Nur von wenigen mittelalterlichen Werken kann man sagen, dass sie bis in die Neuzeit beliebt und bekannt blieben und immer wieder neu bearbeitet wurden. Die Geschichte des Herzog Ernst ist bis heute populär und liegt in vier deutschen, noch dem Mittelalter zugehörigen Fassungen ( A,B, D, G) , sowie drei lateinischen (C, Erf. und E, welche eine lateinische Hexameterdichtung Odos von Magdeburg darstellt - dieser ist der einzige namentlich bekannte Dichter eine Herzog Ernst Bearbeitung) und zwei neuhochdeutschen Bearbeitungen von Ludwig Uhland und Peter Hacks vor. Die Beliebtheit des Stoffes ist Resultat der Stoffgeschichte und ergibt sich aus dem Nebeneinander von Reichsgeschichte und orientalischer Märchenwelt.
Trotz der Umgestaltungen, die die Kerngeschichte mit den zahlreichen Bearbeitungen erfahren hat, bleibt der Konsens der Geschichte durch die Jahrhunderte erhalten. Das Nebeneinander von der Empörergeschichte des unschuldig in Not geratenen Herzog Ernst, und den Abenteuern desselben in einem geheimnisvollen Orient sprechen das Publikum bis heute an, was die neuzeitlichen Bearbeitungen Ludwig Uhlands, oder in neuester Zeit Peter Hacks´, zeigen.
Die allgemeine Beliebtheit des Stoffes, der über die Literatur hinausgeht, beweist der Zeichentrickfilm „Herzog Ernst“ von Lutz Dammbeck aus dem Jahre 1999. Die germanistische Forschung richtet ihr Interesse bis heute auf die zahlreichen Gestaltungen der Herzog - Ernst - Geschichte.
Frühere Forschungen seit dem 19. Jahrhundert fokussierten ihren Gegenstand nur auf den reichsgeschichtlichen Teil des Werkes, während der – auch zeilenmässig überwiegende – Orientteil nahezu unberücksichtigt blieb.
Noch 1941 bearbeitet Max Wetter in „Quellen und Werk des Ernstdichters“ nur den reichsgeschichtlichen Teil und lässt den Orientteil vollständig aus.
Erst in den sechziger Jahren unterzieht Hans Szklenar auch dem Orientteil einer Interpretation, weitere Werke unter diesem Gesichtspunkt folgen.
In der jüngeren Forschung wird der Orientteil bevorzugt analysiert, während der reichsgeschichtliche Teil meist der Legitimierung Ernsts für seine Reise in den Orient dient. Jasmin Scharam-Rühl fasst die Bedeutung des reichsgeschichtlichen Teils zusammen: „Die erschlossene `Kernfabel` bildet […] einen Rahmen um die Abenteuergeschichte.“
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die literargeschichtliche Rezeption des Herzog Ernst
- Überlieferung und Entstehung
- Vorgehensweise
- Teil I Die Vorgeschichte - Herzog Ernst im deutschen Reich
- Der Kampf gegen Kaiser und Reich
- Die Gründe für den Kreuzzug
- Der Kreuzzugsorient und die unbekannten Länder
- Die Ebstorfer Weltkarte
- Visualisierung des Weges anhand der Ebstorfer Weltkarte
- Die Bedeutung des Kreuzzugsweges im Handlungsverlauf
- Teil II Herzog Ernst im Orient
- Zur Darstellung des Orients im Mittelalter
- Der unbekannte Orient
- Zur Tradition der Wunderwesen
- Herzog Ernst in Grippîa
- Die Grippîaner - Mischwesen aus der Phantasie des Dichters?
- Herzog Ernsts Bewährung in Grippîa
- Zur Bestrafung der Sünden in Grippîa
- Ernsts Versagen in Grippîa
- Der Magnetberg
- Der Kampf gegen die Wesen im fabulösen Orient
- Das Land der Einsterne - die Arimaspi
- Der Kampf gegen die `Plathüeve`
- Der Kampf gegen die `Ôren`
- Der Kampf der Pygmäen gegen Kraniche
- Die Riesen von Cânâan
- Erneute Flucht - Ernst verlässt die Arimaspi
- Bewährung oder Ehrbeweis? - Das Ende der Orientfahrt
- Teil III - Der Weg zurück ins Reich – Môrlant und Jerusalem
- Zurück in der realen Welt – der König von Babylon
- Das Ziel der Reise – Jerusalem
- Die Rückkehr ins Reich
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit der Orientdarstellung in der mittelhochdeutschen Dichtung "Herzog Ernst". Ziel ist es, die literarische Gestaltung des Orients im Werk zu analysieren und seine Bedeutung innerhalb des Handlungsgefüges zu beleuchten.
- Rezeption und Überlieferung des "Herzog Ernst" im Mittelalter und Neuzeit
- Die Rolle des Orients in der Geschichte des Herzog Ernst
- Darstellung von Wunderwesen und mythischen Gestalten im Orientteil des Werkes
- Analyse der Bedeutung von "Herzog Ernsts" Reisen und Kämpfen im Orient
- Verknüpfung des Orients mit den historischen Begebenheiten des Reichsgeschichtlichen Teils
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Werk "Herzog Ernst" und beleuchtet dessen literarhistorische Rezeption sowie die unterschiedlichen Fassungen. Die Kapitel 1.1 - 1.3.3 befassen sich mit der Vorgeschichte des Herzog Ernst im deutschen Reich. Im Mittelpunkt steht der Kampf des Herzogs gegen Kaiser und Reich sowie die Gründe für seinen Kreuzzug. Anschließend werden die Darstellung des Orients im Mittelalter und die Tradition von Wunderwesen untersucht.
Die Kapitel 2.3.1 - 2.6 thematisieren Herzog Ernsts Abenteuer in Grippîa und schildern seine Begegnungen mit den mythischen Wesen des Orients. In den folgenden Kapiteln wird die Bedeutung des Orients für die Handlung des Werkes sowie die Verknüpfung mit der historischen Realität des Reichsgeschichtlichen Teils untersucht. Die Arbeit endet mit einer Schlussbemerkung, in der die Erkenntnisse der Analyse zusammengefasst werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie der Orientdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, der Rezeption des "Herzog Ernst", der Rolle von Wunderwesen und Mythen in der Handlung, der Verknüpfung von literarischem Orient und historischer Realität sowie dem Einfluss des Kreuzzugs auf die Handlung des Werkes.
- Quote paper
- Nadia Hamdan (Author), 2004, Die Orientdarstellung im Herzog Ernst B, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/34364