In der vorliegenden Ausarbeitung wird ein neuer Messaufbau zum Nachweis kosmischer Myonen erstellt, getestet und ausgewertet, sodass dieser später im Höhenstrahlungslabor des Instituts für Kernphysik der Universität Köln den Studenten im Rahmen des Praktikums zur Verfügung gestellt wird. Zu Beginn werden die aufgebauten Detektoren auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft, mögliche Fehlerquellen analysiert und der Aufbau entsprechend optimiert. Es wird getestet, ob Ereignisse außerhalb des Rauschens detektiert und so Messungen der Myonenzählrate durchgeführt werden können.
Im zweiten Teil werden die Kamiokanne-Detektoren mit Hilfe einer Koinzidenzmessung zur Bestimmung der Winkelverteilung der detektierten Myonen und des Ost-West-Effekts verwendet, wobei vorher gewährleistet werden muss, dass die Kamiokannen zur Koinzidenzmessung geeignet sind. Dafür werden weitere Elektronikmodule in den Signalweg integriert und der Schwellwert zur Signalerfassung im Constant-Fraction-Discriminator angepasst. Im endgültigen Versuchsaufbau, der von der Feinmechanikwerkstatt des IKP konstruiert wurde, können Messungen in Richtung Osten und Westen simultan aufgenommen werden, sodass mehr Zeit, im Rahmen der Praktikumszeit, für weitere Messreihen zur Verfügung steht.
Tagtäglich durchdringen unseren Körper physikalische Teilchen, ohne dass unser Körper dies bemerkt. Letztendlich ist unsere Erde einem wahren Bombardement ausgesetzt. Eine Teilchenart, die in unserem Alttagswissen wenig verankert ist, uns jedoch Sekunde für Sekunde durchdringt, ist das Myon, das wir im Folgenden analysieren wollen.
Dennoch bleibt erst einmal die Frage, was hat eine Kaffeekanne mit Physik zu tun. Obwohl unser Körper kein Sinnesorgan für Myonen besitzt und die Detektion physikalischer Teilchen oft sehr aufwendig ist, soll in dieser experimentellen Ausarbeitung aufgezeigt werden, dass mit einer vergleichsweise einfachen Detektoranordnung aus Kaffekannen der Nachweis von Myonen aus der Höhenstrahlung möglich ist.
Wassergefüllte Cerenkov-Detektoren sind in der Forschung zur Teilchenphysik allgegenwärtiges Forschungsinstrument. Im Folgenden wird eine kleinere Ausführung erstellt, die prinzipiell jedoch den großen Vorbildern ähnelt.
Inhaltsverzeichnis
1 Motivation
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Einführung, Standardmodell und Wechselwirkungen . .
