Woyzeck hat die Mutter seines Kindes als Folge ihrer Untreue mit einem Messer erstochen. Dem Zuschauer wird in dieser Szene ganz klar Marie als Opfer und Woyzeck als ihr Mörder präsentiert. Auf den ersten Blick scheint das Opfer-Täter-Verhältnis also klar zu sein.
Doch ist es tatsächlich so? Spielen auch andere Faktoren eine Rolle? Schon seit Jahrhunderten beschäftigt sich die Menschheit mit der Schuldfrage und es ist die Aufgabe der Justiz, die Schuld bzw. Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Diese Entscheidung hat sehr großen Einfluss auf das Leben des Angeklagten. In einigen Ländern auf dieser Welt entscheidet das Urteil der Richter selbst über Leben und Tod. So ist es auch wenig verwunderlich, dass die Schuldfrage wahrscheinlich nie an Aktualität verlieren wird.
Auch in dem fragmentarischen Dramenstück Woyzeck wird die Schuldfrage behandelt. Es taucht die Frage nach der Schuld am Mord an Marie auf. Hier ergibt sich eine höchst interessante Fragestellung. Kann man Woyzeck überhaupt für den Mord an Marie schuldig sprechen und zur Rechenschaft ziehen?
Mit der hier vorliegenden Arbeit möchte ich herausstellen, ob Woyzeck aufgrund seines seelischen Zustandes aus heutiger Sicht für den Tod von Marie verantwortlich gemacht werden kann. Hierzu werde ich im ersten Teil den Aspekt der Schuldunfähigkeit näher beleuchten und herausarbeiten, inwieweit dieser auf Woyzeck zutrifft. Hier werde ich Woyzecks Leben näher betrachten und mögliche Gründe für eine Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit herausarbeiten. Im zweiten Teil werde ich mich mit der Interaktion der Charaktere im Drama näher beschäftigen und hier dran die mögliche Schuld der Gesellschaft analysieren. Zusätzlich soll hier Büchners Gesellschaftskritik anhand der ausgewählten Charaktere deutlich gemacht werden.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich in der Hausarbeit die Clarus-Gutachten nicht miteinbeziehen werde. Zwar steht es außer Frage, dass Büchner sein Drama in Anlehnung an die Gutachten des historischen Woyzecks geschrieben hat, doch auch viele eigene Interpretationen miteinfließen ließ und so einen Woyzeck erschuf, welchen es nun alleine zu analysieren geht.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. „Bin ich Mörder“. Schuldunfähigkeit und Schuldfrage
- 2.1. Schuldunfähigkeit im juristischen Sinne
- 2.2. Woyzecks Wahnsinn. Gründe für eine Affekttat
- 2.3. Gründe für einen Mord
- 3. „Guckt euch mal an“. Gesellschaftliche Einflüsse, Gesellschaftskritik und Schuldfrage
- 3.1 Hauptmann und Woyzeck
- 3.2 Doktor und Woyzeck
- 3.3 Determinismus und Fremdbestimmtheit im Kontext
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Schuldfrage im Drama "Woyzeck" von Georg Büchner. Ziel ist es, aus heutiger juristischer Perspektive zu beleuchten, inwieweit Woyzeck für den Mord an Marie verantwortlich gemacht werden kann. Hierbei werden sowohl seine psychische Verfassung als auch die gesellschaftlichen Einflüsse auf sein Handeln analysiert.
- Woyzecks Schuldunfähigkeit im Kontext des §20 StGB
- Analyse von Woyzecks Wahnsinn und dessen Ursachen
- Die Rolle gesellschaftlicher Faktoren und Büchners Gesellschaftskritik
- Determinismus und Fremdbestimmtheit als Einflussfaktoren
- Die Frage nach der moralischen und juristischen Verantwortlichkeit Woyzecks
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung präsentiert den Ausgangspunkt der Arbeit, nämlich die scheinbar eindeutige Schuldzuweisung an Woyzeck für den Mord an Marie. Sie stellt jedoch die Frage nach der Komplexität dieser Schuldfrage und kündigt die Herangehensweise an, die sowohl juristische Aspekte der Schuldunfähigkeit als auch gesellschaftliche Einflüsse berücksichtigen wird. Die Einleitung verweist auf die Relevanz der Schuldfrage in der Justiz und skizziert die Struktur der folgenden Analyse, die sich mit Woyzecks psychischem Zustand und den gesellschaftlichen Bedingungen auseinandersetzen wird. Die Entscheidung, die Clarus-Gutachten nicht einzubeziehen, wird begründet.
