Im Mittelpunkt dieser Hausarbeit steht die Figur "Gawan" des Romans Parzival. Von Interesse ist dabei seine Konzeption aus figurennarratologischer Sicht unter Berücksichtigung adäquater Historisierung und moderner literaturwissenschaftlicher Methoden und Herangehensweisen. Die Zielsetzung liegt in einer modernen Analyse einer vormodernen literarischen Figur, deren
Merkmale und spezielle Werte sowie Einzigartigkeit und Individualität, die für die mittelhochdeutsche Literatur und ebenso für die moderne Neuinterpretation des Stoffes einen wichtigen Stellenwert einnimmt.
Die Geschichte rund um Parzival kann aus heutiger Sicht, vor allem in der deutschen Mediävistik, wohl als das bedeutendstes Werk von Wolfram von Eschenbach angesehen werden. Als ein literarisches Manifest ist der Roman zum Forschungsgegenstand vieler Literaturwissenschaftler/innen geworden, die sich sowohl mit dessen Bedeutung als auch mit
der Interpretation unterschiedlichster Aspekte beschäftigt haben.
Die berühmte Entwicklung vom einst tumben Knaben und fehlerhaften Königssohn Parzival zum Erlöser des Gralskönigs steht dabei zumeist im Fokus des Interesses und wirft einen Schatten auf ebenso wichtige wie notwendige Figuren, wie den Ritter Gawan. Die Bedeutsamkeit der Figur lässt sich sowohl
daran manifestieren, dass sie als Hauptprotagonist von sieben der insgesamt sechzehn Büchern fungiert und sie an vielen Textstellen mit dem namensgebenden Patron des Epos auf einen Nenner gebracht wird.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Erkenntnisinteresse
- 1.2 Methode
- 1.3 Forschungsstand
- 2. Gawan als transtextuelle Figur
- 3. Die Blutstropfenszene: Gawan als ritterlicher Konfliktlöser
- 4. Gawan als Teil der Tafelrunde: Verhältnis und Verpflichtung gegenüber seiner Verwandtschaft
- 4.1 Gawan als Ritter: Höfisches Ideal oder subideale Realisierung?
- 5. Gawans Minnebeziehungen
- 5.1 Obilot: Selbstloser Frauendienst oder Ironie?
- 5.2 Antikonie: Minneverhältnis ohne Minnedienst
- 5.3 Orgeluse: Von gefährlichem Liebesdienst zu aufrichtiger Liebe und Ehe
- 6. Mimetische Dimension der Gawan-Figur
- 7. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Figur Gawans in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ aus figurennarratologischer Perspektive. Ziel ist eine moderne Analyse dieser vormodernen literarischen Figur, die ihre Einzigartigkeit und ihren Stellenwert für die mittelhochdeutsche Literatur und deren moderne Interpretationen hervorhebt. Die Untersuchung berücksichtigt historische Kontexte und moderne literaturwissenschaftliche Methoden.
- Gawans transtextuelle Aspekte
- Gawan als Konfliktlöser (Blutstropfenszene)
- Gawans Rolle innerhalb der Tafelrunde und sein Verhältnis zu Verwandten
- Gawans Minnebeziehungen und deren Charakterisierung
- Die mimetische Dimension der Gawan-Figur
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung begründet das Erkenntnisinteresse an Gawan als wichtiger, aber oft vernachlässigter Figur in „Parzival“. Sie skizziert die Forschungslücke bezüglich moderner figurennarratologischer Ansätze zur Analyse Gawans und beschreibt die methodische Vorgehensweise der Arbeit, die auf Theorien von Phelan und Rabinowitz, Jannidis und Brüggen aufbaut. Diese Theorien ermöglichen eine umfassende Analyse der Figur in ihren mimetischen, narrativen und thematischen Dimensionen, unter Berücksichtigung der mentalen Ebene und des „irisierenden Erzählens“. Der Forschungsstand zeigt eine einseitige Betrachtung Gawans als reinen Kontrast zu Parzival, ohne die Komplexität seiner Figurenkonzeption zu erfassen.
2. Gawan als transtextuelle Figur: Dieses Kapitel untersucht Gawans transtextuelle Eigenschaften, seine Präsenz in anderen Werken und die damit verbundene Weiterentwicklung seines Images und seiner Bedeutung. Es analysiert, wie Gawans Darstellung in „Parzival“ von bereits existierenden literarischen Traditionen beeinflusst ist und wie Wolfram von Eschenbach die Figur adaptiert und neu gestaltet. Die Analyse betrachtet die Kontinuitäten und Brüche in der Darstellung Gawans und beleuchtet dessen Funktion als ein Bindeglied zwischen verschiedenen literarischen Traditionen.
3. Die Blutstropfenszene: Gawan als ritterlicher Konfliktlöser: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Analyse der Blutstropfenszene, um Gawans Fähigkeiten als ritterlicher Konfliktlöser zu untersuchen. Es analysiert Gawans Verhalten, seine Entscheidungen und deren Auswirkungen auf den weiteren Handlungsverlauf. Die Szene wird als ein Schlüsselmoment für das Verständnis von Gawans Charakter und seiner Rolle im Epos interpretiert. Die Analyse betrachtet die Szene im Kontext der gesamten Erzählung und untersucht die Bedeutung der Szene für das Verständnis von Ritterlichkeit und Konfliktlösung im mittelalterlichen Kontext.