2.1.1 Zusammengesetzte Teilchen
2.2 Das Myon
2.3 Kosmische Strahlung
2.3.1 Einführung
2.3.2 Kosmische Strahlung - Primärstrahlung
2.3.3 Kosmische Strahlung - Sekundärstrahlung
2.3.4 Allgemeine Abhängigkeit des Intensitätsverlaufs der gela- denen Komponente von Energie und Zenitwinkel
2.3.5 Inklinationseffekte
2.3.6 Energieverlust der durchdringenden Komponente
2.4 Čerenkov-Effekt
3 Versuchsaufbau
3.1 Dewargefäß
3.1.1 Reflexivität Silber
3.2 Lichtwellenleiter
3.3 Photomultiplier
3.3.1 Photoelektrischer Effekt
3.3.2 Sekundärelektronenvervielfacher
3.4 Elektronik
3.4.1 Signalauswertung mit Oszilloskop
3.4.2 HV
3.4.3 Timing Filter Amplifier
3.4.4 MCA
3.4.5 Constant Fraction Discriminator
3.4.6 Coincidence Unit
3.4.7 Counter
3.4.8 Signalweg
4 Auswertung der Messwerte
4.1 Erste Messungen: Impulshöhenspektren mit dem MCA .
4.1.1 Dichtigkeitsprüfung
4.1.2 Berücksichtigung des Untergrunds
4.1.3 Vergleichsmessungen der verschiedenen Thermoskannen und PMTs
4.2 Messung der Zählrate mit NIM-Elektronik
4.2.1 Messung zur Ermittlung der Hochspannung
4.2.2 Anpassung des Thresholds des CFD
4.2.3 Koinzidenzmessung zur Winkelabhängigkeit und Inklinati- onseffekte
5 Zusammenfassung und Ausblick
Danksagung
Literatur
1 Motivation
Die Physik ist mehr als das, was wir sehen, hören oder mit unserem Körper wahr- nehmen können. Sie spielt sich oft im für uns Geheimen und Verborgenem ab, ohne dass wir es bemerken. Dennoch erlaubt es uns die heutige Technik, die Physik der kleinen Teilchen, die Teilchenphysik, zu verstehen und ihr auf den Grund zu gehen. Tagtäglich durchdringen unseren Körper physikalische Teilchen, ohne dass unser Körper dies bemerkt. Letztendlich ist unsere Erde einem wahren Bombardement ausgesetzt. Eine Teilchenart, die in unserem Alttagswissen wenig verankert ist, uns jedoch Sekunde für Sekunde durchdringt, ist das Myon, das wir im Folgenden ana- lysieren wollen.
Dennoch bleibt erst einmal die Frage, was hat eine Kaffeekanne mit Physik zu tun. Obwohl unser Körper kein Sinnesorgan für Myonen besitzt und die Detektion phy- sikalischer Teilchen oft sehr aufwendig ist, soll in dieser experimentellen Ausarbei- tung aufgezeigt werden, dass mit einer vergleichsweise einfachen Detektoranord- nung aus Kaffekannen der Nachweis von Myonen aus der Höhenstrahlung möglich ist.
Wassergefüllte Čerenkov-Detektoren sind in der Forschung zur Teilchenphysik allgegenwärtiges Forschungsinstrument. Im Folgenden wird eine kleinere Ausführung erstellt, die prinzipiell jedoch den großen Vorbildern ähnelt.
In diesem Sinne wird in der vorliegenden Ausarbeitung ein neuer Messaufbau zum Nachweis kosmischer Myonen erstellt, getestet und ausgewertet, sodass dieser spä- ter im Höhenstrahlungslabor des Instituts für Kernphysik der Universität Köln den Studenten im Rahmen des Praktikums zur Verfügung gestellt wird. Zu Beginn wer- den die aufgebauten Detektoren auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft, mögli- che Fehlerquellen analysiert und der Aufbau entsprechend optimiert. Es wird getes- tet, ob Ereignisse außerhalb des Rauschens detektiert und so Messungen der Myo- nenzählrate durchgeführt werden können.
Im zweiten Teil werden die Kamiokanne-Detektoren mit Hilfe einer Koinzidenz- messung zur Bestimmung der Winkelverteilung der detektierten Myonen und des Ost-West-Effekts verwendet, wobei vorher gewährleistet werden muss, dass die Kamiokannen zur Koinzidenzmessung geeignet sind. Dafür werden weitere Elek- tronikmodule in den Signalweg integriert und der Schwellwert zur Signalerfassung im Constant-Fraction-Discriminator angepasst. Im endgültigen Versuchsaufbau, der von der Feinmechanikwerkstatt des IKP konstruiert wurde, können Messungen in Richtung Osten und Westen simultan aufgenommen werden, sodass mehr Zeit, im Rahmen der Praktikumszeit, für weitere Messreihen zur Verfügung steht.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Einführung, Standardmodell und Wechselwirkungen
Die Suche nach dem kleinsten Teil, aus dem sich unsere Welt zusammensetzt, fas- ziniert seit jeher die Menschheit. Nach Entdeckung des Atoms galt dieses, wie der Name schon sagt (Atomos = lat. für unteilbar), als „unteilbar“. Erst mit der Ent- deckung des Atomkerns im 20. Jahrhundert durch die Ruhterford’schen Streuver- suche (1909-1901 [1] ) entwickelte sich die Kern- und Teilchenphysik als eigenstän- diger Teilbereich der Physik.