2. „Bin ich Mörder“. Schuldunfähigkeit und Schuldfrage: Dieses Kapitel beginnt mit einer Auseinandersetzung mit dem juristischen Begriff der Schuldunfähigkeit gemäß §20 StGB. Es erklärt die Bedingungen, unter denen eine Person aufgrund seelischer Störungen als schuldunfähig angesehen werden kann und differenziert zwischen Schuldunfähigkeit und verminderter Schuldfähigkeit. Anschließend wird dieser juristische Rahmen auf Woyzeck angewendet. Die Analyse konzentriert sich auf Woyzecks psychischen Zustand, seine Isolation und die daraus resultierenden Faktoren, die zu einer möglichen Affekthandlung geführt haben könnten. Die Kapitelteile 2.1 und 2.2 legen die Grundlage für die spätere Beurteilung von Woyzecks Handlung.
3. „Guckt euch mal an“. Gesellschaftliche Einflüsse, Gesellschaftskritik und Schuldfrage: Dieser Abschnitt untersucht die Interaktionen Woyzecks mit dem Hauptmann und dem Doktor und analysiert, wie diese Beziehungen zur gesellschaftlichen Isolation und zum psychischen Druck Woyzecks beitragen. Die Analyse beleuchtet Büchners Gesellschaftskritik durch die Darstellung dieser Machtverhältnisse und die daraus resultierende Fremdbestimmtheit Woyzecks. Es wird gezeigt, wie die gesellschaftlichen Strukturen und die Behandlung Woyzecks durch die Mächtigen seine Handlung mit beeinflussen. Das Kapitel verknüpft die individuellen Aspekte mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und zeigt die Vernetzung der Faktoren auf.
Schlüsselwörter
Woyzeck, Schuldfrage, Schuldunfähigkeit, §20 StGB, Affekthandlung, Gesellschaftskritik, Determinismus, Fremdbestimmtheit, soziale Isolation, psychische Erkrankung, Hauptmann, Doktor, Marie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Woyzeck": Schuldfrage, Gesellschaft und Wahnsinn
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Schuldfrage im Drama "Woyzeck" von Georg Büchner. Der Fokus liegt darauf, aus heutiger juristischer Perspektive zu beleuchten, inwieweit Woyzeck für den Mord an Marie verantwortlich gemacht werden kann. Dabei werden sowohl seine psychische Verfassung als auch die gesellschaftlichen Einflüsse auf sein Handeln analysiert.
Welche Aspekte der Schuldfrage werden behandelt?
Die Analyse betrachtet Woyzecks Schuldunfähigkeit im Kontext des §20 StGB, analysiert seinen Wahnsinn und dessen Ursachen, untersucht die Rolle gesellschaftlicher Faktoren und Büchners Gesellschaftskritik, beleuchtet Determinismus und Fremdbestimmtheit als Einflussfaktoren und schließlich die moralische und juristische Verantwortlichkeit Woyzecks.
Wie wird die juristische Perspektive in die Analyse integriert?
Die Arbeit beginnt mit einer Erläuterung des juristischen Begriffs der Schuldunfähigkeit gemäß §20 StGB. Sie wendet diesen Rahmen auf Woyzeck an und untersucht, ob seine psychische Erkrankung seine Schuldfähigkeit ausschließt oder mindert. Die Analyse berücksichtigt dabei die Kriterien für Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit nach deutschem Recht.
Welche gesellschaftlichen Einflüsse werden berücksichtigt?
Die Arbeit analysiert die Beziehungen Woyzecks zum Hauptmann und Doktor und deren Beitrag zu seiner gesellschaftlichen Isolation und seinem psychischen Druck. Sie beleuchtet Büchners Gesellschaftskritik und zeigt, wie gesellschaftliche Strukturen und die Behandlung Woyzecks durch Mächtige seine Handlung mit beeinflussen. Die Analyse verdeutlicht die Vernetzung individueller und gesellschaftlicher Faktoren.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es jeweils?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Schuldunfähigkeit und Schuldfrage (mit Fokus auf Woyzecks Wahnsinn und möglichen Gründen für den Mord), ein Kapitel zu gesellschaftlichen Einflüssen, Gesellschaftskritik und der Schuldfrage (Analyse der Beziehungen zu Hauptmann und Doktor, sowie Determinismus und Fremdbestimmtheit), und ein Fazit. Die Einleitung stellt die Fragestellung vor und skizziert die Methode. Das Fazit fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Woyzeck, Schuldfrage, Schuldunfähigkeit, §20 StGB, Affekthandlung, Gesellschaftskritik, Determinismus, Fremdbestimmtheit, soziale Isolation, psychische Erkrankung, Hauptmann, Doktor, Marie.
Warum werden die Clarus-Gutachten nicht berücksichtigt?
Die Arbeit begründet explizit die Entscheidung, die Clarus-Gutachten nicht in die Analyse einzubeziehen (diese Begründung findet sich im Kapitel zur Zusammenfassung der Kapitel).
- Quote paper
- Taylor Bruhn (Author), 2014, Schuldfähigkeit und Schuldfrage in Georg Büchners "Woyzeck", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/298795