Einleitung
Individualisierung ist ein ebenso schillernder wie auch diffuser Begriff, der vor allem seit Mitte der 1980er Jahre in den Sozial- und Geisteswissenschaften für Furore sorgte. Die semantische und etymologische Nähe zu Bezeichnungen aus der gleichen Wortfamilie (Individuum, Individualität, Individualismus) lassen zwar Bedeutungsassoziationen zu, erschweren aber auch eine eindeutige Definition. Vielleicht kann Individualisierung mit BECK als ein Prozess beschrieben werden, „in dessen Verlauf die Menschen aus den Sozialformen der industriellen Gesellschaft – Klasse, Schicht, Familie, Geschlechterlagen von Männern und Frauen – freigesetzt werden.“1 Es geht also auf der Makroebene um einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, der ausgelöst durch hohen Wohlstand, Mobilitätsprozesse (siehe unten bei WALZER) und einen Wertewandel/-verlust auf der Mikroebene zu notwendigen Entscheidungsprozessen der Individuen führt, die mit tradierten Handlungs- und Interaktionsmustern brechen und von den Einzelnen mehr Autonomie und Planung erfordern. Dabei steht nicht die Bewertung intrapsychischer Vorgänge und der bewusst-unbewusste Umgang mit einer verränderten Lebenswelt im Blickpunkt, sondern es geht um die Wechselwirkungen an der Schnittstelle Individuum/Gesellschaft und die Frage, „was mit den Menschen geschieht“, und nicht, „wie sie in ihrem Verhalten und Bewusstsein damit umgehen.“2
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1 Ulrich Beck, 1986: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main, S.115
2 Ebd, S.207
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG
- 2 IDENTITÄT UND INDIVIDUUM - EINE ABGRENZUNG
- 2.1 Identitätskonstruktionen als historischer Prozess
- 3 DAS PHÄNOMEN DER INDIVIDUALISIERUNG
- 3.1 Individualisierung - eine erste Annäherung
- 3.2 Individualisierung bei Beck
- 3.2.1 Modell der dreifachen Individualisierung
- 3.2.2 Standardisierung und Institutionalisierung
- 3.3.3 Kritik an Beck
- 4 WEGE AUS DER INDIVIDUALISIERUNGSFALLE
- 4.1 Bildens neues Konzept von Individualität
- 4.1.1 Revision des Individuum-Konzeptes
- 4.2 Kommunitarismus
- 4.2.1 Michael Walzer - ein liberaler Kommunitarist
- 4.1 Bildens neues Konzept von Individualität
- 5 FAZIT UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Phänomen der Individualisierung im Kontext von Identitätskonstruktion und Kommunitarismus. Sie befasst sich mit der historischen Entwicklung des Begriffs „Individuum“ und dem damit einhergehenden Wandel von traditionellen zu modernen Gesellschaften. Die Arbeit analysiert die Auswirkungen von Individualisierungsprozessen auf das Individuum und die Gesellschaft, wobei die Positionen von Ulrich Beck und Günther BILDEN im Vordergrund stehen. Schließlich wird die mögliche Rolle des Kommunitarismus im Kontext der Individualisierung anhand der Position von Michael Walzer diskutiert.
- Identität und Individualität als anthropologische Grundkonstanten
- Individualisierung als ein historischer Prozess in der „Zweiten Moderne“
- Die Auswirkungen von Individualisierung auf das Individuum und die Gesellschaft
- Die Rolle des Kommunitarismus im Kontext von Individualisierung
- Vereinbarkeit von Individualisierung und Kommunitarismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der Individualisierung ein und liefert eine begriffliche Abgrenzung. Kapitel zwei befasst sich mit der historischen Entwicklung der Begriffe Individuum und Identität und analysiert die Veränderungen im Prozess der Identitätskonstruktion. Das dritte Kapitel beleuchtet das Phänomen der Individualisierung, wobei das Modell von Ulrich Beck und dessen Kritik im Vordergrund stehen. In Kapitel vier werden Wege aus der Individualisierungsfalle diskutiert, insbesondere anhand der Positionen von Günther BILDEN und Michael Walzer, welcher als Vertreter des Kommunitarismus eine Brücke zwischen Individualisierung und Gemeinsinn schlägt.
Schlüsselwörter
Individualisierung, Identität, Individuum, Kommunitarismus, Zweite Moderne, Tradition, Moderne, Gesellschaft, Sozialisation, Ulrich Beck, Günther BILDEN, Michael Walzer.
- Quote paper
- Alexander Thiele (Author), 2004, Individualisierung als historischer Prozess im Kontext von Identitätskonstruktion und Kommunitarismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/42058