Alle uns bekannten Elementarteilchen werden im Rahmen der Elementarteilchen- physik im Standardmodell (auch Teilchenzoo genannt) beschrieben. Es unterschei- det prinzipiell drei Klassifizierungen elementarer Teilchen: die Austauschteilchen der fundamentalen Wechselwirkungen (Bosonen), die Quarks und die Leptonen (vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Illustration der Elementarteilchen im Teilchenzoo[2].
Das Standardmodell berücksichtigt drei Wechselwirkungen[1].
1.) Die elektromagnetische Wechselwirkung, welche durch das Eichboson Photon vermittelt wird. Das Photon koppelt an die elektrische Ladung.
2.) Die schwache Wechselwirkung, welche durch drei Austauschteilchen vermit- telt wird. Zu unterscheiden sind bei der schwachen Wechselwirkung Prozesse, bei denen sich die elektrische Ladung (siehe Beta-Zerfall) ändert. Diese werden als „Reaktion der geladenen Ströme"[1] bezeichnet und durch W ± -Bosonen vermittelt. Prozesse, bei denen keine Änderung der Ladung stattfindet, werden im Bezug auf den ersten Prozess als „Reaktionen der neutralen Ströme"[1] bezeichnet und durch Z [0] -Bosonen vermittelt.
3.) Zwischen den Quarks wird durch Austausch von Gluonen, den Eichbosonen der starken Kraft, eine weitere Wechselwirkung vermittelt, welche gewährleistet, dass die Quarks im Nukleon gebunden sind. Die starke Kraft wird durch acht Gluonen, die an Farbladungen koppeln und selber eine Farbladung tragen, vermittelt. Zusätzlich zu den drei bereits erwähnten Wechselwirkungen ist seit langer Zeit die Gravitation bekannt. Diese wird im Standardmodell nicht näher beschrieben und nimmt somit in der modernen Forschung eine gesonderte Rolle ein. Obwohl wir tagtäglich die Gravitationskraft makroskopisch beim Herunterfallen unseres Bröt- chens vom Frühstückstisch zu spüren bekommen, treten Schwierigkeiten bei der Beschreibung und experimentellen Bestätigung des Austauschteilchens auf. Alle Austauschteilchen haben gemein, dass sie einen ganzzahligen Spin aufweisen und somit zu den Bosonen zählen, die im Rahmen der Bose-Einstein-Statistik be- schrieben werden. Zusätzlich fordert das Standardmodell ein zusätzliches Teilchen, das sogennte Higgs-Boson. Die Suche nach dem Higgs-Boson war Ausgangspunkt vieler Experimente am LHC des CERN. Durch die wahrscheinliche Entdeckung 2012 konnte der von Peter Higgs postulierte Mechanismus, der allen Teilchen eine Masse verleiht, experimentell bestätigt werden. Dafür bekam P. Higgs zusammen mit F. Englert den Physiknobelpreis 2012.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Familie der Quarks und Leptonen
Neben den Austauschteilchen, die die Wechselwirkungen vermitteln, erklärt das Standardmodell der Teilchenphysik den Aufbau der Welt aus elementaren Materie- teilchen. Im Standardmodell wird zusätzlich zu den Eichbosonen zwischen Lepto- nen und Quarks unterschieden, wobei beide zu der Gruppe der Fermionen gehö- ren, charakterisiert durch den halbzahligen Spin in Abgrenzung zu den Bosonen (Spin ganzzahlig). Im Standardmodell werden sechs Quarks (up; down; charme; strange; top; bottom) postuliert. Diese unterscheiden sich durch ihren Quarktyp, auch Flavour genannt. Jeder Quarktyp kann drei verschiedene sogenannte Farbla- dungen (rot, grün, blau) tragen [1]. Zu jedem Quark existiert auch ein Antiquark. Zu den Leptonen gehören sechs Teilchen, die gemäß ihrer Ladung (Q), ihrer Elek- tron-Leptonenzahl Le Myon-Leptonenzahl L μ und ihrer Tauon-Leptonenzahl L τ klassifiziert werden [1]. Zu den sechs Leptonen zählen somit das Elektron mit zu- gehörigem Elektron-Neutrino, das Myon mit zugehörigem μ -Neutrino und das τ mit zugehörigem τ -Neutrino. Auch hier existiert zu jedem Lepton ein Antiteilchen. Die Fermionen (Quarks und Leptonen) werden in sogenannte Familien (auch Ge- neration genannt) eingeteilt. Es existieren jeweils 3 Familien von Quarks und 3 Familien von Leptonen (siehe Tabelle 1).
