Eine Spur von Wahn-Sinn! und kreativer Schöpfungskraft steckt in uns allen. Schließlich hat jeder ein ES – und dort sind laut Psychoanalyse nicht nur unsere persönlichen Leichen und vieles andere begraben. Dort schlummern auch ungeahnte kreative Kräfte, die jeder mit ein bisschen Übung anzapfen kann.
Genau genommen umfasst das ES vier weitgehend unbewusste Bereiche: 1. die phylogenetische Erbschaft mit ihren evolutionsgeschichtlichen Informationsstrukturen, 2. die psychischen Repräsentanzen der Triebe, Leidenschaften und primitiven Wünsche, 3. die negativen und frustrierenden, angst- und krankmachenden Erlebnisse und Erfahrungen sowie 4. die aggressiven und autodestruktiven Impulse. Freud (1926/241) sprach diesbezüglich vom dämonischen ES.
Es gleicht in mancher Hinsicht einem Gefängnis mit asozialen Insassen, „die schon seit Jahren schmachten oder neu eingeliefert wurden, Insassen, die hart behandelt und schwer bewacht, aber kaum unter Kontrolle gehalten werden und ständig auszubrechen versuchen.” (GAY 1997/150) Eine passende Metapher für die Explosivkraft des Unbewussten, das ständig danach drängt, sich auszudrücken und mitzuteilen.
Im ES geht permanent die virtuelle »Post ab«: Hier wird revoluzzert, gemeuchelt, gemordet, gemobbt, gequält, gehasst und geliebt. Grenzenlos – lustvoll – frustfrei. Hier bin ich Schwein, hier darf ichs sein. Kost ja nichts. Merkt ja keiner. Im ES lebt und tobt der Neander in uns allen. Hier werden gnaden- und reuelos kollektivsinguläre Dramen und Tragikomödien aufgeführt. Ohne Unterlass. Horchen Sie mal in sich rein!
Inhaltsverzeichnis
- 1. ES und Kreativität
- 2. Genie und Wahnsinn gehen Hand in Hand
- 3. Von Hippokrates zur Kybernetischen Medizin
- 4. Melancholie und Trauer
- 5. Melancholie und Filmästhetik
- 6. Künstlerischer Genius bei Kretschmer
- 7. Schizophrenie und Kunst
- 8. Autismus
- 9. Die Kunst der Selbststabilisierung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Aufsatz untersucht den Zusammenhang zwischen Genie, Wahnsinn und Kreativität, insbesondere in der Kunst. Er beleuchtet historische und medizinische Perspektiven auf diese Thematik und analysiert die Rolle des Unbewussten im kreativen Prozess.
- Das Unbewusste (ES) als Quelle der Kreativität
- Der historische Mythos des Genies als Wahnsinniger
- Medizinhistorische Ansätze zur Erklärung des Zusammenhangs
- Beispiele aus Kunst und Literatur
- Die soziale Funktion der Pathographie des Genies
Zusammenfassung der Kapitel
1. ES und Kreativität: Dieses Kapitel erforscht das Unbewusste (ES) nach Freud als Ursprungsort kreativer Kräfte. Es beschreibt das ES als einen Schmelztiegel archaischer, verdrängter und irrationaler Elemente, der ein Reservoir an Kreativität darstellt. Der Autor argumentiert, dass je "ES-hafter" ein Künstler agiert, desto genialer sein Werk sein kann. Historische Beispiele von Hesiod, Homer, Platon bis hin zu Künstlern der Renaissance und der Romantik untermauern diese These, die die irrationalen Ursprünge schöpferischer Virtuosität betont. Schiller und Novalis werden als Beispiele für die positive Bewertung des Unbewussten als Quelle genialen Schaffens angeführt.
2. Genie und Wahnsinn gehen Hand in Hand: Im Gegensatz zur früheren Auffassung einer gottgegebenen Genialität, wendet sich dieses Kapitel dem Mythos des Genie-Irrsinns zu, wie er von Schopenhauer vertreten wurde. Genialität wird hier als etwas Pathologisches dargestellt, als etwas von außen Kommendes, das das ICH dämonisch in Besitz nimmt. Beispiele wie Ernst Herbeck und Paul Klee veranschaulichen die Erfahrung der "Fernsteuerung" durch das Unbewusste. Die Diskussion umfasst die neurophysiologischen Aspekte solcher Zustände und die Möglichkeit, diese durch Psychopharmaka zu induzieren. Nietzsche und Thomas Manns "Doktor Faustus" werden als Beispiele für die romantisierte Verbindung von Krankheit und Kreativität angeführt, wobei die These aufgestellt wird, dass Krankheit die Sensibilität und das künstlerische Talent steigert.
