Seit mehr als 100 Jahren stellt das Phytohormon Auxin (aus dem griechischem αὐξάνω auxano „wachsen“) ein weitgefächertes Feld für die Pflanzenforschung dar, welches noch lange nicht ausgeschöpft zu sein scheint. Seit den ersten untersuchten Effekten von Auxin auf den Phototropismus und Gravitropismus wurden bereits vielzählige weitere Funktionen dieses Hormons im Pflanzenkörper aufgedeckt. Auf zellulärer Ebene wirkt Auxin auf die Zellteilung, -differenzierung und -elongation und hat damit z. B. wesentlichen Einfluss auf Entwicklungsprozesse während der Embryogenese und Organogenese. Des Weiteren spielt das Hormon eine Rolle bei der Seneszenz, der Pathogenantwort, abiotischen Stressantworten und der Abszission (zusammengefasst in Sauer et al., 2013). Die folgende Arbeit konzentriert sich auf die für die Entwicklung höherer Pflanzen bedeutenden Auswirkungen und ermöglicht eine grobe Einsicht in die Vielfältigkeit von natürlichen Auxinen. Zu Beginn wird ein Überblick über Prozesse der Homöostase wie Auxinbiosynthese, -inaktivierung, -abbau und -transport gegeben. Anschließend wird auf die Auxinrezeptoren und -signalwege näher eingegangen um die molekularen und zellulären Effekte des Phytohormons zu erläutern. Der Hauptteil schließlich beschäftigt sich mit der Rolle von Auxin während der Embryogenese und Organogenese. Der Schwerpunkt liegt dabei auf grundlegenden Entwicklungsprozessen wie der Achsenbildung, der Meristementwicklung und der postembryonalen Bildung lateraler Organe, wie Blätter und Wurzeln.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Natürliche Auxine
3 Auxinmetabolismus und -transport
3.1 Auxinbiosynthese
3.1.1 Die tryptophanabhängige Auxinbiosynthese
3.1.2 Die tryptophanunabhängige Auxinbiosynthese
3.2 Speicherung und Inaktivierung von IAA
3.2.1 IAA-Konjugate
3.2.2 Indol-3-buttersäure
3.2.3 Methyl-IAA
3.2.4 OxIAA
3.3 Auxintransport
4 Molekulare Wirkungsmechanismen
4.1 Gene der Auxinantwort
4.2 Auxinrezeptoren und -signalwege
4.2.1 Die SCF(TIR1)-abhängige Gentranskription
4.2.2 ABP1 und transkriptionsunabhängige Signalwege
5 Physiologische Auswirkungen von Auxin
5.1 Die Rolle von Auxin während der Embryogenese
5.1.1 Die Determinierung der apikal-basalen Achse
5.1.2 Die Bildung des Wurzelapikalmeristems
5.2 Die Rolle von Auxin während der Organogenese
5.2.1 Die Bildung von Blattprimordien durch das primäre Sprossmeristem
5.2.2 Die auxinvermittelte Apikaldominanz
5.2.3 Die postembryonale Entwicklung lateraler Wurzeln
6 Ausblick
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Strukturen der natürlichen Auxine
Abbildung 2: Regulierungsmöglichkeiten der lndol-3-essigsäure (lAA)-Konzentration
Abbildung 3: Tryptophanabhängige Auxinbiosynthesewege in Pflanzen und in Mikroorganismen
Abbildung 4: Die tryptophanunabhängige Auxinbiosynthese
Abbildung 5: Zellulärer Auxintransport durch die Efflux-Transporter PIN und ABCB und die Influx-Transporter AUX1 und LAX1, 2 und 3
Abbildung 6: Der SCF(TIR1)-abhängige Auxinsignalweg
Abbildung 7: Auxinvermittelte Entwicklungsprozesse während der Embryogenese (schwarz) und während der Bildung von lateralen Organen in dervegetativen Pflanze (rot)
Abbildung 8: Der Verlauf der Embryogenese in Arabidopsis thaliana
Abbildung 9: Auxintransport während der Embryogenese von Arabidopsis thaliana und Nicotiana tabacum...
