Es handelt sich um das Protokoll zum Versuch "Bestimmung der duchschnittlichen Lebensdauer von Myonen" aus dem fortgeschrittenen Praktikum für Physiker.
Im durchgeführten Experiment wurde mithilfe der Daten aus einer mehrtägigen Langzeitmessung die mittlere Lebensdauer von Myonen gemessen. Für die Messung wurden auf natürliche Weise, in der oberen Atmosphäre entstandene Myonen betrachtet. Die theoretischen Grundlagen zur Entstehung von Myonen und ihrem Verhalten werden im Theorie-Teil erläutert.
Inhaltsverzeichnis
1 Theorie
1.1 Das Myon
1.2 Die Lebensdauer
1.3 Szintillatoren
1.4 Photomultiplier
2 Maximum-Likelihood-Methode [3]
2.1 ML-Schätzer für λ einer exponentialverteilten Grundgesamtheit
3 Aufbau
4 Durchführung und Auswertung
4.1 Einstellen des Arbeitspunktes
4.2 Überprüfen der Diskriminatoreinstellungen
5 Effzienz der Szintillatoren
6 Messung des Delay-Ein usses
7 Hauptmessung
8 Fazit
Abbildungsverzeichnis
1 Schematischer Aufbau eines Photomultipliers [2]
2 Schematischer Versuchsaufbau mit Detektoren und Messelektronik [4]
3 Ereignisse gegen Spannung beim Szintillator
4 Ereignisse gegen Spannung beim Szintillator
5 Ereignisse gegen Spannung beim gleichzeitigen Variieren
6 Übersetzung des Szintillatorsignals per Diskriminator
7 3-Fach Übersetzung mit falschem Signal (rechts)
8 Signale bei nur statischem Delay
9 Signale bei Delayeinstellung 32 ns
10 Histogramm der Hauptmessung
11 Maximum der Log-Likelihood-Funktion
12 Histogramm und resultierender Fit
Tabellenverzeichnis
1 Messwerte der Arbeitspunktmessung
2 Messwerte und zugehörige E zienz
3 Satische Delays durch Signalführung
4 Messwerte der Zählrate für verschiedene Delays
5 Mögliche Start-Stopp Logikschaltungen (Die Zahlen stehen für die einzelnen Szintillatoren)
Abstract (Kurzbeschreibung)
In diesem Versuch wurde ein einfacher Aufbau aus Szintilla- tionszählern und Photomultipliern dazu benutzt die Lebens- dauer von Myonen aus der Höhenstrahlung zu bestimmen. Die ca. 3 Tage andauernde Messung führte zu einer mittleren Lebensdauer von T = 1, 6265µs mit statistischem Fehler von 0, 0004µs.
Durchgeführt am: 11.03.2016 Protokollfertigstellung: 25.03.2016
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Theorie
1.1 Das Myon
Das Myon ist ein instabiles Elementarteilchen, das zu den Leptonen gehört und eng mit dem Elektron verwandt ist. Es verfügt über die gleiche elektrische Ladung wie das Elektron, besitzt jedoch eine ca. 200 Mal gröÿere Masse. Myonen entste- hen in über 10km Höhe in den äuÿeren Schichten der Atmosphäre durch Zerfälle von Pionen und Kaonen, die wiederum von hochenergetischen Teilchen aus dem Weltall erzeugt werden, die mit den Molekülen in der Atmosphäre kollidieren. Da Kaonen über mehrere Zerfallsmöglichkeiten verfügen, sei hier als Beispiel nur der einfachere Pionen Zerfall angegeben:
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Die so entstandenen Myonen zerfallen selbst mit einer Lebensdauer von 2, 2·10−[6]s [1] nach folgendem Schema:
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Antipionen und Antimyonen zerfallen in die entsprechenden Antiteilchen.