2.1.1 Zusammengesetzte Teilchen
Neben den eigentlichen Elementarteilchen existieren zusammengesetzte Teilchen (vgl. Tabelle 2). Hadronen bezeichnen dabei zusammengesetzte Teilchen, die der starken Wechselwirkung unterliegen und sich somit aus Quarks zusammensetzen. Die bekanntesten Hadronen sind das Neutron und das Proton. Zusätzlich zu diesen zwei existieren jedoch noch zahlreiche weitere Hadronen. Des Weiteren werden die Hadronen in Baryonen und Mesonen unterteilt. Unterscheidungskriterium ist dabei die Quark-Zusammensetzung. Während sich Baryonen aus drei Quarks bzw. An- tiquarks zusammensetzen, setzen sich Mesonen aus einem Quark-Antiquark-Paar zusammen [3]. Der Zusammensetzung folgend unterscheiden sich Baryonen mit halbzahligen Spin (somit Fermionen) von den Mesonen mit ganzzahligen Spin (so- mit Bosonen).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Familie der Quarks und Leptonen nach[4]
2.2 Das Myon
Im Folgenden betrachten wir ein spezielles Teilchen des Standardmodells genauer, da dieses mit Hilfe des Kamiokanne-Detektors im späteren Verlauf detektiert werden soll. Wie bereits erwähnt, existieren drei Familien der Leptonen. Die zweite Familie der Leptonen bildet das Myon und das zugehörige Myon-Neutrino. Primär ist die schwache Wechselwirkung für Zerfälle von Hadronen in Teilchenschauern für das Entstehen der später detektierten Myonen verantwortlich.
Den größten Anteil an der Entstehung der Myonen bilden geladene Pionen (π Mesonen). Die Energieerhaltung grenzt den Zerfall von Teilchen ein. Werden Pionen als Ausgangsteilchen betrachtet, so können diese aufgrund ihrer geringen Ruhemasse (leichtestes Hadron) nur in Leptonen zerfallen[1]. Leptonen müssen stets paarweise erzeugt werden, sodass zwei Zerfallskanäle möglich[5]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weitere Auswahlregeln begrenzen die möglichen Zerfallskanäle weiter. Aufgrund der Helizitätsverletzung beim Zerfall von Pionen in ein Elektron (Positron) mit zugehörigem Antineutrino (Neutrino) ist dieser Zerfallskanal stark unterdrückt, sodass der Zerfall in ein Myon 8000-mal wahrscheinlicher ist, als der Zerfall in ein Elektron (Positron)[3]. Neben dem Zerfall von Pionen in Myonen können Myonen auch durch andere Zerfallskanäle entstehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Entstehungskanäle des Myons mit der jeweiligen mittleren Lebensdauer und der relativen Häufigkeit im Vergleich zu allen anderen Zerfallskanä- len mit gleichen Ausgangsteilchen. [6]
Das Myon ähnelt in vielen Eigenschaften denen des Elektron, weswegen es gelegentlich auch als schweres Elektron bezeichnet wird. Charakteristisch für das Myon ist die mit dem Elektron verglichen große Ruhemasse[4]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hinsichtlich Spin ([12] ) und Ladung (± 1 e) existieren keine Unterschiede zwischen Elektron und Myon. Allerdings ist das Myon im Gegensatz zum Elektron nicht stabil. Das Myon zerfällt ebenfalls in leichtere Elementarteilchen. Die mittlere Lebensdauer eines Myons in dessen Inertialsystem beträgt[4]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie beim Pion sind die Zerfallskanäle durch die Energieerhaltung eingeschränkt. Der hauptsächliche Zerfallskanal eines Myon ist der in ein Elektron/Positron und in ein zugehöriges Antineutrino (vgl. Abb. 2). Die Leptonenzahl L muss erhalten bleiben,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
sodass bei der Zuordnung der Leptonenzahl (L=1) für das negative Myon neben der Entstehung eines Myon-Neutrino ein Elektron-Antineutrino entsteht[1].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Feynman-Diagramm des Myon-Zerfalls[6].