Abbildung 10: Der Aufbau der Wurzel und des Wurzelapikalmeristems mit dem ruhenden Zentrum (QC)
Abbildung 11: Schematische Darstellung der Interaktionen zwischen MP, BDL und AXR6 in Abhängigkeit von Auxin
Abbildung 12: Schematisches Model zur Regulierung der Phyllotaxis über polaren Auxintransport im Sprossmeristem
Abbildung 13: Auxinvermittelte Primordieninitiierung
Abbildung 14: Schematische Darstellung der Hypothesen zur auxinvermittelten Apikaldominanz
Abbildung 15: Auxintransport/-gradienten in der Wurzel und die Auswirkung auf Perizykelzellen
Abbildung 16: Verlauf der Entwicklung lateraler Wurzeln in Abhängigkeit von Auxinsignalmodulen
Abbildung 17: Schematische Darstellung des Primordien-Austritts aus dem Gewebe der primären Wurzel
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Seit mehr als 100 Jahren stellt das Phytohormon Auxin (aus dem griechischem aú^ávrn auxano „wachsen") ein weitgefächertes Feld für die Pflanzenforschung dar, welches noch lange nicht ausgeschöpft zu sein scheint. Bereits 1872 äußerte Theophil Ciesielski Vermutungen über einen möglichen Wachstumsstimulus in der Wurzelhaube (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). Charles Darwin und sein Sohn Francis legten 1880 in ihrem Werk „The power of movement in plants" einen Grundstein für die Auxinforschung (zusammengefasst in Whippo und Hangarter, 2009). Ihre Entdeckung, dass der Transport von Signalmolekülen aus den Koleopti- len in Richtung der Wurzel in direktem Zusammenhang mit dem lichtinduzierten gerichteten Wachstum der Pflanze steht (zusammengefasst in Sauer et al., 2013), bestätigte erste Vermutungen von Julius von Sachs. Dieser nahm an, dass äußere Faktoren die subzellulären Prozesse im Pflanzengewebe beeinflussen und Pflanzenbewegung somit einen komplexen Vorgang darstellt. Nach der Identifizierung des Wachstumshormons 1928 durch Frits Warmolt Went (zusammengefasst in Whippo und Hangarter, 2009) gelang Fritz Kögl und A.J. Haagen-Smit 1931 die Isolation von Auxin A und B aus menschlichem Urin. Mittels papierchromatographischen Untersuchungen identifizierte Kenneth Vivian Thimann 1953 letztendlich das isolierte Heteroauxin als Indol-3-essigsäure (Stowe und Thimann, 1954; zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005; Whippo und Hangarter, 2009).
Seit den ersten untersuchten Effekten von Auxin auf den Phototropismus und Gravitropismus wurden bereits vielzählige weitere Funktionen dieses Hormons im Pflanzenkörper aufgedeckt. Auf zellulärer Ebene wirkt Auxin auf die Zellteilung, - differenzierung und -elongation und hat damit z. B. wesentlichen Einfluss auf Entwicklungsprozesse während der Embryogenese und Organogenese. Des Weiteren spielt das Hormon eine Rolle bei der Seneszenz, der Pathogenantwort, abiotischen Stressantworten und der Abszission (zusammengefasst in Sauer et al., 2013).
Die folgende Arbeit konzentriert sich auf die für die Entwicklung höherer Pflanzen bedeutenden Auswirkungen und ermöglicht eine grobe Einsicht in die Vielfältigkeit von natürlichen Auxinen. Zu Beginn wird ein Überblick über Prozesse der Homöostase wie Auxinbiosynthese, -inaktivierung, -abbau und -transport gegeben. Anschließend wird auf die Auxinrezeptoren und -signalwege näher eingegangen um die molekularen und zellulären Effekte des Phytohormons zu erläutern. Der Hauptteil schließlich beschäftigt sich mit der Rolle von Auxin während der Embryogenese und Organogenese. Der Schwerpunkt liegt dabei auf grundlegenden Entwicklungsprozessen wie der Achsenbildung, der Meristementwicklung und der postembryonalen Bildung lateraler Organe, wie Blätter und Wurzeln.
2 Natürliche Auxine
Wie auch Cytokinin, Ethylen, Gibberellin und viele weitere werden Auxine zu den Phytohormonen, einer Gruppe von endogenen Pflanzenmolekülen, die als Signalstoffe bei der Entwicklung und Physiologie der Pflanze wirken, gezählt. Charakteristisch für Auxine ist ein aromatischer Ring, der, wie in Abbildung 1 ersichtlich, über eine variable Ubergangsregion mit einer Carboxylgruppe verbunden ist. Aktive Auxine weisen eine Distanz von 0,55 Á zwischen diesen beiden Komponenten auf (zusammengefasst in Sauer et al., 2013).
