Die Frage nach der Schuld am Holocaust und der Ermordung von fast 6 Millionen Juden ist nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine oft gestellte Frage, welcher sich viele Historiker der Neuzeit stellen. Während zu Beginn der Forschung, abgesehen von den großen, bekannten Befehlsgebern, die allgemeine Bevölkerung unbeleuchtet bleibt, rückten in den 90er Jahren die einfachen Täter des Holocausts in den Vordergrund. Der amerikanischen Historiker Christopher R. Browning nahm mit seinem 1992 erschienenen Buch „Ganz normale Männer - Das Reservebataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen“, den Anlass, die erste wissenschaftlichen Studie über ein Polizeibataillon zu verfassen. Dabei stellt er in den Vordergrund, wie es möglich sein konnte, dass „ganz normale Männer“ zu Massenmörder wurden.
Daniel Jonah Goldhagen antwortete seinerseits vier Jahre später mit dem Buch „Hitlers willige Vollstrecker - Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ und äußert sich darin unter anderem zu dem selben Thema. Dabei gelangt er zu einem anderen Ergebnis als Christopher R. Browning, obwohl sich beide Historiker auf die gleichen Quellen, berufen, nämlich den Aussagen und Gerichtsakten der ehemaligen Angehörigen des Reserve-Polizeibataillons 101. Diese wurden im Zuge der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Verbrechen von der Hamburger Staatsanwaltschaft innerhalb von 10 Jahren (1962-1972) eingeholt. Derartige Quellen müssen mit einem kritischen Auge betrachtet werden, da die Angeklagten in Gefahr laufen, durch eine belastende Aussage nicht nur andere Kameraden, sondern auch sich selbst zu belasten.
Diese Arbeit wirft zunächst einen kurzen Blick auf die durch Goldhagens Buch ausgelöste Debatte und beschäftigt sich anschließend mit dem Reserve-Polizeibataillon 101, um im Anschluss Brownings Thesen zur Motivation der Täter des Bataillons, sowie Goldhagens Kritik an dessen Thesen herausarbeiten zu können. Ziel der Arbeit soll es sein, wesentliche Unterschiede beider Historiker aufzuzeigen. Abrunden wird die Arbeit ein Fazit, sowie meine persönliche Meinung.
Die Quellenlage zu diesem Thema ist durchaus vielfältig und unübersichtlich, da viele Wissenschaftler sich zur Goldhagen-Debatte geäußert haben. Die weiten Kreise, welche diese Debatte nach sich zog werden in meiner Arbeit ebenso eine untergeordnete Rolle spielen, wie auch die zahlreiche Kritik an Goldhagens Thesen.
Inhaltsverzeichnis
- Der Holocaust und die Schuld der Täter
- 1. Die Goldhagen-Debatte
- 2. Das Reserve-Polizeibataillon 101
- 2.1 Die Zusammensetzung des Bataillons
- 2.2 Bedeutende Aktionen
- 3. „Ganz normale Männer“?
- 3.1 Brownings Thesen für das Handeln der Männer
- 3.2 Goldhagens Kritik an Brownings Thesen
- 4. Wesentliche Unterschiede zwischen Goldhagen und Browning
- 5. Fazit und eigene Meinung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage, wie "ganz normale Männer" zu Mördern im Holocaust wurden, indem sie die Debatte zwischen Christopher R. Browning und Daniel J. Goldhagen analysiert. Sie konzentriert sich auf das Reserve-Polizeibataillon 101 als Fallbeispiel und vergleicht die unterschiedlichen Schlussfolgerungen der beiden Historiker bezüglich der Motivation der Täter. Das Ziel ist es, die wesentlichen Unterschiede in ihren Ansätzen und Interpretationen aufzuzeigen.
- Die Goldhagen-Debatte und ihre Auswirkungen auf die Holocaustforschung
- Die Rolle des Reserve-Polizeibataillons 101 im Holocaust
- Vergleich der Thesen von Browning und Goldhagen zur Motivation der Täter
- Analyse der Quellenlage und ihrer Herausforderungen
- Untersuchung der individuellen Entscheidungsfreiheit der Täter
Zusammenfassung der Kapitel
Der Holocaust und die Schuld der Täter: Dieses einführende Kapitel stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Schuld am Holocaust und der Rolle "ganz normaler Männer" als Täter. Es führt die Arbeiten von Christopher R. Browning und Daniel J. Goldhagen ein, die unterschiedliche Perspektiven auf die Motivation der Täter bieten, obwohl beide auf die gleichen Quellen zurückgreifen – die Aussagen ehemaliger Angehöriger des Reserve-Polizeibataillons 101. Das Kapitel betont die Komplexität der Quellenlage und die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Aussagen der Angeklagten. Es legt den Grundstein für den Vergleich der beiden Historiker im weiteren Verlauf der Arbeit.
