Zeit hineinragende Trümmer des ständischen Wesens wegräumen und die zugesicherte Gleichheit vor dem Gesetz endlich zur Wahrheit machen…“ Diese Worte stammen aus dem Gründungsprogramm der Nationalliberalen Partei im Jahr 1867 und besiegelten die Spaltung des Liberalismus. Die Frage ums Wahlrecht hatte bereits in der verfassungsgebenden Nationalversammlung 1848/49 schwere Debatten ausgelöst. Nachdem das beschlossene allgemeine und gleiche Wahlrecht durch das Scheitern der Paulskirche nicht realisiert werden konnte, wurde das Thema erst 15 Jahre später, überraschenderweise durch Bismarck, wieder ernsthaft aufgeworfen. Der Antrag auf ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht erweckte jedoch Misstrauen und wurde von der Opposition als unvollkommen und gefährlich kritisiert, solange nicht auch andere Bereiche liberalisiert und demokratisch umgewandelt würden. Mit ihrer wandelnden Haltung und dem Zusammengehen mit Bismarck, stellten die Nationalliberalen ihre liberalen Ziele vor den nationalen zurück und gaben sich mit kleinen Schritten und der Hoffnung auf spätere Realisierung von wahrer Volkssouveränität und Parlamentarismus zunächst zufrieden. Doch es stellt sich die Frage, ob diese kleinen Schritte ein wirklicher Ansatz hierfür waren und in die richtige Richtung führten. War das neue Wahlrecht, das zunächst für den Norddeutschen Bund und dann für das ganze Reich galt, wirklich frei und gleich? War es ein Richtungsweisender Schritt hin zur Volkssouveränität? Oder sah es nur auf den ersten Blick so aus?!
Inhaltsverzeichnis
- 1.0 Der Kampf um das allgemeine und gleiche Wahlrecht
- 1.1 Die Paulskirche (Liberale vs. Demokraten)
- 1.2 Die Zeit der Reaktion und der beginnende Verfassungskonflikt
- 2.0 Wandelnde Haltung zum Wahlrecht ( Liberale vs. Konservative)
- 2.1 Bismarcks Antrag auf Bundes- und Wahlrechtsreform
- 2.2 Reaktionen auf Bismarcks Antrag und das allgemeine Wahlrecht
- 3.0 Die Stellung des Reichstags in der Verfassung des Deutschen Reiches
- 3.1 Das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht
- 3.2 Die Bedeutung des frei gewählten Reichstags als Repräsentation des deutschen Volkes
- 4.0 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Bedeutung des Reichstagswahlrechts für die nationale Repräsentation des deutschen Volkes im Kontext der Reichsgründung. Dabei wird der Fokus auf die Entwicklung der Wahlrechtsdebatte von den Befreiungskriegen bis zur Reichsgründung gelegt.
- Die unterschiedlichen Positionen von Liberalen und Demokraten zur Frage des allgemeinen Wahlrechts in der Paulskirche
- Die Rolle Bismarcks und die Wandelnde Haltung der Nationalliberalen zum Wahlrecht
- Die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts im Deutschen Reich
- Die Stellung des Reichstags im Verfassungsgefüge des Deutschen Reiches
- Die Bedeutung des Reichstags als Repräsentationsorgan des deutschen Volkes
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1.0: Dieses Kapitel beleuchtet den Kampf um das allgemeine und gleiche Wahlrecht in der Zeit der Paulskirche und beschreibt die gegensätzlichen Ansichten von Liberalen und Demokraten zur Frage des Wahlrechts.
- Kapitel 2.0: In diesem Kapitel werden die sich wandelnden Haltungen von Liberalen und Konservativen zum Wahlrecht im Kontext der Reichsgründung dargestellt. Der Fokus liegt auf Bismarcks Antrag auf Bundes- und Wahlrechtsreform und den Reaktionen darauf.
- Kapitel 3.0: Dieses Kapitel untersucht die Stellung des Reichstags in der Verfassung des Deutschen Reiches und analysiert die Bedeutung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für die Repräsentation des deutschen Volkes durch den Reichstag.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themenfeldern Nationalismus, Reichsgründung, Wahlrecht, Reichstag, Repräsentation, Liberale, Demokraten, Bismarck, Verfassung, Paulskirche, Norddeutscher Bund, Deutsches Reich.
- Quote paper
- Melanie Schwertfeger (Author), 2004, Die Wahlrechtsfrage zur Zeit der Reichsgründung. Die Bedeutung des Reichstagswahlrechts als nationale Repräsentation des deutschen Volkes, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/53343