Dass die beim Zerfall entstehenden Neutrinos verschiedener Art sind, konnte durch Experimente von L. Ledermann, M. Schwarz und J. Steinberger (1961) bestätigt werden [1].
Weitere Zerfallskanäle des Myon sind ebenfalls möglich. Ein weiterer Reaktions kanal, der neben dem Myon-Zerfall möglich ist, ist der Myon-Einfang.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Myon-Einfang tritt in Konkurrenz zum Zerfall auf, sodass sich durch den Ein- fang die effektive Lebensdauer[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ,mit τ c derLebensdauerdurchMyon- Einfang, verkürzt[7].
Wie beim radioaktiven Zerfall ist der Myonzerfall ein statistischer Prozess und folgt dem Zerfallsgesetz. Die Höhenstrahlung besteht aus einem Gemisch aus positiven und negativen Myonen, sodass für das Zeitverhalten der Anzahl an zerfallenden Myonen gilt [[7]]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn abschließend im Kapitel über das Myon noch die relativistische Korrektur der atmosphärischen Durchdringungstiefe betrachtet wird, kann die Frage beant- wortet werden, warum die Myonen bei einer so kurzen mittleren Lebensdauer von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und einem Entstehungsort ca. 10 − 15 km oberhalb der Erd- oberfläche, überhaupt an dieser detektiert werden können. Nach der klassischen Be- trachtung wäre die zurückgelegte Strecke bei einer mittleren Geschwindigkeit von v = 0 , 998 c:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Demnach wäre das Myon bereits zerfallen, bevor es die Erdoberfläche erreicht. Um diese paradoxe Sichtweise aufzulösen, bedarf es der Korrektur durch die Relativitätstheorie. Aufgrund der relativistischen Effekte muss die Zeitdilatation, ausgedrückt durch den Lorentzfaktor γ, berücksichtigt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Gegensatz zur klassischen Betrachtung können die Myonen nach der relativistischen Korrektur die Erdoberfläche erreichen und im Kamiokanne-Detektor nachgewiesen werden.
2.3 Kosmische Strahlung
2.3.1 Einführung
Um neue Teilchen durch den Zusammenstoß von hochenergetischen stabilen Teil- chen zu entdecken, wurde Mitte der 1930er die zuvor bekannt gewordene Höhen- strahlung untersucht. Versuche zur Radioaktivität hatten, in Abwesenheit von radio- aktiven Präparaten, eine Reststrahlung offenbart. Diese Reststrahlung wurde von Ernest Rutherford auf natürliche Radioaktivität zurückgeführt [1]. Durch die Ne- belkammer konnte Teilchenstrahlung, ob durch Präparate oder natürliche Radio- aktivität hervorgerufen, experimentell erstmals sichtbar gemacht werden. Weitere Messungen erbrachten die Erkenntnisse, dass die kosmische Strahlung mit stei- gender Höhe zunimmt und zeitlich in Bezug auf Tag und Nacht konstant zu sein scheint. Spätere Experimente durch Bothe und Kohlböster mit dem zuvor erfunde- nen Geiger-Müller-Zähler bewiesen die elektrische Ladung der kosmischen Strah- lung [5]. Die kosmische Strahlung wird, hinsichtlich dem Ort der Entstehung, in primäre und sekundäre kosmische Strahlung eingeteilt.
