Während die Aufklärung aufgrund eines ausgesprochenen Gegenwartsoptimismus die bisherige Geschichte als unvernünftige Kindheitsstufe der Menschheit abwertet, steht die Konstruktion des romantischen Geschichtsmodells unter entgegengesetzten Vorzeichen. Im Zuge der Aufbruchsstimmung der Französischen Revolution mit ihrem sozial-ökonomisch und politisch bedingten Krisenbewusstsein verspüren die Romantiker eine Zerrissenheit des gegenwärtigen Seins in den Oppositionen von Welt – Individuum, Vergangenheit – Jetzt, Wirklichkeit – Phantasie, Form – Freiheit. Schwärmerisch wenden sie sich deswegen dem Volkstümlichen und der vermeintlich harmonischen Vergangenheit eines goldenen Zeitalters zu.
Um das Ungenügen an der alltäglichen Normalität zu überwinden, fordert Novalis alle Lebensbereiche zu romantisieren, d.h. „dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben“ (Novalis). Der Essay zeigt auf, dass die Ästhetik und Religiösität bei der Realisierung dieses Projekts und der Auswahl dafür geeigneter Praktiken eine besondere Bedeutung spielt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Entwicklungsgeschichtliches Denken in der Romantik
- Novalis Ästhetisierung und Resakralisierung der Geschichtsphilosophie
- Historische Bewusstseinsentwicklung
- Das Triadische Schema
- Die Aufklärer und der kontinuierliche Verlauf der Geschichte
- Das romantische Geschichtsmodell
- Die Trennung von Vergangenheit und Gegenwart
- Die Erinnerung an die Vergangenheit und die Sehnsucht nach einer ewigen Heimat
- Die Romantisierung des Lebens und die Aufgabe der Poesie
- Die „Annihilation des Jetzigen“ und die Realisierung eines romantisierten Weltgeschehens
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Dieser Essay analysiert die Geschichtsphilosophie von Novalis, indem er dessen Ästhetisierung und Resakralisierung der Geschichte im Kontext der romantischen Denkweise untersucht. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die spezifischen Elemente von Novalis' Geschichtsverständnis aufzuzeigen und zu erläutern, wie er den Verlauf der Geschichte als einen Weg von der Monotonie über die Disharmonie zur Harmonie begreift.
- Novalis' Resakralisierung der Geschichte im Kontext der Romantik
- Die Trennung von Vergangenheit und Gegenwart als Voraussetzung für zukünftige Harmonie
- Die Rolle der Poesie in der Romantisierung des Lebens
- Das Konzept der "Annihilation des Jetzigen" und seine Bedeutung für die Gestaltung eines neuen Ich-Bewusstseins
- Die Bedeutung der Kunst als Mittel zur Überwindung der Entfremdung und Wiederherstellung der verlorenen Einheit
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Der Essay beginnt mit einer Einführung in das Entwicklungsgeschichtliche Denken der Romantik und stellt das zunehmende historische Bewusstsein dieser Epoche dar. Er zeichnet den Wandel des Geschichtsbegriffs von der Betonung exemplarischer Ereignisse in der Antike hin zu einem dynamischen Verständnis in der Romantik nach. Es wird die Bedeutung des triadischen Schemas in der Geschichtsphilosophie der Romantik erläutert, das eine idealisierte Frühzeit, eine negativ qualifizierte Gegenwart und eine idealistische Zukunft beinhaltet.
Der Essay vergleicht das Geschichtsverständnis der Aufklärer mit dem der Romantiker und hebt deren gegensätzliche Perspektiven auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervor. Die Aufklärer sahen die Geschichte als kontinuierlichen Fortschritt, während die Romantiker eine Zerrissenheit des gegenwärtigen Seins erlebten und sich dem Volkstümlichen und der vermeintlich harmonischen Vergangenheit zuwandten.
Im Zentrum des Essays steht die Analyse von Novalis' Geschichtsphilosophie. Es wird gezeigt, wie Novalis die Gegenwart als Illusion entlarvt und eine neue Kunst (Universalpoesie) propagiert, die den harmonischen Urzustand wiederherstellen soll. Es wird betont, dass die entseelte und zweckgerichtete Gegenwart nicht rückgängig gemacht werden soll, sondern durch die Individualität und Mannigfaltigkeit, die sie hervorgebracht hat, die anvisierte Einheit bewahrt wird. Novalis' Konzept der Harmonie, das durch die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart im künftigen goldenen Zeitalter erreicht werden soll, wird erläutert.
Der Essay befasst sich mit Novalis' Methode, die Erinnerung an die Vergangenheit zu nutzen, um die Sehnsucht nach einer zeitlos ewigen Heimat zu realisieren. Er beschreibt, wie die Trennung von der Vergangenheit das Verlorengegangene erst bewusst macht und die Sehnsucht nach Wiedervereinigung verstärkt. Es wird gezeigt, wie Novalis die Kunst als Mittel zur Verwandlung des Instinkts und zur Wiedererlangung der kindlich bewussten Unschuld im Bewusstsein betrachtet.
Abschließend behandelt der Essay Novalis' Sicht auf die "Annihilation des Jetzigen" und seine Aufforderung zum Handeln, die darin besteht, die Welt zu romantisieren. Es wird diskutiert, wie schwierig die Realisierung eines romantisierten Weltgeschehens ist und wie Novalis die Notwendigkeit eines trostspendenden Entwurfs einer Geschichtsphilosophie, die sich als säkulare Religion erweist, betont.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen dieses Essays sind: Romantik, Novalis, Geschichtsphilosophie, Ästhetisierung, Resakralisierung, Idealismus, Triadisches Schema, Frühzeit, Gegenwart, Zukunft, Harmonie, Poesie, Kunst, "Annihilation des Jetzigen", Säkulare Religion, Universale Poesie.
- Quote paper
- Julia Heese (Author), 2015, Entwicklungsgeschichtliches Denken in der Romantik. Novalis Ästhetisierung und Resakralisierung der Geschichtsphilosophie, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/312122