Indol-3-essigsäure (indole-3-acetic acid [IAA]) stellt in höheren Pflanzen den größten Teil des gesamten Auxin-Pools dar und wird sowohl von Pflanzen als auch von Pflanzenpathogenen synthetisiert. Pathogene, wie beispielsweise Agrobacterium tumefaciens, produzieren die organische Säure um Pflanzenzellen für die Nährstoffproduktion auszunutzen (zusammengefasst in Zhao, 2010). Während IAA bereits bei nanomolaren Konzentrationen wirksam ist, wird von den meisten anderen natürlichen Auxinen eine deutlich höhere Konzentration für eine effiziente Aktivität benötigt (zusammengefasst in Normanly et al., 1995; Woodward und Bartel, 2005). Neben IAA sind bis heute nur drei weitere natürliche Auxine bekannt: 4-(Indol-3- yl)buttersäure (IBA), 4-Chloroindol-3-essigsäure (4-Cl-IAA) und Phenylessigsäure (PAA).
IBA wurde erstmals über Papierchromatographie in der Kartoffelknolle nachgewiesen, ist aber, wie heute bekannt, in vielen weiteren Pflanzen aktiv und spielt eine Rolle bei Entwicklungsprozessen wie Wurzelhaarverlängerung und Blattepinas- tie (u. a. zusammengefasst in Sauer et al., 2013; Strader und Bartel, 2011). Lediglich zwei zusätzliche Methylengruppen in der Ubergangsregion unterscheiden IBA von IAA (Abbildung 1). Wie in dem Kapitel 3.2.2 noch detaillierter erörtert, stellt 4-Indol- 3-buttersäure eine Speicherform von IAA dar und die Umwandlung der zwei Auxine ineinander ist vergleichbar mit dem Mechanismus der Fettsäurebiosynthese (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). Bis heute bleibt jedoch die Frage offen, ob IBA als eigenständiger Signalstoff wirkt oder durch die Umwandlung zu IAA aktiv wird.
4-Cl-IAA wurde bereits in einer Mehrzahl von Pflanzen nachgewiesen, wobei eine große Menge von diesen zu der Familie der Fabaceae gezählt wird. 4-Cl-IAA zeigt in Bioassays eine zehn-mal höhere Aktivität als IAA (zusammengefasst in Normanly et al., 1995), was möglicherweise auf die stärkere chemische Stabilität der chlorierten Form von IAA zurückzuführen ist. Uber die Aktivität dieses Auxins ist dennoch nur wenig bekannt, was sich durch den fehlenden Nachweis von 4-Cl-IAA im Modellorganismus Arabidopsis thaliana erklären lässt.
Das bis heute einzig bekannte Phenylderivat PAA wurde bereits in mehreren Pflanzen identifiziert und ist für die Interaktion zwischen dem Wurzelsystem der Pflanze und den im Boden lebenden Mikroorganismen von Bedeutung. Im Gegensatz zu IAA stellt PAA ein Auxin dar, das deutliche Aktivität erst bei einer höheren Konzentration zeigt. Wie auch alle weiteren natürlichen Auxine tritt PAA sowohl in freier Form als auch in Konjugaten auf (zusammengefasst in Sauer et al., 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Strukturen der natürlichen Auxine. Indol-3-essigsäure (IAA), 4-(Indol-3-yl)buttersäure (IBA), 4-Chloroindol-3-essigsäure (4-Cl-IAA) und Phenylessigsäure (PAA). (Quelle: modifiziert übernommen aus: Sauer et al., 2013)
3 Auxinmetabolismus und -transport
Durch die vielfältigen Effekte von IAA auf die Entwicklung und das Wachstum der Pflanze ist die Homöostase des Phytohormons von großer Bedeutung. Im Folgenden werden Möglichkeiten zur Regulation des pflanzlichen Auxinspiegels (Abbildung 2) erläutert, wobei insbesondere auf das häufigste natürliche Auxin, die Indol-3- essigsäure, eingegangen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Regulierungsmöglichkeiten der Indol-3-essigsäure (IAA)-Konzentration. IBA: 4-(Indol-3- yl)buttersäure; Trp: Tryptophan. (nach: Normanly et al., 1995)
3.1 Auxinbiosynthese
Die Komplexität des Auxinmetabolismus zeigt sich in seiner Vielfältigkeit: Sowohl tryptophanabhängige als auch tryptophanunabhängige Synthesewege konnten über biochemische und genetische Studien nachgewiesen werden. Stabile Isotopenmarkie- rungen ermöglichten erstmals den Nachweis von Auxinvorprodukten wie Tryptophan (Trp) (zusammengefasst in Bartel, 1997). Neben der de-novo-Synthese kann IAA ebenfalls aus Konjugaten, die zur Inaktivierung gebildet wurden, freigesetzt werden (Kapitel 3.2.1). Die Biosynthese des Phytohormons stellt, wie heute bekannt, keinen willkürlichen Mechanismus dar, sondern ist in Abhängigkeit von exogenen und endogenen Faktoren temporär und lokal reguliert und trägt nicht unerheblich zum Aufbau eines Auxingradienten in der Pflanze bei (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005; Zhao, 2010). Vorwiegend findet die Auxinbiosynthese im Sprossapex und in jungen Blättern statt (zusammengefasst in Peer et al., 2011).