2.3.2 Kosmische Strahlung - Primärstrahlung
Bestandteil der primären kosmischen Strahlung sind Elektronen, Protonen α -Teilchen und schwerere Atomkerne [5]. Die Elementverteilung der Ionen entspricht in etwa der Häufigkeitsverteilung der Elemente, die in der Sternmaterie vorkommt [8]. Die Elektronen machen nur einen geringen Anteil (ca 1-2%) der primären Strahlung aus, da diese bereits vorher durch Bremsstrahlung einen Großteil ihrer kinetischen Energie verlieren. Die schweren Kerne (Z ≥ 3) entsprechen ca. einem Anteil von 2,5% der primären Strahlung. Alpha-Teilchen stellen den zweitgrößten Anteil der primären Strahlung mit 12,5%. Der hauptsächliche Anteil der primären Strahlung bilden die Protonen mit 85% [8].
Durch die statistisch verteilten Magnetfelder im galaktischen Raum werden die Teil- chen umgelenkt, sodass eine weitestgehend isotrope Richtungsverteilung der kos- mischen Strahlung auftritt [8]. Die kinetische Energie der primären Strahlung ist abhängig vom Entstehungsprozess und kann bis zu 10[20] eV betragen. Die primäre Strahlung kann ihrem Ursprung nach in solare, galaktische und extra- galaktische Komponenten eingeteilt werden [9]. Bekannt ist, dass Teilchen bis in den GeV -Bereich durch Sonneneruptionen erzeugt werden. Ursprung des nicht- solaren-Anteils der Strahlung können Schockfronten von Supernovaexplosionen, kosmische Jets von schwarzen Löchern oder Pulsaren sein. Die Energien reichen bis zu 10[20] eV. Für Energien bis 10[18] eV wird der Ursprung in der Milchstraße an- genommen [9]. Für Energien oberhalb dessen werden andere Galaxien in Betracht gezogen.
2.3.3 Kosmische Strahlung - Sekundärstrahlung
Die Protonen, Ionen und Atomkerne der primären kosmischen Strahlung treffen in der Erdatmosphäre (ca. 10 − 15 km Höhe) auf einen großen Anteil an Sauerstoffato- men und Stickstoffatomen. Für niedrige Energien werden durch Stoßprozesse ein- zelne Nukleonen herausgeschlagen. Für höhere Energien überwiegt der Anteil der Brems- strahlung. Anders als die Bremsstrahlung von Elektronen, die im Bereich der elektromagnetischen Strahlung liegt, entstehen Mesonen durch die Bremsstrahlung von energiereichen Nukleonen. Für Energien bis zu 10[11] eV werden überwiegend geladene und neutrale π -Mesonen (Pionen) erzeugt[8]. Neutrale π -Mesonen zerfallen zumeist in zwei Gammaquanten, geladene π -Mesonen in Leptonen (μ , e). Höhere Energien führen zu andern Mesonenarten (z.B. K ±,...).
In jedem Fall wechselwirken die primären Teilchen mit den Atomen der oberen Atmosphärenschicht und verursachen Spallationsreaktionen. Durch die Zersplitte- rung der schweren Atomkerne resultieren Kaskaden leichterer Teilchen. Dies wird als sekundäre kosmische Strahlung bezeichnet (siehe Abb, 3). Die sekundäre kos- mische Strahlung wird hinsichtlich ihrer Zusammensetzung in drei Komponenten charakterisiert.
Die erste Komponente besteht überwiegend aus Nukleonen und α -Teilchen, sowie aus π -Mesonen und Kaonen, die aus den direkten Stößen zwischen Primärstrahlung und Sauerstoffatomen/ Stickstoffatomen resultieren. Aufgrund der Teilchenzusam- mensetzung wird diese Komponente auch als hardronische Komponente bezeichnet. Die Wechselwirkungslänge liegt in Luft bei etwa 90 g/cm [2] [5]. Daher nimmt die- se Komponente rasch mit der Eindringtiefe ab, sodass diese an der Erdoberfläche nur in sehr geringem Maße detektiert werden kann. Die Intensität der hadronische Komponente liegt bei [10]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die zweite Komponente der sekundären kosmischen Strahlung, auch weiche Komponente genannt, besteht aus Photonen und Elektronen. Neutrale π -Mesonen mit einer mittleren Lebensdauer von etwa: τ 0 = 10 − [17] s [4] zerfallen zumeist über die elektromagnetische Wechselwirkung in zwei Gammaquanten und erzeugen so, zu- sammen mit den Elektronen, die weiche Komponente. Die Gammaquanten können ihrerseits durch Paarbildung Elektronen erzeugen. Die Elektronen wiederum, durch Ablenkung am Kern, weitere Photonen, sodass sich Kaskadenschauer der weichen Komponente ergeben und zu messbaren Teilchenschauer am Boden führen.
