Ausgangspunkt für diese Arbeit war die Unstimmigkeit zwischen monistischem und dualistischem Ansatz in der Rhythmusforschung der Lyrik; Friedrich Georg Jünger schreibt, dass „[d]er metrische Rhythmus aber [..] an das Gedicht gebunden und in ihm allein anzutreffen [ist]. Im Gedicht also sind Rhythmus und Metrum eins, und wir können sie nicht voneinander absondern. Die Behauptung, daß [sic] das Gedicht eine über alle metrische Bewegung hinausgehende rhythmische Bewegung hat, ist abzulehnen.“
Wolfgang Kayser hingegen konstatiert: „Metrum und Rhythmus müssen also gesondert werden. Wer das Metrum eines Gedichts, hat damit noch nicht den Rhythmus bestimmt.“
Aus diesem Antagonismus heraus entstand die Idee, anhand der Wellenformen von aufgenommenen und digitalisierten Gedichten zu untersuchen, welche (Wiederhol-)Strukturen wie ausgeprägt vorhanden sind und ob sich damit möglicherweise eine der beiden Thesen stützen lässt. Die Arbeit mit vorgetragener Lyrik ergibt sich aus der Tatsache, dass der Rhythmus als »Gliederung der Zeit in sinnlich fassbare Teile« (Heusler) vor allem ein Phänomen des vorgetragenen Textes ist – „also einem Medium, das nur dem Rezitator offen steht.“ D.h. der Faktor Rhythmus kann auf dem Papier niemals seine volle Wirkung entfalten, weshalb es zwingend notwendig ist mit dem gesprochenen Gedicht zu arbeiten, denn nur dort ist das entsprechende Umfeld gegeben, um die beiden Bestandteile von Dichtung angemessen zu beurteilen.
Hans Lösener liefert einige Vorschläge zur Definition des Begriffs Rhythmus. Er behauptet, dass es sich als nachteilig erweist, den Rhythmus auf ein individuelles oder gar „dionysisches“ Phänomen (z. B. bei Klages) zu reduzieren; denn weder ist der Rhythmus aus-schließlich subjektives Medium – denn es existiert je nach Gedicht eine durch den Autor implizierte intersubjektive rhythmische Lesart, noch scheint es ratsam den Rhythmus auf das Durchbrechen des metrischen Regelwerks zu reduzieren – denn diese Interpretation legt nahe, dass der Rhythmus keinen inhärenten Bestandteil der Lyrik darstellt. Hans Lösener gaubt im Rhythmus ein semantisches Gliederungsprinzip gefunden zu haben: „[D]er Rhythmus der Sprache lässt sich nicht auf ein metrisches Schema reduzieren, sondern umfasst alle sprachlichen Momente (Lexik, Syntax, Phonematik, Interpunktion etc.), die an der Sinngliederung beteiligt sind.“
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Versuchsmaterial und Versuchsaufbau
- Verwendete Lyrik und Prosa
- Gedicht 1 - Johann Wolfgang von Goethe: Jägers Abendlied
- Gedicht 2 - Nikolaus Lenau: Die Seejungfrauen
- Gedicht 3 - Peter Huchel: Löwenzahn
- Prosatext
- Verwendete Aufnahmegeräte, Soundkarte und Software
- Genutzte Räumlichkeiten
- Die Sprecher
- Verwendete Analysemittel & Struktur der Analyse
- Analyse der Grafiken
- Gedicht 1, Skansion
- Gedicht 1, Sprecher 1
- Gedicht 1, Sprecher 2
- Gedicht 1, Sprecher 3
- Gedicht 1, Sprecher 4
- Gedicht 1, Sprecher 5
- Resümee Gedicht 1
- Gedicht 2, Skansion
- Gedicht 2, Sprecher 1
- Gedicht 2, Sprecher 2
- Gedicht 2, Sprecher 3
- Gedicht 2, Sprecher 4
- Gedicht 2, Sprecher 5
- Resümee Gedicht 2
- Gedicht 3, Skansion
- Gedicht 3, Sprecher 1
- Gedicht 3, Sprecher 2
- Gedicht 3, Sprecher 3
- Gedicht 3, Sprecher 4
- Gedicht 3, Sprecher 5
- Resümee Gedicht 3
- Schluss
- In eigener Sache
- Medienliste
- Anhang: Auswertung Umfrage
- Anhang: Visualisierte Gedichte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Rhythmus und Metrik in vorgetragenen Gedichten. Sie setzt sich zum Ziel, anhand von akustischen Analysen von gesprochenen Gedichten zu untersuchen, ob sich der Rhythmus als eigenständiges Element neben dem Metrum manifestiert oder ob beide Elemente ineinander verschmelzen.
- Visualisierung von vorgetragenen Gedichten
- Rhythmus und Metrik in der Lyrik
- Analyse von gesprochenen Gedichten
- Intersubjektives rhythmisches Schema
- Sonorität und rhythmisches Gefüge
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die unterschiedlichen Ansätze in der Rhythmusforschung und begründet die Notwendigkeit der Analyse vorgetragener Gedichte. Sie erläutert den Begriff des Rhythmus und dessen Bedeutung für die Sinngliederung von Texten.
Das zweite Kapitel stellt das verwendete Versuchsmaterial vor, beschreibt die Auswahlkriterien und erläutert die Methodik der Analyse.
Das Kapitel "Analyse der Grafiken" befasst sich mit der detaillierten Untersuchung der Klangwellenform von drei Gedichten: Goethes "Jägers Abendlied", Lenaus "Die Seejungfrauen" und Huchels "Löwenzahn". Die Analyse untersucht die Beziehung zwischen Metrum und Rhythmus, die Rolle des Rhythmus bei der Gliederung von Versen und Strophen sowie den Einfluss der Sonorität auf das rhythmische Gefüge.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Rhythmus, Metrik, Visualisierung, Prosodie, Versifikation, Sonorität, Gedichtanalyse und intersubjektives Schema. Sie befasst sich mit der Frage, inwiefern sich das metrische Grundschema eines Gedichts in der gesprochenen Sprache manifestiert und wie sich der Rhythmus in der Klangwellenform des gesprochenen Gedichts visualisieren lässt.
- Quote paper
- Philip Baum (Author), 2004, Die Visualisierung von vorgetragenen Gedichten - Im Besonderen zum Verhältnis von Rhythmus und Metrik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/41527