Es vergeht kaum eine Woche, in der Medien oder Politik nicht über Männer mit Migrationshintergrund, vor allem aus muslimischen Kulturkreisen, berichten. Man kann dabei getrost feststellen, dass das darin vermittelte Bild des muslimischen Jugendlichen und Mannes nicht allzu oft positiv ist. Egal ob es der „kleinkriminelle Marokkaner“, der „Frauen-prügelnde Kurde“, der „fundamentalistische Algerier“ oder der „ehrenmordende Türke“ ist, in den Medien wird zum größten Teil über ihn berichtet. Der integrierte Moslem oder andere unauffälligere Gruppen innerhalb der muslimischen Community in Deutschland werden hingegen kaum wahrgenommen. Zum größten Teil bestätigen diese Berichte über Jahrzehnte gewachsene Vorurteile, da die Wahrnehmung derselben nur sehr selektiv sein kann. So hält sich auch im Jahr 2005 noch hartnäckig das Klischee des patriarchischen Macho, der gefühlskalt ist aber äußerst extrem reagiert und hart durchgreift, wenn sein Stolz oder Rechtsempfinden verletzt wird. Es stellt sich die Frage, ob in diese Vorstellung, die teilweise (aber eben nur teilweise) durchaus ihre Berechtigung hat, auch ein anderes Männerbild passt. Wie wird beispielsweise mit einem muslimischen Schwulen umgegangen, der so gar nicht ins traditionelle Bild des orientalischen Macho passen will? Sicherlich, auf den ersten Blick würde man die Verbindung Moslem und schwul wohl negieren oder zumindest als sehr problematisch einstufen. Trotzdem bleibt es eine unbestrittene Tatsache, dass es innerhalb jeder Nation, jeder Religion und bei beiderlei Geschlecht Homosexualität gibt. Ein Blick in die Schwulenszene der Großstädte beweist dies ebenso, wie ein Aufenthalt in den zahlreichen einschlägigen Chatrooms. Und auch wenn man in Öffentlichkeit und Medien aber auch in spezifischeren Bereichen (wie dem der Sozialarbeit) erstaunlich wenig darüber hört, existieren auch sie: die schwulen Türken, Tunesier, Perser und Araber.
Interessant ist diesbezüglich, wie eine relativ strikte Definition von Männlichkeit, so wie sie im arabischen, persischen und türkischen Kulturkreis vorherrscht, mit mannmännlicher Sexualität zusammen passt. Schließen sie sich tatsächlich kategorisch aus? Und wie gehen Betroffene mit den männlichen Rollenerwartungen ihrer Communities und ihres Umfeldes um?
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- 1. Vorwort
- 2. Einführung
- 3. Anmerkung zu Inhalt und Terminologie der Arbeit
- II Geschichtliche und religiöse Hintergründe
- 1. Kleiner geschichtlicher Exkurs zu Männlichkeit und mann-männlicher Liebe und Sexualität
- 2. „Homosexualität und Männlichkeit“ im Islam - Der Koran und die Sunna
- 2.1 Zu Entstehung und Inhalt des Koran - Anmerkung zur Exegese
- 2.2 „Homosexualität“ im Koran
- 3. Verurteilt der Koran Homosexualität als Sünde? Interview mit dem niederländischen Imam Abdulwahid van Bommel
- III „Familie und Männlichkeit“ am Beispiel der Türkei
- 1. Traditionelle Familienstrukturen in der bäuerlichen türkischen Gesellschaft
- 2. Die zentralen Begriffe „Ehre“ und „Moral“ und die Verknüpfung mit Männlichkeit
- 3. Männlichkeit und Männerbilder in der Türkei
- 3.1 Sex und Gender - Zum sozialen Konstrukt von Männlichkeit im Allgemeinen und in der Migrationssituation im Besonderen
- 3.2 Männlichkeit erlernen - Der schwierige Weg vom Kind zum Mann
- 3.3 Der türkische Mann im Wandel der Zeit
- IV „Homosexualität“ in der islamischen Kultur
- 1. Zur Kategorisierung von „Homosexualität“ - Was wird als „homosexuell“ angesehen?