Die Strahlungslänge beträgt für Elektronen und Photonen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [5]. Die Intensität der weichen Komponente nimmt daher mit der Eindringtiefe ebenfalls rasch ab und liegt auf Meeresniveau bei
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für Energien ab 10 M eV
und bis zu [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] bei Energie ab 100 M eV [10].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Entstehung der sekundären kosmischen Strahlung [11].
Die dritte Komponente, auch als durchdringende Komponente oder Myon- Komponente bezeichnet, sind Zerfallsprodukte aus Kaonen bzw. π -Mesonen. Die mittlere Lebensdauer der geladenen π -Mesonen liegt im Inertialsystem der Teil- chen im Bereich von etwa [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] [4], bevor diese anschließend vorzugsweise in Myonen zerfallen (siehe Abschnitt 2.2). Positive und negative Kaonen weisen zwei Zerfallsmoden auf. Zum einen können diese in zwei π -Mesonen (Pionen) zer- fallen, die wiederum ihrerseits in Myonen zerfallen, oder die Kaonen können direkt in ein Myon zerfallen (siehe Tabelle 3).
Myonen selbst zeigen hohe kinetische Energien und unterliegen nur der elektromagnetischen Wechselwirkung, sodass die Intensität mit der Eindringtiefe nur vergleichsweise langsam abnimmt. Daher sind die Myonen Teil der durchdringenden Komponente der sekundären kosmischen Strahlung. Die integrale Intensität für die durchdringende Komponente ist nach[10] mit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
gegeben. Um die Abhängigkeit vom Raumwinkel zu eliminieren, wird die integrale Intensität durch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
genähert[10]. Diese ist jedoch nur als Näherung anzusehen, da aufgrund der Anisotropie durch den Ost-West-Effekt die Intensität abhängig von der Ausrichtung des Detektors zum Erdmagnetfeld ist.
Mit 80% aller geladenen Teilchen stellen Myonen den größten Anteil auf Meeresniveau dar[5]. Die restlichen 20% bilden Elektronen mit etwa 19% und Hadronen mit etwa 1%. Aus den unterschiedlichen Eindringtiefen der verschiedenen Komponenten ist ersichtlich, dass der hauptsächliche Anteil der auf der Erdoberfläche zu detektierenden Strahlung, wie der Name schon sagt, aus der durchdringenden Komponente, also aus Myonen und Neutrinos, besteht. Vor allem die Myonen nehmen in der folgenden Ausarbeitung eine gesonderte Stellung ein.
Die kosmische Strahlung erlaubt es also nicht nur, direkte Informationen aus dem interstellaren Raum und Vorgängen auf Sternen zu erhalten, sondern ist quasi ein natürlicher Teilchenbeschleuniger. Noch bevor die Ära der Teilchenbeschleuniger in der Physik Einzug erhielt, erlaubte diese die Untersuchung von Elementarteil- chen höchster Energie. So werden der Untersuchung der kosmischen Strahlung vie- le wichtige Fortschritte und Entdeckung der Elementarteilchenphysik verdankt.
2.3.4 Allgemeine Abhängigkeit des Intensitätsverlaufs der geladenen Komponente von Energie und Zenitwinkel
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, ist die Energieverteilung der kosmischen Primärstrahlung keineswegs homogen. Der Fluss der Teilchen mit bestimmter Energie folgt dabei einem Potenzgesetz[8]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Energiespektrum der geladenen Komponente der kosmischen Strahlung ist in Abbildung 4 zu sehen. Dieses erstreckt sich über viele Größenordnungen und fällt dabei zu den höchsten Energien hin stark ab. Bei niedrigen Energien ist der Verlauf flacher, weil das Erdmagnetfeld die Teilchen teilweise abschirmt (geomagnetischer Cutt-Off). Die untere Schranke der Teilchenenergie ist dabei abhängig von der Art der Teilchen und der geographischen Breite.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Zusammenfassung der Messdaten verschiedener Experimente zur Er- mittlung des Energiespektrums der kosmischen Strahlung [12].