4. Gawan als Teil der Tafelrunde: Verhältnis und Verpflichtung gegenüber seiner Verwandtschaft: Dieses Kapitel untersucht Gawans Position innerhalb der Tafelrunde und seine Beziehungen zu seinen Verwandten. Es analysiert die komplexen Loyalitätskonflikte, die aus diesen Beziehungen resultieren und die Herausforderungen, denen sich Gawan in seiner Rolle als Ritter gegenübersieht. Die Analyse betrachtet die ethischen Dilemmata und die moralischen Implikationen von Gawans Handlungen und Entscheidungen. Das Kapitel beleuchtet Gawans Streben nach einem höfischen Ideal und die realen Herausforderungen, denen er begegnet.
5. Gawans Minnebeziehungen: Dieses Kapitel analysiert Gawans Beziehungen zu Obilot, Antikonie und Orgeluse, um die verschiedenen Facetten seiner Liebesbeziehungen darzustellen. Die Analyse untersucht die unterschiedlichen Arten der Minne, die in diesen Beziehungen zum Ausdruck kommen, und beleuchtet die Entwicklung Gawans im Kontext seiner Liebeserfahrungen. Das Kapitel untersucht die Bedeutung der Frauenfiguren für Gawans Entwicklung und die Rolle der Minne in der Gesamtgestaltung seiner Persönlichkeit. Die Ironie und Ambivalenz in seinen Liebesbeziehungen werden dabei besonders hervorgehoben.
6. Mimetische Dimension der Gawan-Figur: Dieses Kapitel fokussiert sich auf die mimetische Dimension von Gawans Charakter, analysiert seine Glaubwürdigkeit und seine menschlichen Eigenschaften, und untersucht, wie diese Aspekte zur Gestaltung der Figur beitragen. Die Analyse betrachtet die Konsistenz von Gawans Persönlichkeit über die gesamte Erzählung hinweg und die Verbindung zwischen seinen Eigenschaften und seinem Handeln. Das Kapitel untersucht, inwiefern Wolfram von Eschenbach einen glaubwürdigen und vielschichtigen Charakter geschaffen hat.
Schlüsselwörter
Gawan, Parzival, Wolfram von Eschenbach, Figurennarratologie, mittelalterliche Literatur, Ritterlichkeit, Minne, Konfliktlösung, Tafelrunde, transtextuelle Figur, mimetische Dimension.
Häufig gestellte Fragen zu "Gawan in Wolframs Parzival"
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Figur Gawans in Wolfram von Eschenbachs "Parzival" aus figurennarratologischer Perspektive. Sie untersucht Gawans Einzigartigkeit und seinen Stellenwert in der mittelhochdeutschen Literatur und deren modernen Interpretationen, unter Berücksichtigung historischer Kontexte und moderner literaturwissenschaftlicher Methoden.
Welche Aspekte Gawans werden untersucht?
Die Arbeit betrachtet verschiedene Aspekte Gawans, darunter seine transtextuellen Eigenschaften, seine Rolle als Konfliktlöser (insbesondere in der Blutstropfenszene), seine Position innerhalb der Tafelrunde und seine Beziehungen zu Verwandten, seine Minnebeziehungen (zu Obilot, Antikonie und Orgeluse), und schließlich die mimetische Dimension seiner Figur – also seine Glaubwürdigkeit und menschliche Eigenschaften.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Analyse basiert auf Theorien der Figurennarratologie von Phelan und Rabinowitz, Jannidis und Brüggen. Diese ermöglichen eine umfassende Betrachtung der Figur in ihren mimetischen, narrativen und thematischen Dimensionen, inklusive der mentalen Ebene und des „irisierenden Erzählens“.
Welche Forschungslücke wird geschlossen?
Die Arbeit kritisiert die einseitige Betrachtung Gawans als bloßen Kontrast zu Parzival und strebt eine komplexere und differenziertere Figurenkonzeption an, die moderne figurennarratologische Ansätze nutzt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Einleitung (mit Erkenntnisinteresse, Methode und Forschungsstand), Gawan als transtextuelle Figur, die Blutstropfenszene, Gawans Rolle in der Tafelrunde, Gawans Minnebeziehungen, die mimetische Dimension Gawans und schließlich ein Resümee.
Welche Schlüsselmomente werden besonders analysiert?
Ein besonderer Fokus liegt auf der Blutstropfenszene, die als Schlüsselmoment für das Verständnis von Gawans Charakter und seiner Rolle als ritterlicher Konfliktlöser interpretiert wird. Auch Gawans Minnebeziehungen werden detailliert untersucht, wobei die Ironie und Ambivalenz hervorgehoben werden.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zielt darauf ab, ein umfassenderes und nuancierteres Bild von Gawan als komplexer und vielschichtiger Figur zu zeichnen, seine Bedeutung für Wolframs "Parzival" und die mittelhochdeutsche Literatur neu zu bewerten und die Forschungslücke zu einer modernen figurennarratologischen Analyse Gawans zu schließen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Gawan, Parzival, Wolfram von Eschenbach, Figurennarratologie, mittelalterliche Literatur, Ritterlichkeit, Minne, Konfliktlösung, Tafelrunde, transtextuelle Figur, mimetische Dimension.
- Arbeit zitieren
- Melissa Rohlfs (Autor:in), 2019, Gawan. Eine figurennarratologische Analyse einer Hauptfigur in Wolfram von Eschenbachs "Parzival", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/499012