Die Wahrnehmung des Unheimlichen variiert im subjektiven Empfinden jedes Menschen. Das erschwert eine einheitliche Definition. Unheimliches wirkt meist erschreckend oder angsterregend. Im Jahr 1919 veröffentlicht Sigmund Freud mit seinem Aufsatz Das Unheimliche eine der ersten Theorien diesbezüglich. Vor allem in der Epoche des Realismus werden zahlreiche Werke veröffentlicht, die unheimliche Aspekte beinhalten, beispielsweise Theodor Storms Novellen, in denen er mit geisterhaften, furchterregenden Erscheinungen und angsteinflößender Stimmung das Unheimliche heraufbeschwört.
Theodor Storms Der Schimmelreiter (1888) ist eine charakteristische Novelle für die Epoche des Realismus. Die Novelle handelt von Hauke Haiens, der als Sohn eines nordfriesischen Bauern und Landvermessers aus einfachen Verhältnissen stammt und bereits als Kind von der Konstruktion von Deichformen fasziniert ist. Mit achtzehn Jahren beginnt der Protagonist seine Beschäftigung als Kleinknecht des Deichgrafen, zu dessen Tochter er sich hingezogen fühlt. Nach dem Tod des alten Deichgrafen, gibt seine Tochter ihre Verlobung bekannt und ermöglicht Hauke den gesellschaftlichen Aufstieg zum neuen Deichgrafen.
In den kommenden Jahren steigt der Unmut der Bevölkerung. Einem Unbekannten kauft Hauke einen Schimmel ab, in dem die Dorfbewohner ein auferstandenes Pferdeskelett zu erkennen glauben. Nachdem Hauke die Opferung eines Hundes verbietet, wenden sich die Bauern endgültig gegen ihn. Als sich ein gewaltiger Sturm erhebt, reitet Hauke zum neuen Deich hinaus und verhindert, dass die Bauern, Peters Befehl folgend, diesen durchstechen. Nachdem der alte Deich unter dem Unwetter bricht, wird das Dorf überflutet und auch Elke und die gemeinsame Tochter sterben. Hauke, überzeugt von seiner Schuld und Unfähigkeit, stürzt sich und seinen Schimmel ins Meer. Der Schulmeister beendet seine Erzählung mit dem Lob des Hauke-Haien-Deichs, der nun seit über hundert Jahren standhält. Am darauffolgenden Tag reitet der Reisende über den Deich.
Diese Arbeit will belegen, dass Theodor Storms Novelle Situationen und Motive aufgreift, die auch nach Sigmund Freuds Theorie als unheimlich definiert werden können. Dazu werden zuerst Theorie und Historie von Novellen und Realismus beleuchtet, danach wird Freuds Definition des Unheimlichen erläutert, die dann auf das Unheimliche der Natur, der Nacht sowie des Übernatürlichen und des Aberglaubens in Der Schimmelreiter bezogen wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Realismus und Novelle: Theorie und Historie
- Das Unheimliche nach Sigmund Freud
- Das Unheimliche in Theodor Storms Der Schimmelreiter
- Das Unheimliche der Natur
- Das Unheimliche der Nacht
- Das Unheimliche des Übernatürlichen und des Aberglaubens
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter im Hinblick auf das Unheimliche. Sie zielt darauf ab, die in der Novelle dargestellten Situationen und Motive anhand von Sigmund Freuds Theorie des Unheimlichen zu analysieren. Die Arbeit beleuchtet zunächst die Theorie und Geschichte der Novelle im Kontext des Realismus, bevor sie sich Freuds Definition des Unheimlichen zuwendet. Im Anschluss werden die verschiedenen Aspekte des Unheimlichen in Der Schimmelreiter, insbesondere in Bezug auf die Natur, die Nacht sowie das Übernatürliche und den Aberglauben, untersucht.
- Die Entwicklung der Novelle als literarische Gattung im 19. Jahrhundert.
- Die Definition des Realismus und seine Relevanz für die Analyse von Der Schimmelreiter.
- Sigmund Freuds Theorie des Unheimlichen und ihre Anwendung auf die Novelle.
- Die Darstellung des Unheimlichen in der Natur, der Nacht und im Kontext von Übernatürlichem und Aberglauben in Der Schimmelreiter.
- Die Verbindung zwischen den Motiven des Unheimlichen in der Novelle und den psychologischen Implikationen des Unheimlichen nach Freud.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Unheimlichen ein und stellt die Forschungsfrage der Arbeit vor. Sie beleuchtet die subjektive Wahrnehmung des Unheimlichen und die Bedeutung von Sigmund Freuds Theorie in diesem Kontext. Die Novelle Der Schimmelreiter wird kurz vorgestellt und ihre Relevanz für die Analyse des Unheimlichen im Realismus herausgestellt.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Definition des Realismus und der Entstehung der Novelle als literarische Gattung. Es werden die verschiedenen Ansätze zur Definition des Realismus und die Bedeutung der Novelle im Kontext des 19. Jahrhunderts erläutert. Besondere Aufmerksamkeit wird der Entwicklung der Novelle als literarische Form und der Bedeutung der Symbole, Leitmotive und des Wendepunkts für die Gattung gewidmet.
Kapitel drei beleuchtet Sigmund Freuds Theorie des Unheimlichen. Es werden die zentralen Elemente der Theorie vorgestellt und ihre Relevanz für die Analyse von literarischen Texten verdeutlicht. Die Arbeit beleuchtet die Bedeutung des Unheimlichen als Gefühl der Angst und Unsicherheit vor dem Fremden und Unbekannten.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Unheimliches, Novelle, Realismus, Sigmund Freud, Theodor Storm, Der Schimmelreiter, Natur, Nacht, Übernatürliches, Aberglaube, Psychoanalyse, Motiv, Symbol, Wendepunkt.
- Quote paper
- Mona Baumann (Author), 2018, Das Unheimliche in Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter" unter Einbeziehung der Freud'schen Theorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/428419