Bei ihrer Entstehung verfügen die Myonen mit ca. 99% Lichtgeschwindigkeit über eine sehr hohe Geschwindigkeit, trotzdem würden sie bereits nach 600m ihre mitt- lere Lebensdauer erreichen und die Intensität an Myonen somit auf ca. 37% abfal- len. Auf der Erdober äche, die mehr als 10km von ihrem Entstehungsort entfernt ist, die sie erst nach ihrer 17-fachen Lebensdauer erreichen, würden nur noch kaum messbare Mengen an Myonen ankommen, nämlich ca. 0,000004% der ursprüng- lichen Intensität. Tatsächlich gemessen werden auf der Erdober äche allerdings ca. 200 Myonen pro Sekunde und Quadratmeter, was ein um mehrere Gröÿen- ordnungen höherer Wert ist, als der klassisch berechnete. Dieses Phänomen ist eine direkte Folge der speziellen Relativitätstheorie und lässt sich durch die Zeit- dilatation erklären, durch ihre hohe relativistische Geschwindigkeit vergeht die Zeit für die Myonen nämlich ca. um den Faktor 20 langsamer. Im Laborsystem vergehen also ca. 50µs bis die Myonen ihre Lebensdauer von 2, 2µs erreichen, da sie in dieser Zeit ungefähr 15km zurücklegen können, erreicht ein groÿer Teil der Myonen die Erdober äche. Der Faktor der Zeitdilatation berechnet sich mit:
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1.2 Die Lebensdauer
Die Lebensdauer ist ähnlich wie die Halbwertszeit ein leicht verständliches Maÿ für die Stabilität statistisch zerfallender Teilchen. Die Lebensdauer gibt die Zeit an, nach der die Anzahl der Teilchen auf e des ursprünglichen Wertesgefallenist, die Halbwertszeit die Zeit, bis die Anzahl um die Hälfte gefallen ist. Mathematisch berechnen sich beide aus der Zerfallskonstante λ, mit der man Zerfallsprozesse beschreiben kann. In aller Regel folgen physikalische Zerfälle einer Exponentialfunktion und es gilt für die Stomenge:
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Für die Lebensdauer T und die Halbwertszeit T 1 gilt dann:
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Von Bedeutung sind beide Gröÿen, da es einfache allgemeingültige Aussagen zum Verhalten aller Teilchen im System sind, obwohl jedes Teilchen eine nicht vorhersehbare individuelle Lebensdauer besitzt.
1.3 Szintillatoren
Szintillatoren sind prinzipiell alle Sto e, die eine Wahrscheinlichkeit haben, ein Photon zu emittieren, wenn sie von hochenergetischen Teilchen oder Strahlung durch ogen bzw. getro en werden. Man unterscheidet zwischen anorganischen Szintillatoren, die immer kristallförmig sind und organischen Szintillatoren, die kristallin, üssig oder polymer seien können. Da im Versuch polymere organische Szintillatoren benutzt wurden, wird im Folgenden nur auf diese weiter eingegan- gen.
Polymere Szintillatoren haben besonders gegenüber anorganischen Kristallen eini- ge nennenswerte Vorteile, sie sind thermoplastisch verformbar, stoÿunemp ndlich und billiger in der Herstellung, weisen jedoch meist geringere E zienzen auf und sind ungeeignet zur Messung von hochenergetischen Photonen. Das Funktions- prinzip beruht auf den π-Bindungsorbitalen von meist aromatischen organischen Molekülen. Die Elektronen der Bindung werden durch Stöÿe mit hochenergeti- schen Teilchen in höhere Energiezustände, sogenannte Fluoreszenznivaues beför- dert, fallen jedoch nach wenigen ns unter Emission eines Photons in den Grund- zustand zurück. Das hochenergetische Teilchen wird von dem Stoÿ quasi nicht beein usst, da nur wenige eV an Energie auf das Elektron übertragen werden.
Prinzipiell ist es für das Funktionsprinzip egal, ob das Fluorophor selbst Teil der Polymerkette ist oder dem Kunststo nur zugesetzt wurde, jedoch erreicht man deutlich höhere Emp ndlichkeiten, wenn die Polymerkette selbst Fluoreszenzfä- hig ist, da so eine höhere Sto mengenkonzentration des Fluorophor im Kunst- sto erreicht werden kann. Ein Problem der organischen Szintillatoren war lange Zeit, dass für diesen Prozess emp ndliche Fluorophore hauptsächlich ultraviolet- tes Licht abgeben, welches in organischen Materialien allerdings eine sehr geringe Reichweite hat, deswegen mussten polymeren Szintillatoren zusätzlich sogenannte Wellenlängenschieber, z.B. POPOP zugesetzt werden. Dies sind ebenfalls uores- zente Moleküle die durch UV-Strahlung angeregt werden können und Photonen im sichtbaren Spektrum emittieren, für die das Szintillatormaterial durchsichtig ist. Dies hat zur Folge, das ein vom primären Fluorophor emittiertes Photon in- nerhalb weniger cm auf ein Wellenlängenschieber-Molekül tre en muss, bevor es detektiert werden kann. Dies senkt zum einen die statistische Wahrscheinlich- keit der Registrierung eines Ereignisses, also die Emp ndlichkeit und erhöht zum anderen die Herstellungskosten. Dieses Problem kann mittlerweile durch Verwen- dung moderner Polymere, die direkt Photonen im sichtbaren Bereich emittieren umgangen werden, was eine hohe Emp ndlichkeit und E zienz mit geringen Pro- duktionskosten verbindet.
1.4 Photomultiplier
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Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines Photomultipliers [2]
Der Photomultiplier ist ein elementarer Bestandteil des Versuchsaufbaus, da in den Szintillatoren nur einzelne, bzw. äuÿerst geringe Anzahlen von Photonen erzeugt werden, diese jedoch zuverlässig nachgewiesen werden können müssen.
