Diese Arbeit thematisiert die Belehrungspflichten in der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Besonders berücksichtigt werden dabei die wesensbedingte Schlechterstellung des Beschuldigten samt der daraus erwachsenen Notwendigkeit einer "ausgleichenden" Belehrung, die (verfassungs-)rechtliche Herleitung der Belehrungspflicht im nationalen und supranationalen Recht und die konkreten Anforderungen an Inhalt, Umfang und praktischer Umsetzung der Belehrung. Außerdem angesprochen werden die Rechtsfolgen unterlassener Belehrung, insbesondere im Hinblick auf die Verwertbarkeit unbelehrt getätigter Aussagen. Darüber hinaus gibt die Arbeit eine Übersicht der Kritik an der vom BGH entwickelten "Widerspruchslösung".
Inhaltsverzeichnis
- A] DIE BESCHULDIGTENVERNEHMUNG
- I. DIE DOPPELFUNKTION DER VERNEHMUNG
- II. BEDEUTUNG DER POLIZEIVERNEHMUNG FÜR VERLAUF UND AUSGANG DES STRAFVERFAHRENS
- 1. Eröffnung der Hauptverhandlung
- 2. Verwertbarkeit in der Hauptverhandlung
- a) Verwertbarkeit des Vernehmungsprotokolls
- b) Vernehmung des Polizeibeamten als Zeugen vom Hörensagen
- B] DIE BESCHULDIGTENBELEHRUNG
- I. SPANNUNGSFELD ZWISCHEN BESCHULDIGTENRECHTEN UND DEN VERFAHRENSZIELEN DER SACHAUFKLÄRUNG UND WAHRHEITSFINDUNG
- II. DIE SCHAFFUNG GLEICHWERTIGER VERHÄLTNISSE ALS ÜBERGEORDNETES ZIEL DER BELEHRUNGSVERPFLICHTUNG
- 1. Die psychologische Ausgangssituation
- 2. Schutzzwecke der Belehrung
- a) Die Belehrung als Kenntnisverschaffung
- b) Die Belehrung als Verhaltens- und Wertungsmaßstab
- c) Die Belehrung als Übereilungsschutz
- d) Waffengleichheit als übergeordnetes Belehrungsziel
- III. NORMATIVE RECHTSGRUNDLAGEN
- C] ENTSTEHUNG DER BELEHRUNGSPFLICHT
- I. PERSONALES ERFORDERNIS – DER BESCHULDIGTE
- 1. Der strafprozessuale Beschuldigtenbegriff
- a) Der Anfangsverdacht
- b) Inkulpationsakt der Strafverfolgungsbehörden
- 2. Problematiken im Zusammenhang mit der Beschuldigteneigenschaft
- a) Abgrenzung zum tatverdächtigen Zeugen
- b) Informatorische Befragungen
- c) Die bewusste Umgehung der Belehrungspflicht
- II. SACHLICHES ERFORDERNIS – DIE VERNEHMUNG
- 1. Der Vernehmungsbegriff
- 2. Problematiken im Zusammenhang mit der Vernehmung
- a) Spontanäußerungen des Beschuldigten
- b) Der Einsatz verdeckter Ermittler
- c) Der Einsatz von Hörfallen
- D] INHALT UND UMFANG DER BELEHRUNGSPFLICHT
- I. ERÖFFNUNG DES TATVORWURFS
- II. BELEHRUNG ÜBER DIE AUSSAGEFREIHEIT
- III. BELEHRUNG ÜBER DAS RECHT AUF VERTEIDIGERKONSULTATION
- IV. BELEHRUNG ÜBER ANTRAGSRECHTE
- V. VERWEIS AUF SCHRIFTLICHE ÄUßERUNG UND TÄTER-OPFER-AUSGLEICH
- E] RECHTSFOLGEN UNTERLASSENER BELEHRUNG
- I. DIE WIDERSPRUCHSLÖSUNG
- 1. Formale Anforderungen an den Widerspruch
- 2. Folgen einer Kenntnis der Belehrungsinhalte
- 3. Kritik an der Widerspruchslösung
- a) Defizitäre Begründung der Rechtsdogmatik
- b) Überschreitung der Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung
- c) Unzulässige Mitwirkungspflicht des Angeklagten und des Verteidigers
- d) Zurechnung von Verteidigerverschulden
- e) Umstrittene Dogmatik der Widerspruchslösung
- aa) Der Widerspruch als Tatbestandsvoraussetzung
- bb) Der Widerspruch als Verzicht
- cc) Der Widerspruch als strafprozessuale Einrede
- dd) Der Widerspruch als Obliegenheitsverletzung
- 4. Eigene Stellungnahme
- II. VERSTÖßE GEGEN ANDERE BELEHRUNGSPFLICHTEN
- Psychologische Aspekte der Vernehmungssituation
- Schutzzwecke der Belehrungspflichten
- Die Widerspruchslösung und ihre Kritik
- Verwertbarkeit von Aussagen im Strafprozess
- Der strafprozessuale Beschuldigtenbegriff und seine Abgrenzung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die polizeilichen Belehrungspflichten in der Beschuldigtenvernehmung. Dabei steht die ungleiche Beziehung zwischen Polizeibeamten und Beschuldigten im Mittelpunkt. Die Arbeit analysiert das Spannungsfeld zwischen Beschuldigtenrechten und den verfahrensrechtlichen Zielen der Sachaufklärung und Wahrheitsfindung, beleuchtet die Schutzzwecke der Belehrungspflichten und analysiert die Rechtsfolgen unterlassener Belehrung.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Doppelfunktion der polizeilichen Vernehmung, die einerseits dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt und andererseits der Sachaufklärung dient. Der zweite Teil beleuchtet die Bedeutung der Vernehmung für den Verlauf und Ausgang des Strafverfahrens. Kapitel 3 behandelt die Belehrungspflichten und ihre Schutzzwecke. Der Fokus liegt auf der Schaffung gleichwertiger Verhältnisse zwischen Polizeibeamten und Beschuldigten. Das vierte Kapitel beleuchtet die Entstehung der Belehrungspflicht und setzt sich mit der Abgrenzung zum tatverdächtigen Zeugen auseinander. Abschließend werden in Kapitel 5 die Rechtsfolgen unterlassener Belehrung dargestellt, wobei die Widerspruchslösung im Mittelpunkt steht. Die Kritik an der Widerspruchslösung und die Verstöße gegen andere Belehrungspflichten werden ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem deutschen Strafprozessrecht und konzentriert sich auf die polizeilichen Belehrungspflichten in der Beschuldigtenvernehmung. Schlüsselbegriffe sind: Beschuldigter, Aussagefreiheit, Selbstbelastungsfreiheit, Verteidigerkonsultation, Anfangsverdacht, Inkulpationsakt, Verwertungsverbot, Widerspruchslösung, fair-trial-Prinzip, Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung, Sachaufklärung, Wahrheitsfindung, Rechtsstaatlichkeit, Waffengleichheit.
- Arbeit zitieren
- Jean-Marc Chastenier (Autor:in), 2016, Die Belehrungspflichten in der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/350625