3.1.1 Die tryptophanabhängige Auxinbiosynthese
Während einige Auxinbiosynthesewege in Pflanzenpathogenen wie Agrobacterium tumefaciens bereits teilweise identifiziert werden konnten, fehlt es immer noch an Kenntnissen über entsprechende Synthesewege in Pflanzen (zusammengefasst in Zhao, 2010). Wie Abbildung 3 darstellt, umfasst die Trp-abhängige Auxinbiosynthese mehrere mögliche Wege, welche nach ihren entsprechenden Intermediaten benannt wurden: der Indol-3-acetaldoxim (IAOx)-Weg, der Indol-3-acetamid (IAM)-Weg und der Indol-3-pyruvat (IPA)-Weg (u. a. zusammengefasst in Korasick et al., 2013; Woodward und Bartel, 2005).
Der IAOx-Auxinbiosyntheseweg ist besonders in Kreuzblütengewächsen wie Arabidopsis thaliana, welche indolische Glucosinolate produzieren, von Bedeutung. Intermediate wurden allerdings bereits auch in Maiskoleoptilen nachgewiesen (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). In Arabidopsis oxidiert die Cytochrom P450 Monooxygenase CYP79B2 und ihr Homolog CYP79B3 Trp zu IAOx. Dieses Interme- diat kann nachfolgend, katalysiert von CYP83B1, in N-Oxide konvertiert werden, womit die Indol-3-methylglucosinolat-Biosynthese eingeleitet wird (u. a. zusammengefasst in Korasick et al., 2013; Woodward und Bartel, 2005). Uber bisher noch unbekannte Reaktionen kann IAOx zu IAM oder Indol-3-acetonitril (IAN) umgewandelt werden (zusammengefasst in Zhao, 2010). Nitrilasen der NIT-Familie ermöglichen anschließend die Hydrolyse von IAN zu IAA, wobei die detaillierten biochemischen Mechanismen noch nicht vollkommen identifiziert wurden (u. a. zusammengefasst in Korasick et al., 2013; Woodward und Bartel, 2005).
Der IAM-Weg ist der bislang einzige vollständig bekannte mikrobielle Auxinbiosyntheseweg. Zu Beginn bildet, wie in Abbildung 3 zu erkennen, eine Tryptophan-2- monooxygenase (iaaM) aus Trp IAM, welches anschließend durch eine Indol-3- acetaldehyd-Hydrolase (iaaH) zu IAA hydrolisiert wird. Obwohl in Arabidopsis thali- ana bereits IAM und entsprechende Amidasen nachgewiesen werden konnten, stellt dies keinen eindeutigen Beweis für die Existenz des IAM-Weges in Pflanzen dar, da IAM auch als Intermediat des IAOx-Weges vermutet wird (zusammengefasst in Zhao, 2010).
Als der bis heute einzige komplett identifizierte Auxinbiosyntheseweg in Pflanzen ist der IPA-Weg von besonderem Interesse (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Jüngste Studien legten in Arabidopsis thaliana einen Syntheseweg offen, der lediglich zwei Schritte umfasst. Die Aminotransferase TAA1 (TRYPTOPHAN AMINOTRANSFERASE of ARABIDOPSIS1) konvertiert im ersten Schritt L-Trp zu IPA (Tao et al., 2008; zusammengefasst in Zhao, 2010). Aufgrund der weiten Verbreitung dieses Enzyms im Pflanzenreich liegt die Annahme nahe, dass der IPA-Weg der Auxinbiosynthese hoch konserviert ist (zusammengefasst in Zhao, 2010). Wie in Abbildung 3 dargestellt, katalysiert im zweiten Schritt die flavinabhängige Monooxygenase YUCCA6 (YUC6) die oxidative Decarboxylierung von IPA zu IAA (Dai et al., 2013). Frühere Hypothesen, dass eine Indol-3-pyruvatdecarboxylase IPA zu Indol-3- acetaldehyd konvertiert und dieses Intermediat zu IAA umgewandelt wird, konnten nicht belegt werden (zusammengefasst in Korasick et al., 2013).