1. Die Goldhagen-Debatte: Dieses Kapitel beschreibt die heftige Kontroverse, die durch Goldhagens Buch "Hitlers willige Vollstrecker" ausgelöst wurde. Die deutsche Historikergemeinschaft kritisierte Goldhagens These eines spezifisch deutschen, eliminatorischen Antisemitismus als Provokation und pauschale Anklage. Das Kapitel analysiert die Reaktionen in der Presse und zeigt die unterschiedlichen Interpretationen der Motive der Täter auf. Es beleuchtet Goldhagens Fokus auf den individuellen Antisemitismus als entscheidenden Faktor und seinen Versuch, ahistorische und sozialpsychologische Erklärungen zu vermeiden. Der Fokus liegt auf der kontroversen Debatte und den unterschiedlichen Positionen.
2. Das Reserve-Polizeibataillon 101: Dieses Kapitel beschreibt die Entstehung und den Einsatz des Reserve-Polizeibataillons 101 im besetzten Polen. Es betont, dass das Bataillon ursprünglich nicht für den Massenmord an Juden vorgesehen war und die Eskalation der Gewalt und Beteiligung am Holocaust detailliert darstellt. Die Zusammensetzung des Bataillons und die von ihm durchgeführten Aktionen werden beleuchtet, um den Kontext für die nachfolgende Analyse der Tätermotivation zu schaffen. Dieser Abschnitt liefert wichtige Hintergrundinformationen für das Verständnis der Taten der Bataillonsmitglieder und den Kontext für die folgenden Analysen der Thesen von Browning und Goldhagen.
Schlüsselwörter
Holocaust, Reserve-Polizeibataillon 101, Christopher R. Browning, Daniel J. Goldhagen, Tätermotivation, Antisemitismus, Massentötung, individuelle Schuld, Kollektivschuld, Historikerstreit, Quellenkritik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: "Ganz normale Männer"? Die Debatte um die Tätermotivation im Holocaust
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Frage, wie "ganz normale Männer" zu Mördern im Holocaust wurden. Sie analysiert die Debatte zwischen Christopher R. Browning und Daniel J. Goldhagen über die Motivation der Täter des Reserve-Polizeibataillons 101 als Fallbeispiel.
Welche Historiker werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht die Ansätze und Interpretationen von Christopher R. Browning und Daniel J. Goldhagen bezüglich der Motivation der Täter im Holocaust, insbesondere der Mitglieder des Reserve-Polizeibataillons 101.
Was ist das zentrale Argument der Arbeit?
Die Arbeit zeigt die wesentlichen Unterschiede in den Ansätzen und Interpretationen von Browning und Goldhagen auf. Sie analysiert, wie beide Historiker, obwohl sie auf dieselben Quellen zurückgreifen, zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen über die Motivation der Täter gelangen.
Welche Rolle spielt das Reserve-Polizeibataillon 101?
Das Reserve-Polizeibataillon 101 dient als Fallbeispiel. Die Arbeit beschreibt seine Entstehung, seinen Einsatz im besetzten Polen und die von ihm durchgeführten Aktionen, um den Kontext für die Analyse der Tätermotivation zu schaffen.
Was sind die zentralen Unterschiede zwischen den Thesen von Browning und Goldhagen?
Die Arbeit beleuchtet die kontroverse Debatte zwischen Browning und Goldhagen. Goldhagen argumentiert für einen spezifisch deutschen, eliminatorischen Antisemitismus als Hauptmotiv, während Browning andere Faktoren wie Konformitätsdruck und soziale Dynamiken betont. Die Arbeit analysiert diese Unterschiede detailliert.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert hauptsächlich auf den Aussagen ehemaliger Angehöriger des Reserve-Polizeibataillons 101, die sowohl von Browning als auch von Goldhagen ausgewertet wurden. Die Arbeit betont die Komplexität und die Herausforderungen der Quellenlage.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit fasst die wesentlichen Unterschiede in den Ansätzen und Interpretationen von Browning und Goldhagen zusammen und bietet ein eigenes Fazit und eine eigene Meinung zu den diskutierten Themen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Holocaust, Reserve-Polizeibataillon 101, Christopher R. Browning, Daniel J. Goldhagen, Tätermotivation, Antisemitismus, Massentötung, individuelle Schuld, Kollektivschuld, Historikerstreit, Quellenkritik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu folgenden Themen: Der Holocaust und die Schuld der Täter; Die Goldhagen-Debatte; Das Reserve-Polizeibataillon 101 (inkl. Zusammensetzung und Aktionen); „Ganz normale Männer“? (inkl. Brownings und Goldhagens Thesen); Wesentliche Unterschiede zwischen Goldhagen und Browning; Fazit und eigene Meinung.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für Personen gedacht, die sich akademisch mit dem Holocaust, der Tätermotivation und der Geschichtswissenschaft auseinandersetzen möchten.
- Quote paper
- Tina Walz (Author), 2013, Das Reserve-Polizeibataillon 101 im Blickpunkt von Christopher R. Browning und Daniel J. Goldhagen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/293685