Ein Photomultiplier besteht üblicherweise aus einer Photokathode, die aus ein- fallenden Photonen durch den Photoe ekt Elektronen freisetzt. Das Material der Photokathode sollte hier so gewählt werden, dass sie für die Energie der im Ver- such entstehenden Photonen sensibel ist. Die freien Elektronen be nden sich nun in einer evakuierten Glasröhre und werden durch ein dort angelegtes positives Potential auf die erste Dynode beschleunigt. An der Dynode angekommen ist die kinetische Energie des Elektrons so groÿ, dass es aus der Ober äche der Dynode zwischen 3 und 10 Sekundärelektronen herausschlägt. Da die benachbar- ten Dynoden auf zunehmend positiven Potentialen liegen werden die Elektronen von Dynode zu Dynode beschleunigt, wobei ihre Anzahl exponentiell zunimmt. Nach der letzten Vervielfältigungsdynode tre en die Elektronen auf eine Anode und ieÿen über einen Ausgangswiderstand zur Erde ab, dabei tritt ein messbarer Spannungsabfall auf, welcher als relatives Maÿ für die Anzahl der ursprünglichen Photonen dient.
2 Maximum-Likelihood-Methode [3]
Dieses Verfahren ist das wichtigste zur Gewinnung von Schätzfunktionen für die Parameter einer Verteilung. Man nennt diese Methode auch Methode der maximalen Mutmaÿlichkeit bzw. Gröÿte-Dichte-Methode.
Die diskrete bzw. stetige Zufallsvariablen X; in der Grundgesamtheit habe die Wahrscheinlichkeitsfunktion bzw. die Dichtefunktion f (x|ϑ). Die Verteilung muss vom Typ her bekannt sein, was eine wichtige Voraussetzung der Maximum - Like- lihood - Methode ist. Diese Verteilung hängt von einem unbekannten Parameter ϑ ab.
Beispiel 1:
So muss z.B. bekannt sein, dass die Grundgesamtheit binomialverteilt ist. Dann ist f (x|ϑ) die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Binomialverteilung B(n; π), die von dem Parameter π abhängt, denn für verschiedene Werte von π ergeben sich unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für die Realisationen von X;.
Beispiel 2:
Es ist bekannt, dass die Zufallsvariable X; in der Grundgesamtheit normalverteilt ist, d.h. f (x|ϑ) ist die Dichtefunktion der Normalverteilung. Die Normalverteilung hängt von den Parametern µ und σ[2] ab, von denen z.B. der Erwartungswert E(X) = µ unbekannt ist.
Aus der Grundgesamtheit wird eine einfache Zufallsstichprobe (Xi, . . . , Xn) vom Umfang n gezogen. Damit sind die Stichprobenvariablen unabhängig und identisch verteilt wie X in der Grundgesamtheit:
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Die gemeinsame Verteilung aller Stichprobenvariablen ergibt sich aufgrund der Unabhängigkeit als das Produkt der einzelnen Verteilungen:
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Vor der Ziehung der Stichprobe ist f (xi, . . . , xn|ϑ) für diskrete Variablen die Wahrscheinlichkeit dafür, eine Stichprobe (xi, . . . , xn) bei festem (unbekanntem) Parameter ϑ zu erhalten. Bei stetigen Variablen tritt an die Stelle der Wahrscheinlichkeit eine stetige Dichte.
f (xi, . . . , xn|ϑ) hängt sowohl von den konkreten Realisierungen xi, . . . , xn der Stichprobenvariablen als auch vom unbekannten Parameter ϑ ab. Nach der Ziehung der Stichprobe liegen die Stichprobenwerte fest vor. Dann hängt das Produkt f (xi, . . . , xn|ϑ) nur noch von dem Parameter ϑ ab. Um dies zu verdeutlichen, schreibt man
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Diese Funktion L(ϑ) heiÿt Likelihood - Funktion von ϑ und ist das Produkt von n identischen Wahrscheinlichkeits- bzw. Dichtefunktionen der Stichprobenvariablen. Für jeden möglichen Wert ϑ gibt L(ϑ) die Wahrscheinlichkeit für die konkret realisierte Stichprobe (xi, . . . , xn) an.
Das Prinzip der Maximum-Likelihood-Methode zur Konstruktion von Schätzfunktionen besteht nun darin, denjenigen Wert ϑ zu nden, für den die LikelihoodFunktion ihr Maximum annimmt:
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Zur konkreten Stichprobe (xi, . . . , xn) wird somit derjenige Parameterwert ϑ ge- sucht, der die plausibelste Erklärung für die Realisierung dieser Stichprobenwerte liefert.
Unter bestimmten Voraussetzungen hat L(ϑ) bei festen Werten xi, . . . , xn genau ein Maximum.
Notwendige Bedingung für das Erreichen eines Maximums ist das Verschwinden der ersten Ableitung von L(ϑ) nach ϑ:
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- Quote paper
- Marvin Kemper (Author), Tim Spürkel (Author), 2016, Bestimmung der durchschnittlichen Lebensdauer von Myonen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/344757