So liegt zum Beispiel die untere Grenze der Protonenenergie in mittleren Breiten bei etwa 3 · 109 eV [8]. Für Energien oberhalb von 30 GeV ist der Einfluss des Erd- magnetfelds geringer. Zwischen 30 GeV und 10[14] eV kann der Exponent des Po- tenzgesetzes mit γ = 2 , 7 [8] genähert werden. Bei etwa 1014 eV zeigt sich das so- genannte Knie (Abbildung 4) und der Exponent des Potenzgesetzes liegt bei γ = 3 [8] bis zu Energien von 1019 eV. Hin zu größeren Energien (1019 eV) verläuft das Spektrum wieder flacher, dies wird auch als Knöchel (ankle) bezeichnet.
Bei Energie größer als 1020 eV ist die Teilchenzahl so gering, dass es keine eindeutigen experimentellen Ergebnisse mehr gibt, sodass der Exponent des Potenzgesetzes unklar ist. Es wird angenommen, dass die maximale obere Schranke der Energie der Höhenstrahlung bei 1020 eV liegt, diese wird auch als (Greisen-Zatsepin-Kuzmin)- Cutoff bezeichnet [5]. Von wissenschaftlichen Aufbauten, wie dem Auger-Experiment in Argentinien, werden dahingehend neue Erkenntnisse erhofft [13].
Neben dem Fluss der Teilchen in Abhängigkeit von der Energie ist die Intensi- tät des Teilchenflusses auch abhängig vom Einfallswinkel zur Erdoberfläche. Wer- den Teilchen der kosmischen Strahlung betrachtet, die senkrecht zur Erdoberfläche einfallen, so müssen diese den kürzesten Weg zwischen den oberen Atmosphären- schichten und der Erdoberfläche zurücklegen. Teilchen, die unter einem bestimmten Zenitwinkel Θ einfallen, müssen entsprechend einen längeren Weg zurücklegen.
Es zeigt sich also, dass die Intensität eine Winkelabhängigkeit aufweist. Experimentell wurde gezeigt, dass der totale Myonenfluss in Abhängigkeit vom Zenitwinkel der Gleichung (3.2.) folgt[5]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Variable n ist eine impulsabhängige Variable.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Abhängigkeit des Teilchenimpulses vom Exponenten n für eine Win- kelabhängigkeit des Myonenflusses gemäß Gleichung (3.2) [14].
In Abbildung 5 ist diese Näherung der impulsabhängigen Variable n aufgezeigt. Für die von uns hauptsächlich nachgewiesenen Myonen mit Energien E μ < 1 GeV gilt also n ≈ 2 , 00[5].
Zusätzlich zur eigentlichen Intensitätsabhängigkeit vom Zenitwinkel zeigen sich weitere Auffälligkeiten, die im Folgenden behandelt werden
2.3.5 Inklinationseffekte
Da jedes geladene Teilchen, welches sich im Magnetfeld bewegt, der Lorentzkraft unterliegt, werden die Teilchen entsprechend ihrer Ladung, ihrer Bewegung relativ zum Erdmagnetfeld und ihres Impulses mehr oder weniger stark durch das Erdmagnetfeld beeinflusst. Für die Lorentzkraft gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus der Definiton des Kreuzprodukts folgt, dass die volle Komponente der Lorentz- kraft senkrecht zur Bewegungsrichtung wirkt und demnach Teilchen, die senkrecht zum homogenen Magnetfeld einfallen, auf eine Kreisbahn mit dem Radius:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
gezwungen werden.
[...]
- Quote paper
- Tobias Kutsch (Author), 2015, Messung der Kosmischen Höhenstrahlung mit Kamiokanne-Detektoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/369969