- 2. Körperliche Nähe in mann-männlichen Beziehungen
- V „Homosexualität“ bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund
- 1. „Bei uns gibt es keine Schwulen“ - Der Umgang mit Homosexualität bei Migrantenjugendlichen
- 2. Fragen an muslimische schwule Männer in Deutschland
- 3. Spezifische Identitätskonflikte von schwulen Migranten und mögliche „Bewältigungsstrategien“
- 4. Entwicklungen und Zukunftsaussichten
- VI „Islam und Homosexualität“ in der Sozialarbeit
- 1. Zur Bedeutung und Dringlichkeit des Diskurses „Homosexuelle Muslime“ in der Migrationssozialarbeit und der Politik
- 2. Ein Beispiel der Selbstorganisation aus der Praxis: „Türk-Gay & Lesbian LSVD“ e.V.
- 2.1 Gründung und Ziele
- 2.2 Warum eine türkische Einrichtung?
- 2.3 Beratungsangebot und Hilfe
- 2.4 Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht die komplexen Zusammenhänge von Männlichkeit, Homosexualität und religiösen sowie soziokulturellen Einflüssen bei muslimischen Männern mit Migrationshintergrund. Ziel ist es, individuelle Bewältigungsstrategien und Lebensentwürfe in diesem Kontext zu beleuchten.
- Die Konstruktion von Männlichkeit im Islam und deren historische Entwicklung.
- Die Darstellung von Homosexualität im Koran und in der islamischen Tradition.
- Der Einfluss traditioneller Familienstrukturen und kultureller Normen auf die Lebensrealität homosexueller muslimischer Männer.
- Individuelle Bewältigungsstrategien und Identitätsfindungsprozesse.
- Die Rolle der Sozialarbeit im Umgang mit homosexuellen Muslimen.
Zusammenfassung der Kapitel
I Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Entstehung der Arbeit, ausgehend von persönlichen Begegnungen und Erfahrungen des Autors mit homosexuellen muslimischen Männern. Sie betont die Brisanz des Themas und die Herausforderungen, die mit der Verbindung von Homosexualität und muslimischem Glauben verbunden sind. Es wird der Werdegang der Arbeit skizziert, angefangen von einer Hausarbeit bis hin zur vorliegenden Diplomarbeit, und der Dank an die Personen, die zur Entstehung beigetragen haben, wird ausgedrückt. Die verbesserte Zugänglichkeit zu Informationen durch das Internet und die zunehmende Literatur zu diesem Thema werden ebenfalls hervorgehoben.
II Geschichtliche und religiöse Hintergründe: Dieses Kapitel beleuchtet die geschichtlichen und religiösen Hintergründe der Thematik. Es gibt einen kurzen geschichtlichen Überblick über Männlichkeit und mann-männliche Beziehungen und untersucht die Darstellung von Homosexualität im Koran und in der Sunna. Die Entstehung und Interpretation des Korans werden kritisch betrachtet, und es wird die Frage diskutiert, ob der Koran Homosexualität als Sünde verurteilt. Ein Interview mit einem niederländischen Imam bietet zusätzliche Perspektiven.
III „Familie und Männlichkeit“ am Beispiel der Türkei: Dieses Kapitel analysiert traditionelle Familienstrukturen und den Begriff der Männlichkeit in der türkischen Gesellschaft. Es untersucht die Bedeutung von „Ehre“ und „Moral“ im Kontext von Männlichkeit und beleuchtet die Entwicklung von Männerbildern im Laufe der Zeit. Der Einfluss von Migration auf die Konstruktion von Männlichkeit wird ebenfalls thematisiert, zusammen mit dem Lernprozess der Männlichkeit und den damit verbundenen Herausforderungen.
IV „Homosexualität“ in der islamischen Kultur: Das Kapitel widmet sich der Kategorisierung von „Homosexualität“ in der islamischen Kultur und untersucht, welche Handlungen als „homosexuell“ angesehen werden. Es analysiert die Rolle von körperlicher Nähe in mann-männlichen Beziehungen innerhalb des kulturellen Kontexts.
V „Homosexualität“ bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Dieses Kapitel behandelt den Umgang mit Homosexualität unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Es präsentiert Ergebnisse von Interviews mit muslimischen schwulen Männern in Deutschland und analysiert die spezifischen Identitätskonflikte und Bewältigungsstrategien dieser Gruppe. Die Entwicklungen und Zukunftsaussichten werden ebenfalls betrachtet.
