Das Drama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing thematisiert die Forderung nach Humanität und die Idee der Toleranz. Ganz im Sinne der Aufklärung macht Lessing die Autonomie des Subjekts und die Idee der aufklärerischen Rationalität zum Gegenstand dieses Stücks. Hintergrund des Dramas stellt der so genannte Fragmentenstreit dar, einen Konflikt Lessings mit dem Theologen Johann Melchior Goeze, wegen welchem gegen Lessing ein Teilpublikationsverbot verhängt wurde.
Diese Auseinandersetzung, welche als die wichtigste theologische Auseinandersetzung des 18. Jahrhunderts betrachtet wird, stellte eine Kontroverse zwischen der orthodoxen lutherischen Kirche und den Anhängern der europäischen Aufklärung dar. Als Reaktion auf die Teilzensur integrierte Lessing seine Ansichten bezüglich dieser Kontoverse in das literarische Stück „Nathan der Weise“. Sowohl unmittelbar vor als auch unmittelbar nach dessen Fertigstellung arbeitete Lessing an seinem philosophischen Hauptwerk „Die Erziehung des Menschgeschlechts“, welches in einer engen Verbindung zum Drama steht, wie im Laufe dieser Arbeit noch gezeigt werden soll.
Schon im Titel des Dramas „Nathan der Weise“ wird dem Protagonisten Weisheit zugesprochen. Doch was ist das überhaupt, Weisheit? Und wie erlangt man diese? Ist Nathan tatsächlich weise? Und wenn ja, was macht ihn zu einem Weisen und wie äußert sich die Weisheit in seinem Handeln? Schlägt man den Begriff Weisheit in einem handelsüblichen Wörterbuch nach, findet man als Bedeutung meist nur Stichworte wie Reife, Gelehrsamkeit oder Klugheit, die einer weiteren Bestimmung bedürfen und den Begriff nicht in seiner ganzen Fülle erfassen. Mit einem Blick auf den philosophischen Begriff der Weisheit wird sich zeigen, dass die Bedeutung des Begriffs nicht leicht zu fassen ist, und dennoch sollen Fragen nach der Form und der Funktion der Weisheit Nathans beantwortet werden. Da schon im Titel die Weisheit Nathans benannt wird, ist zu untersuchen, ob sich die Wahl des Titels durch die inhaltliche Bestimmung des Weisheitsbegriffs besser verstehen und rechtfertigen lässt. Wie groß ist die Bedeutung der Weisheit für die Charakterisierung des Protagonisten und in welchem Verhältnis steht sie zum Handlungsverlauf und zum Thema des Dramas? Dem Zusammenhang zwischen Nathans Weisheit und den Ansichten Lessings über Wahrheit, Vernunft und Glaube soll im Laufe dieser Arbeit Beachtung geschenkt werden.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Annährung an den philosophischen Begriff der Weisheit
- Nathans Klugheit
- Der reiche Kaufmann
- Umsichtiges Handeln
- Wissen und Wahrheit
- Gelehrsamkeit und Erfahrungswissen
- Bewusstes Nichtwissen
- Nathan und das Göttliche
- Ergebenheit in Gott
- Praktische Vernunft statt religiöse Schwärmerei
- Menschlichkeit und Religion
- Zwischen Judentum und Vernunftreligion
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Analyse der Weisheit des Protagonisten Nathan im Drama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Ziel ist es, die Bedeutung des Begriffs „Weisheit“ im Kontext des Dramas zu untersuchen und Nathans Handlungsweisen und Aussagen im Lichte der philosophischen Weisheitsdiskussion zu beleuchten.
- Das Drama „Nathan der Weise“ im Kontext der Aufklärung und des Fragmentenstreits
- Die philosophische Bestimmung des Weisheitsbegriffs
- Nathans Klugheit und seine Rolle im Handlungsverlauf
- Die Beziehung zwischen Wissen, Wahrheit und Glauben in Lessings Drama
- Der Einfluss von Nathans Weisheit auf die zentralen Themen des Dramas: Toleranz, Humanität und Vernunft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Drama „Nathan der Weise“ und seinen historischen Kontext vor. Sie führt in die Problematik des Weisheitsbegriffs ein und erläutert die zentrale Fragestellung der Arbeit: Inwieweit kann Nathan als „weise“ bezeichnet werden?
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem philosophischen Begriff der Weisheit. Es werden unterschiedliche Definitionen und Akzentuierungen des Begriffs von der Antike bis zur Neuzeit beleuchtet, wobei insbesondere die Rolle der Vernunft, Selbsterkenntnis und des Göttlichen im Kontext von Weisheit hervorgehoben werden.
Das dritte Kapitel untersucht Nathans Klugheit, wobei sein reicher Hintergrund und seine Fähigkeit zum umsichtigen Handeln beleuchtet werden. Das Kapitel skizziert die Herausforderungen, denen Nathan im Drama begegnet, und seine Strategien zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten.
Kapitel 4 befasst sich mit der Beziehung zwischen Wissen und Wahrheit im Drama. Hier wird Nathans Umgang mit unterschiedlichen Formen des Wissens, wie Gelehrsamkeit und Erfahrungswissen, analysiert. Dabei wird auch die Rolle des „bewussten Nichtwissens“ im Kontext von Nathans Weisheit betrachtet.
Das fünfte Kapitel untersucht Nathans Beziehung zum Göttlichen. Es werden seine Haltung der Ergebenheit gegenüber Gott, sein Einsatz praktischer Vernunft gegenüber religiöser Schwärmerei und seine Überzeugung von der Menschlichkeit und Bedeutung der Religion beleuchtet. Im Fokus steht die Frage, wie Nathan die scheinbaren Gegensätze zwischen Judentum und Vernunftreligion zu vereinen versucht.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Drama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Die Analyse konzentriert sich auf die Figur Nathans und die Interpretation seines Handelns im Lichte des philosophischen Begriffs der Weisheit. Daher sind zentrale Schlüsselwörter der Arbeit: Weisheit, Klugheit, Vernunft, Toleranz, Humanität, Religion, Judentum, Vernunftreligion, Aufklärung, Fragmentenstreit.
- Quote paper
- Sabrina Hanke (Author), 2013, Auseinandersetzung mit dem Begriff der Weisheit in Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/309235