Das Bemühen um eine der Bibel adäquate Hermeneutik, die sowohl um die historische Erhellung der biblischen Botschaft einerseits sowie um ihre relevante Kontextualisierung ins soziokulturelle Umfeld hinein andererseits, befleißigt ist, beschäftigt die (kirchliche) Schriftauslegung nicht erst seit der Aufklärung. Vielmehr berechtigt das Studium der Theologiegeschichte zur Ansicht, dass sich die Kirche der Herausforderung um eine ordnungsgemäße Schriftinterpretation von ihren frühesten Tagen an gestellt hat.
Was in jenen ersten Jahrzehnten und Jahrhunderten sorgfältig, aber auch sehr bestimmt konstituiert wurde, blieb bis zum Anbruch der Neuzeit kirchliche Auslegungspraxis. Die Basis hatte Philo von Alexandrien gelegt, für die Weiterentwicklung sorgte die Alexandrinische Schule, namentlich Origenes. Über letzteren ging der Weg dieser Interpretationsweise weiter in den Westen, besonders über die geniale Gestalt Augustins . Bekannt geworden ist diese Art der Schriftinterpretation als eine von einem mehrfachen – je nach Ausprägung: doppelten, dreifachen oder vierfachen – Schriftsinn ausgehende Bibelexegese, die durch das ganze Mittelalter hindurch unangefochtene Geltung hatte.
Dieser mittelalterlichen, längst nicht mehr als ‚barbarisch’ verschrienen – wie neuere Untersuchungen eindeutig aufzeigen –, sondern wenn auch in festen Bahnen verlaufenden, deshalb aber nicht undifferenziert ausgestalteten Schriftinterpretation, sondern geistreichen Form der Exegese gilt die Aufmerksamkeit der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- AUSGANGSPUNKT UND ENTWICKLUNG DER LEHRE VOM VIERFACHEN SCHRIFTSINN
- Jesu Schriftinterpretation
- Apostolische Schriftinterpretation
- Die allegorische Schriftinterpretation des Origenes
- Die Schriftinterpretation Augustins
- Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn bei Johannes Cassianus und die Stiftung einer Auslegungstradition
- Die Schriftinterpretation des Thomas von Aquin
- Zusammenfassung
- SYSTEMATISCHE DARSTELLUNG DER LEHRE VOM VIERFACHEN SCHRIFTSINN
- Der literarische Schriftsinn
- Der spirituelle Schriftsinn
- Der allegorische Schriftsinn
- Der moralische Schriftsinn
- Der anagogische Schriftsinn
- Übersicht
- CHANCEN UND GRENZEN DER LEHRE VOM VIERFACHEN SCHRIFTSINN
- STELLUNGNAHME - EINE PERSÖNLICHE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Lehre vom vierfachen Schriftsinn, einem zentralen hermeneutischen Ansatz im Mittelalter. Die Untersuchung beleuchtet die historischen Wurzeln und die systematische Entwicklung dieser Interpretationsmethode, analysiert ihre Chancen und Grenzen und betrachtet sie im Kontext der modernen Hermeneutik.
- Historische Entwicklung der Lehre vom vierfachen Schriftsinn
- Systematische Darstellung des vierfachen Schriftsinns
- Rezeption und Aktualität des vierfachen Schriftsinns in der modernen Hermeneutik
- Chancen und Grenzen des vierfachen Schriftsinns
- Persönliche Stellungnahme zum vierfachen Schriftsinn
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Entstehung der Lehre vom vierfachen Schriftsinn, indem es die Schriftinterpretation Jesu, der Apostel und bedeutender Kirchenväter wie Origenes und Augustinus beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich der systematischen Darstellung des vierfachen Schriftsinns, indem es die einzelnen Sinne (literarisch, allegorisch, moralisch und anagogisch) erläutert. Das dritte Kapitel erörtert die Chancen und Grenzen der Lehre vom vierfachen Schriftsinns und stellt die aktuelle Debatte um den Pluralismus biblischer Interpretationsansätze dar.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: vierfacher Schriftsinn, Hermeneutik, Bibelinterpretation, Mittelalter, Kirchenväter, Allegorie, Moral, Anagoge, Historisch-kritische Methode, Methodenpluralismus, biblische Theologie, sensus plenior.
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- David Löwen (Author), 2004, Der vierfache Schriftsinn. Zugänge zur Auslegung der Bibel, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/313485