Ob Philipe Bourgois und Jeff Schonberg die Injektionsgewohnheiten weißer Heroinabhängiger in San Francisco beschreiben oder James M. Acheson die Maßnahmen aufzählt, die Hummerfischer in Maine etabliert haben, um den Bestand der Hummer dauerhaft zu sichern – hier wird ein bestimmtes Menschenbild vermittelt, und das Individuum als Handlungsakteur auf verschiedene Weise gedeutet bzw. konzipiert.
Während Bourgois und Schonberg die Habitustheorie heranziehen, um das Verhalten ihrer beforschten Gruppe zu erklären, nutzt Acheson für diesen Zweck die Rational Choice Theory. Diese beiden Konzepte unterscheiden sich stark voneinander und kritisieren zum Teil gerade das jeweils andere Menschenbild – so wirft Bourdieu, der Begründer des Habitus-Konzepts, der Rational Choice Theory „überspitzt gesagt“ (Schwingel 2000: 51) z.B. vor, sie konstruiere den individuellen Akteur als Buchhalter, der vor jeder Handlung das für ihn optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis berechnet und nach diesem handelt.
Ist diese Kritik berechtigt? Wenn nicht, wie sieht der Neo-Institutionalismus, dessen Teil die Rational Choice Theory ist, dann den „Menschen“? Und welche Art von Menschenbild liegt dem Habitus-Konzept und damit Bourdieus Praxistheorie zu Grunde? Was für eine Rolle spielt das Individuum generell in diesen beiden unterschiedlichen Konzepten?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Praxistheorie: Das Habitus-Konzept
- Neo-Institutionalismus: Die Rational Choice Theory
- Vergleich: Praxistheorie und Neo-Institutionalismus in ethnographischen Beispielen
- Die Rolle des Individuums
- Das Menschenbild
- Zusammenfassung, Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die unterschiedlichen Konzepte des Individuums und des Menschenbildes in der Praxistheorie, insbesondere im Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu, und im Neo-Institutionalismus, mit Fokus auf die Rational Choice Theory. Der Vergleich der beiden Ansätze soll zeigen, wie die jeweiligen Konzepte das Individuum als Handlungsakteur begreifen und welche Rolle es in den unterschiedlichen Theorien spielt.
- Das Habitus-Konzept in der Praxistheorie
- Die Rational Choice Theory im Neo-Institutionalismus
- Vergleich des Menschenbildes und der Rolle des Individuums in beiden Ansätzen
- Analyse der Ansätze anhand ethnographischer Beispiele
- Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik des Individuums als Handlungsakteur in verschiedenen ethnographischen Studien dar und führt die beiden zentralen Konzepte, die Habitus-Theorie und die Rational Choice Theory, ein. Sie formuliert die Forschungsfragen und die methodische Vorgehensweise der Arbeit.
Kapitel 2 behandelt das Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu als zentralem Bestandteil der Praxistheorie. Es erläutert die Entstehung des Habitus, seine Bedeutung für die Praxis und die Wahrnehmung der sozialen Welt, sowie seine drei zentralen Aspekte: die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata.
Kapitel 3 beleuchtet die Rational Choice Theory im Kontext des Neo-Institutionalismus. Es beschreibt die Grundannahmen des Ansatzes und seine Kritik an anderen Handlungstheorien, insbesondere am Habitus-Konzept.
Kapitel 4 vergleicht die Praxistheorie und den Neo-Institutionalismus anhand von zwei ethnographischen Beispielen: Bourgois und Schonbergs Untersuchung von weißen Heroinabhängigen in San Francisco und Acheson's Analyse von Hummerfischern in Maine. Die Kapitel analysieren die unterschiedlichen Konzepte des Individuums und des Menschenbildes in den beiden Studien.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der Soziologie und Anthropologie, insbesondere mit den Konzepten des Individuums, des Menschenbildes, der Praxis, des Habitus, der Rational Choice Theory und des Neo-Institutionalismus. Sie befasst sich mit der Frage, wie die beiden zentralen Theorien das Individuum als Handlungsakteur begreifen und welche Rolle es in ihren jeweiligen Ansätzen spielt. Die Arbeit verwendet ethnographische Beispiele, um die theoretischen Konzepte zu illustrieren und vergleichend zu analysieren.
- Quote paper
- Katharina Wilhelm (Author), 2014, Individuum und Menschenbild in Praxistheorie und Neo-Institutionalismus. Ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/375798