VI „Islam und Homosexualität“ in der Sozialarbeit: Dieses Kapitel diskutiert die Bedeutung und Dringlichkeit des Diskurses um homosexuelle Muslime in der Migrationssozialarbeit und der Politik. Es wird ein Beispiel für Selbstorganisation, der Verein „Türk-Gay & Lesbian LSVD“ e.V., vorgestellt und dessen Gründung, Ziele, Beratungsangebote und Aktivitäten beleuchtet.
Schlüsselwörter
Männlichkeit, Homosexualität, Islam, Migration, Religion, Kultur, Familie, Identität, Bewältigungsstrategien, Sozialarbeit, Türkei, Koran, Sunna, Identitätskonflikte, Selbstorganisation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Männlichkeit, Homosexualität und Islam bei Migranten
Was ist das Thema der Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit untersucht die komplexen Zusammenhänge von Männlichkeit, Homosexualität und religiösen sowie soziokulturellen Einflüssen bei muslimischen Männern mit Migrationshintergrund. Der Fokus liegt auf individuellen Bewältigungsstrategien und Lebensentwürfen in diesem Kontext.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: die Konstruktion von Männlichkeit im Islam und deren historische Entwicklung; die Darstellung von Homosexualität im Koran und in der islamischen Tradition; den Einfluss traditioneller Familienstrukturen und kultureller Normen auf die Lebensrealität homosexueller muslimischer Männer; individuelle Bewältigungsstrategien und Identitätsfindungsprozesse; und die Rolle der Sozialarbeit im Umgang mit homosexuellen Muslimen. Sie beleuchtet diese Aspekte anhand des Beispiels der Türkei und untersucht Erfahrungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung, Geschichtliche und religiöse Hintergründe, „Familie und Männlichkeit“ am Beispiel der Türkei, „Homosexualität“ in der islamischen Kultur, „Homosexualität“ bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund und „Islam und Homosexualität“ in der Sozialarbeit. Jedes Kapitel befasst sich mit spezifischen Aspekten des Themas.
Wie wird die Männlichkeit im Islam dargestellt?
Die Arbeit untersucht die historische Entwicklung und Konstruktion von Männlichkeit im Islam. Sie analysiert, wie traditionelle Familienstrukturen und kulturelle Normen die Vorstellung von Männlichkeit prägen und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. Besonderes Augenmerk wird auf die Türkei gelegt.
Wie wird Homosexualität im Koran und in der islamischen Tradition dargestellt?
Die Arbeit analysiert die Darstellung von Homosexualität im Koran und in der Sunna. Sie hinterfragt kritisch die Entstehung und Interpretation des Korans und diskutiert die Frage, ob der Koran Homosexualität als Sünde verurteilt. Ein Interview mit einem niederländischen Imam liefert zusätzliche Perspektiven.
Welche Rolle spielen Familie und Kultur?
Traditionelle Familienstrukturen und kulturelle Normen spielen eine zentrale Rolle in der Arbeit. Sie beeinflussen die Lebensrealität homosexueller muslimischer Männer stark und prägen ihre Identitätsfindung und Bewältigungsstrategien. Die Bedeutung von „Ehre“ und „Moral“ im Kontext von Männlichkeit wird untersucht.
Wie gehen homosexuelle muslimische Jugendliche mit ihrer Identität um?
Die Arbeit untersucht den Umgang mit Homosexualität unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sie präsentiert Ergebnisse von Interviews mit muslimischen schwulen Männern in Deutschland und analysiert die spezifischen Identitätskonflikte und Bewältigungsstrategien dieser Gruppe.
Welche Rolle spielt die Sozialarbeit?
Die Arbeit betont die Bedeutung und Dringlichkeit des Diskurses um homosexuelle Muslime in der Migrationssozialarbeit und der Politik. Sie stellt den Verein „Türk-Gay & Lesbian LSVD“ e.V. als Beispiel für Selbstorganisation vor und beleuchtet dessen Gründung, Ziele, Beratungsangebote und Aktivitäten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Männlichkeit, Homosexualität, Islam, Migration, Religion, Kultur, Familie, Identität, Bewältigungsstrategien, Sozialarbeit, Türkei, Koran, Sunna, Identitätskonflikte, Selbstorganisation.
- Arbeit zitieren
- Marcello Kloss (Autor:in), 2005, Männlichkeit und Homosexualität bei Muslimen mit Migrationshintergrund - Religiöse und soziokulturelle Einflüsse, individuelle Bewältigungsstrategien und Lebensentwürfe, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/47480