„Der erste ‚Karolinger’ Karl Martell“1, der immerhin die Voraussetzungen für die gewaltige Expansion des fränkischen Reiches unter seinem Enkel Karl dem Großen schuf2, ist seit jeher in der Legitimität seines Herrschaftsanspruches mit dem Makel eines Sohnes zweifelhafter oder unklarer Herkunft behaftet gewesen. Die Einordnung Karl Martells als „politischer Abenteurer ohne eigentlichen Rechtstitel auf die Nachfolge seines Vaters“, getroffen von Eugen Ewig 19533, erscheint aus der Sicht der heutigen Forschung in ihrer Bestimmtheit aber als zumindest fragwürdig. Bis in die 1930er Jahre herrschte in der Forschung weitgehender Konsens darüber, dass Karl ein legitimer Sohn Pippins des Mittleren war4.
Erst durch die Arbeiten von Herbert Meyer5 und der Anerkennung der sogenannten ‚Friedelehe’ als Rechtsinstitut erfolgte eine Neubewertung der rechtlichen Stellung Karls, und zwar dahingehend, dass er ein illegitimer Sohn Pippins ohne fundierte Erb- und Herrschaftsansprüche gewesen sei6. Seine Mutter Chalpaida wird in diesem Kontext verstärkt von der Ehefrau in die Nähe einer bloßen Konkubine Pippins gerückt7. Diese Anschauung und insbesondere der Begriff der ‚Friedelehe’ sehen sich in jüngster Zeit vermehrt fundamentaler Kritik ausgesetzt. Die Quellen aus der Zeit Karl Martells sind nicht nur äußerst begrenzt8, sondern auch durch Widersprüche 9 und teilweise tendenziöse Motivationen10 gekennzeichnet. Hier ist somit eine äußerst genaue Quellenkritik vonnöten.
Die vorliegende Arbeit soll sich mit der rechtlichen Stellung Karl Martells als Sohn und Erbe Pippins des Mittleren beschäftigen. Dazu sollen die Ehe von Karls Mutter Chalpaida mit Pippin und die sich daraus ergebenden Erbansprüche von Karl untersucht werden; in diesem Zusammenhang sollen auch die verschiedenen Erbregelungen Pippins berücksichtigt werden. Von besonderer Bedeutung für die spezielle Thematik von Karls Qualität als Erbe Pippins müssen die Arbeiten von Waltraud Joch gelten. Im Zusammenhang mit dem Problemkreis der ‚Friedelehe’ und des Konkubinats sei auf Else Ebels11 und vor allem auf Andrea Esmyols eingehende Untersuchungen hingewiesen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die rechtliche Stellung Karl Martells
- Geburtsrechtliche Stellung Karls
- Friedelehe vs. Muntehe
- Chalpaidas Ehe mit Pippin dem Mittleren
- Erbrechtliche Ansprüche Karls und Pippins Erbregelungen
- Geburtsrechtliche Stellung Karls
- Zusammenfassung
- Abkürzungsverzeichnis
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der rechtlichen Stellung Karl Martells als Sohn und Erbe Pippins des Mittleren. Sie analysiert die Ehe von Karls Mutter Chalpaida mit Pippin und die daraus resultierenden Erbansprüche von Karl. Dabei werden auch die unterschiedlichen Erbregelungen Pippins berücksichtigt.
- Die rechtliche Natur der Beziehung zwischen Pippin und Chalpaida
- Die rechtlichen Implikationen von Karls Geburt im Kontext der „Friedelehe“
- Die Erbrechtlichen Ansprüche von Karl im Vergleich zu seinen Brüdern und Neffen
- Die Relevanz der „Friedelehe“ in der Forschung und ihre Definitionsprobleme
- Die Quellenlage zur rechtlichen Stellung Karl Martells und ihre Beurteilung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Legitimität von Karl Martells Herrschaftsanspruch ein und beleuchtet die wissenschaftliche Debatte um seine rechtliche Stellung als Sohn Pippins des Mittleren. Die Arbeit stellt fest, dass die Quellenlage schwierig ist und die verschiedenen Definitionen der „Friedelehe“ zu unterschiedlichen Interpretationen führen können.
Das Kapitel „Die rechtliche Stellung Karl Martells“ untersucht zunächst die geburtsrechtliche Stellung Karls anhand der Beziehung seiner Mutter Chalpaida zu Pippin. Es werden die Unterschiede zwischen der „Friedelehe“ und der „Muntehe“ sowie die verschiedenen Erbregelungen Pippins beleuchtet, um die Frage nach der rechtlichen Begründbarkeit der Vernachlässigung von Karl gegenüber seinen Brüdern und Neffen zu erörtern.
Schlüsselwörter
Karl Martell, Pippin der Mittlere, Chalpaida, Friedelehe, Muntehe, Erbrecht, Legitimität, Quellenkritik, Mittelalter, Karolinger, Franken, Rechtsgeschichte.
- Quote paper
- Andreas Lehmann (Author), 2005, Karl Martell - der "illegitime" Erbe Pippins des Mittleren?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/43948