Sigrid Chamberlains Buch „Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. Über zwei NS-Erziehungsbücher“ hat mich tief bewegt. Ihre Zitate aus Johanna Haarers Erziehungsratgebern aus der NS-Zeit machten mich wütend. Ich fragte mich, wie eine offensichtliche Kinder-Hasserin, die das Kind als ihren Gegner ansieht, einen Erziehungsratgeber schreiben kann? Es ist auffallend, dass Johanna Haarer keine pädagogische Ausbildung genossen hat. Sie war Lungenfachärztin und nicht einmal auf Kinderheilkunde spezialisiert (Publik-Forum 2008, S.57).
Liest man ihre Erziehungsratgeber im Original, fällt eines sofort auf: Haarer benutzt oft die Befehlsform. Nun kann es sein, dass dies in ihrer Zeit eben so gebräuchlich war, ich halte es nicht für die beste Methode, einen Ratgeber zu schreiben. Haarers Bücher gleichen eher einer Handlungsanweisung. Es scheint, als wolle sie der (werdenden) Mutter Vorschriften machen, wie sie ihr Kind zu behandeln habe, als befehle sie ihr, so zu handeln und nicht anders. Die Leserin bekommt das Gefühl, dass jegliches abweichendes Verhalten falsch sei. Haarer scheint nicht damit zu rechnen, dass ihre Leserin ihre Ratschläge hinterfragt oder sich eigene Vorstellungen von Erziehung macht. Ihre eigenen Anweisungen scheinen die einzigen zu sein, die für Haarer gelten.
Welche Auswirkungen die Umsetzung dieser Anweisungen auf die Entwicklung des Kindes haben, möchte ich auf den folgenden Seiten untersuchen.
Chamberlain hat die Kapitel in ihrem Buch nach Themen geordnet, ich werde chronologisch nach dem Alter des Kindes vorgehen, da ich dies für übersichtlicher halte. Das bedeutet, im ersten Kapitel wird es um das Kind von null bis sechs Monaten gehen: Wie soll das Kind laut Haarer gestillt, getragen und behandelt werden? Wie beurteilt Chamberlain Haarers Ratschläge? Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit dem älteren Kind von einem bis zweieinhalb Jahren, beschränkt auf die Sauberkeitserziehung, das Füttern und das Strafen.
Im dritten Kapitel werde ich auf Fragen nach den Folgen der nationalsozialistischen Erziehung eingehen. Außerdem untersuche ich, welche Gründe Johanna Haarer und Sigrid Chamberlain hatten, ihre Bücher zu schreiben. Eine wichtige Quelle hierfür ist ein Interview mit Sigrid Chamberlain, das 2008 in der Zeitschrift „Publik Forum. Zeitung kritischer Christen“ erschienen ist.
Inhaltsverzeichnis
- Die Todesangst des Säuglings
- Trennung von Mutter und Kind
- Regelmäßiges Stillen
- Fehlender Augen- und Körperkontakt
- Füttern und Essen
- Das fremdbestimmte Kleinkind
- Sauberkeitserziehung
- Strafen
- Intentionen der Autorinnen
- Gründe für eine nationalsozialistische Erziehung
- Folgen der nationalsozialistischen Erziehung
- Wurde Haarer missverstanden?
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Johanna Haarers Erziehungsratgeber aus der NS-Zeit, wie sie von Sigrid Chamberlain in ihrem Buch „Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ dargestellt werden. Die Arbeit untersucht die Auswirkungen dieser Erziehungsvorschläge auf die Entwicklung des Kindes, insbesondere im Hinblick auf die Trennung von Mutter und Kind, die Begrenzung von Nähe und Zärtlichkeit sowie die fehlende Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kleinkindes.
- Trennung von Mutter und Kind in den ersten Lebensmonaten
- Fehlende Empathie und Wertschätzung des Kleinkindes in Haarers Ratgebern
- Kritik an Haarers Erziehungsmethoden aus psychologischer und pädagogischer Sicht
- Analyse der Intentionen der Autorinnen, Haarer und Chamberlain, und ihrer jeweiligen Ziele
- Mögliche Folgen der nationalsozialistischen Erziehung auf die Entwicklung des Kindes
Zusammenfassung der Kapitel
1. Die Todesangst des Säuglings
Dieses Kapitel beleuchtet die Trennung von Mutter und Kind nach Haarers Empfehlungen direkt nach der Geburt, die Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Bindung und die Folgen für das Kind, das in seiner Entwicklungsphase allein gelassen wird. Kritisiert werden Haarers Anweisungen, das Kind im ersten Lebensjahr weitgehend allein zu lassen und sein Schreien zu ignorieren.
2. Das fremdbestimmte Kleinkind
Das Kapitel untersucht Haarers Empfehlungen zur Sauberkeitserziehung und Strafen im Kleinkindalter. Es werden die fehlende Berücksichtigung der kindlichen Entwicklung und die rigiden Anweisungen kritisiert, die zu einem autoritären Erziehungsstil führen.
3. Intentionen der Autorinnen
Dieses Kapitel befasst sich mit den Gründen für die Veröffentlichung von Haarers Erziehungsratgebern und den Intentionen Chamberlains, diese zu analysieren. Es werden die politischen und ideologischen Hintergründe beleuchtet und die unterschiedlichen Ansätze der beiden Autorinnen im Hinblick auf die Erziehungsvorstellungen der NS-Zeit diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Erziehungsvorstellungen Johanna Haarers im Kontext der NS-Zeit, die Trennung von Mutter und Kind, die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes, die fehlende Berücksichtigung der kindlichen Bedürfnisse, die Analyse der Intentionen der Autorinnen sowie die Folgen nationalsozialistischer Erziehungspraktiken.
- Quote paper
- Annika Fleischmann (Author), 2010, Kleinkindererziehung in der NS-Zeit und ihre Folgen für die Betroffenen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/337021