Die folgende Untersuchung über das Verhältnis und den Einfluß der Rhetorik auf das Werk Georg Büchners (1813 - 1837), insbesondere die rhetorisch gestaltete Flugschrift des "Hessischen Landboten", sein Drama "Dantons Tod" und seine Briefe mag in ihrer Themenstellung zuerst verwundern. Die Abwendung von einer präskriptiven Rhetorik und die Hinwendung zu einem individuell geprägten Stilbegriff ist schließlich das Produkt des späten 18. Jahrhunderts, wo an die Stelle der bisherigen Rhetoriklehrbücher solche über Stil und Schreibart treten und die Stilistik1 von einer als formal und knöchern betrachteten Rhetorik abgehoben wird. Der neue Gedanke der Subjektivität des Stils, seiner Prägung durch die Persönlichkeit des Autors, ist vor allem auf den Einfluß der Romantik zurückzuführen. Karl Philipp Moritz wandte sich in seinen "Vorlesungen über deutschen Stil" konsequent von der traditionellen, von der Rhetorik geprägten Regelstilistik ab und betonte das Individuell- Charakteristische des Ausdrucks. Für das Charakteristische der Schreibart gebe es keine Stilregeln im traditionellen Sinne. Ähnlich äußert sich Jacob Grimm, bei dem der Begriff der Rhetorik schon gar nicht mehr auftaucht.
Überraschenderweise aber ist der Einfluß der traditionellen Rhetorik auf das Werk Büchners eminent, nicht allein, weil der "Hessische Landbote" schon auf den ersten Blick ein persuasiver Text mit rhetorischer Struktur und rhetorischen Wirkmitteln ist, sondern auch, weil die jüngere Forschung immer wieder auf den erheblichen Einfluß der Schulrhetorik auf Büchner und seine Schulschriften hingewiesen hat; so behandelt Schaub in seiner Habilschrift (Die schriftstellerischen Anfänge Georg Büchners unter dem Einfluß der Schulrhetorik, 1980) die Beeinflussung und Prägung Büchners durch die Rhetorik und konzentriert sich dabei vor allem auf die Schulschriften (Schaub, Georg Büchner und die Schulrhetorik, 1975). So schreibt er über den Einfluß der Schulrhetorik auf den Hessischen Landboten ("Poeta rhetor", S. 174): Es ist Büchner (und Weidig) gelungen, die in der Schule gelernte und praktizierte Rhetorik nicht etwa zu vergessen, sondern für eine politische Flugschrift nutzbar zu machen, Schulberedsamkeit in politische Beredsamkeit zu transformieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Rhetorik und ihre Begriffe
- Allgemein: Zweck, Mittel, Geschichte
- Das rhetorische Texterstellungsmodell
- Die Elocutio: Rhetorische Figuren
- Positionsfiguren
- Wiederholungsfiguren
- Quantitätsfiguren
- Appellfiguren
- Tropen
- Untersuchung einzelner Werke
- Flugschriften: "Der Hessische Landbote"
- Allgemein
- Rhetorische Strategie
- Inventio
- Dispositio
- Elocutio
- Resümee
- Dramen: "Dantons Tod"
- Allgemein
- Rhetorik der politischen Reden
- Rhetorik des Souffleurs Simon
- Form und Inhalt
- Flugschriften: "Der Hessische Landbote"
- Abschließende Bemerkungen
- Rolle und Funktion der Rhetorik
- Rhetorik zwischen Kritik und Affirmation?
- Verzeichnis der Quellen und Materialien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Verhältnis und den Einfluss der Rhetorik auf das Werk Georg Büchners. Im Fokus stehen dabei die rhetorisch gestaltete Flugschrift "Der Hessische Landbote", das Drama "Dantons Tod" und Büchners Briefe. Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung und Modifikation der Rhetorik und ihrer Elemente in Büchners Werk, wobei sie sich auf die Frage konzentriert, inwiefern sich Büchners Verhältnis zur Rhetorik vom affirmativen Verhältnis in seinen frühen Schülerarbeiten zu einem kritischeren und distanzierteren Verhältnis in seinen späteren Werken wandelt.
- Der Einfluss der traditionellen Rhetorik auf Büchners Werk
- Die rhetorische Gestaltung von Büchners Schriften, insbesondere "Der Hessische Landbote" und "Dantons Tod"
- Die Rolle der Rhetorik als Mittel der Kritik und Parodie in Büchners Werk
- Die Entwicklung von Büchners Verhältnis zur Rhetorik im Laufe seiner schriftstellerischen Karriere
- Der Zusammenhang zwischen Büchners Idealismuskritik, der Fatalismus-Problematik und der Entwicklung seiner Rhetorik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und erläutert den überraschenden Einfluss der Rhetorik auf Büchners Werk, der trotz der Abwendung von einer präskriptiven Rhetorik im 18. Jahrhundert deutlich wird. Es wird auf die Forschungsergebnisse von Schaub zur Prägung Büchners durch die Schulrhetorik eingegangen.
- Die Rhetorik und ihre Begriffe: Dieses Kapitel gibt einen allgemeinen Überblick über die Rhetorik und ihre zentralen Begriffe, wie Zweck, Mittel und Geschichte. Es erläutert das rhetorische Texterstellungsmodell und die verschiedenen Arten von rhetorischen Figuren, die in der Elocutio verwendet werden.
- Untersuchung einzelner Werke: "Der Hessische Landbote": Dieses Kapitel analysiert die rhetorische Strategie der Flugschrift "Der Hessische Landbote". Es untersucht die Inventio, Dispositio und Elocutio des Textes und zeigt auf, wie Büchner die in der Schule gelernte Rhetorik für politische Zwecke nutzbar gemacht hat.
- Untersuchung einzelner Werke: "Dantons Tod": Dieses Kapitel analysiert die Verwendung von Rhetorik in Büchners Drama "Dantons Tod". Es untersucht die Rhetorik der politischen Reden, die Rhetorik des Souffleurs Simon und die Frage, ob "Dantons Tod" als Rhetorik-Kritik gelesen werden kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Rolle der Rhetorik in Büchners Werk, insbesondere in seinen Schriften "Der Hessische Landbote" und "Dantons Tod". Die wichtigsten Themen sind die Verwendung rhetorischer Mittel in diesen Werken, die Entwicklung von Büchners Verhältnis zur Rhetorik, die Kritik an leeren rhetorischen Mitteln und die Verbindung zwischen Rhetorik, Idealismuskritik und Fatalismus-Problematik.
- Quote paper
- Jochen Müller (Author), 1996, Georg Büchner und die Rhetorik, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/33217