3. Von Hippokrates zur Kybernetischen Medizin: Dieses Kapitel beleuchtet die medizinhistorischen Wurzeln des Mythos von Krankheit und Kreativität, beginnend bei der Melancholie-Auffassung der antiken Griechen. Die Lehre von den vier Körpersäften (Humoralpathologie) nach Hippokrates und Empedokles wird erläutert, um den historischen Kontext der Verbindung von körperlicher Konstitution und psychischem Zustand zu verdeutlichen, der als Grundlage für die spätere Vorstellung des Genies als krankhaft betrachtet wurde. Die weitere Entwicklung dieser Konzepte in der Medizingeschichte wird angedeutet.
Schlüsselwörter
Genie, Wahnsinn, Kreativität, Unbewusstes (ES), Psychoanalyse, Pathographie, Kunst, Literatur, Medizin, Geschichte, Melancholie, Schizophrenie, Neurophysiologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Genie, Wahnsinn und Kreativität"
Was ist der Hauptfokus dieses Aufsatzes?
Der Aufsatz untersucht den komplexen Zusammenhang zwischen Genie, Wahnsinn und Kreativität, insbesondere im Kontext der Kunst. Er beleuchtet historische, medizinische und psychoanalytische Perspektiven auf dieses Thema und analysiert die Rolle des Unbewussten im kreativen Prozess.
Welche Themen werden im Aufsatz behandelt?
Der Aufsatz behandelt eine breite Palette an Themen, darunter das Unbewusste (Es) als Quelle der Kreativität, den historischen Mythos des Genies als Wahnsinniger, medizinhistorische Ansätze zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Genie und Krankheit, Beispiele aus Kunst und Literatur, und die soziale Funktion der Pathographie des Genies. Es werden verschiedene Krankheitsbilder wie Melancholie und Schizophrenie im Bezug auf künstlerische Kreativität untersucht.
Welche Kapitel umfasst der Aufsatz und worum geht es in ihnen?
Der Aufsatz gliedert sich in mehrere Kapitel. Kapitel 1 erforscht das Unbewusste als Ursprungsort kreativer Kräfte. Kapitel 2 befasst sich mit dem Mythos des Genie-Irrsinns. Kapitel 3 beleuchtet die medizinhistorischen Wurzeln dieses Mythos, beginnend bei der antiken Humoralpathologie. Weitere Kapitel untersuchen Melancholie und ihre Darstellung im Film, künstlerischen Genius bei Kretschmer, Schizophrenie und Kunst, Autismus und die Kunst der Selbststabilisierung.
Welche Perspektiven werden eingenommen?
Der Aufsatz betrachtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven: psychoanalytisch (Freud und das Unbewusste), medizinhistorisch (von Hippokrates bis zur Kybernetischen Medizin), literaturwissenschaftlich (durch die Analyse von Werken wie Thomas Manns "Doktor Faustus") und kunstwissenschaftlich (durch die Betrachtung von Künstlern wie Paul Klee). Der Aufsatz verbindet somit verschiedene Disziplinen, um ein umfassendes Bild zu zeichnen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter, die den Inhalt des Aufsatzes prägnant beschreiben, sind: Genie, Wahnsinn, Kreativität, Unbewusstes (Es), Psychoanalyse, Pathographie, Kunst, Literatur, Medizin, Geschichte, Melancholie, Schizophrenie, Neurophysiologie.
Welche Autoren oder Werke werden im Aufsatz erwähnt?
Der Aufsatz erwähnt verschiedene Autoren und Werke, darunter Freud (Psychoanalyse), Schopenhauer (Mythos des Genie-Irrsinns), Hippokrates und Empedokles (Humoralpathologie), Nietzsche, Thomas Mann ("Doktor Faustus"), Hesiod, Homer, Platon, Schiller und Novalis (positive Bewertung des Unbewussten).
Wie wird der Zusammenhang zwischen Krankheit und Kreativität dargestellt?
Der Aufsatz untersucht die historische und medizinische Sichtweise auf den Zusammenhang zwischen Krankheit und Kreativität. Es wird die These vertreten, dass Krankheit die Sensibilität und das künstlerische Talent steigern kann, wobei gleichzeitig der Mythos einer romantisierten Verbindung von Krankheit und Kreativität kritisch beleuchtet wird. Die Rolle des Unbewussten und seine möglichen Auswirkungen auf den kreativen Prozess steht dabei im Mittelpunkt.
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- Dr. Volker Halstenberg (Author), 2005, "Wer Erfolg haben will, muss verrückt sein!" – Genie und Wahnsinn in der Kunst, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/46554