In Catharanthus roseus konnte zusätzlich zu den genannten ein weiterer Auxinbiosyntheseweg aufgedeckt werden, bei dem L-Trp vorerst zu Tryptamin (TAM) de- carboxyliert wird (De Luca et al., 1989). Die Annahme, dass in Arabidopsis das Enzym YUCCA Tryptamin anschließend zu N-Hydroxytryptamin oxidieren kann, wurde nach den neuesten Erkenntnissen über den IPA-Weg in Frage gestellt (zusammengefasst in Korasick et al., 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Tryptophanabhängige Auxinbiosynthesewege in Pflanzen und in Mikroorganismen. Durchgezogene Pfeile: Reaktion und entsprechende Proteine wurden bereits in Pflanzen (schwarz) oder Mikroorganismen (rot) exakt identifiziert. Durchbrochene Pfeile: vermutliche Reaktionen, deren Proteine noch nicht klar bestimmt wurden. Trp: Tryptophan; TAA1: TRYPTOPHAN AMINOTRANSFERASE of ARABIDOPSIS1; IPA: Indol-3-pyruvat; YUC6: YUCCA6; iaaM: Tryptophan-2- monooxygenase; IAM: Indol-3-acetamid; iaaH: Indol-3-acetaldehyd-Hydrolase; CYP: Cytochrom P450; IAOx: Indol-3-acetaldoxime; IAN: Indol-3-acetonitril; TAM: Tryptamin; IAA: Indol-3-essigsäure. (Quelle: modifiziert übernommen aus: Zhao, 2010)
3.1.2 Die tryptophanunabhängige Auxinbiosynthese
Die Analyse von Pflanzenmutanten und Markierungen mit Isotopen und Deuterium ermöglichten die Identifizierung eines tryptophanunabhängigen Auxinbiosyntheseweges. Erste Hinweise diesbezüglich brachten die Studien von Baldi et al. 1991 an dem Monokotyledon Lemna gibba. Mit [15N]Trp gefütterte Lemna-Pflanzen zeigten in 98% des Trp-Pools, jedoch nur in einer minimalen Menge des IAA-Pools, eine Markierung (Baldi et al., 1991).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Die tryptophanunabhängige Auxinbiosynthese. PRA: N-5-Phosphoribosylanthranilat; CDRP: 1-(o-Carboxyphenylamino)-1-deoxyribulose-5-phosphat; IGP: Indol-3-glycerolphosphat.
(Quelle: modifiziert übernommen aus: Normanly et al., 1995)
Auf diese Studie folgten weitere Mutationsanalysen: Mit Hilfe von Zea mays und Arabidopsis thaliana Trp-Mutanten konnte bestätigt werden, dass neben der Produktion von IAA aus Tryptophan vermutlich auch Intermediate der Tryptophanbiosynthese wie Indol oder Indol-3-glycerolphosphat zur Auxinbiosynthese beitragen. Die Arabidopsis-Mutanten trp2-l und trp3-l kennzeichnen sich durch Defekte in |3 bzw. a Trp-Synthase-Genen aus und sind unter hoher Lichtintensität Tryptophanauxotroph. In Wildtypen katalysiert die Tryptophansynthase die Umwandlung von Indol-3-glycerol-Phosphat zu Tryptophan (Abbildung 4). Sowohl trp2-l als auch trp3- 1 resultierten unter hoher Lichtintensität in einem stark erhöhten IAA-Level. Mit [15N]Anthranilat markierte Mutanten wiesen in Studien von Normanly et al. Markierungen in 39% des IAA-Pools, allerdings nur in 13% des Trp-Pools auf (Normanly et al., 1993; zusammengefasst in Normanly et al., 1995; Bartel, 1997).
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass IAA vorwiegend von Intermediaten der Tryptophanbiosynthese, und damit unabhängig von Tryptophan, gebildet wird (zusammengefasst in Bartel, 1997).
3.2 Speicherung und Inaktivierung von IAA
Der Auxin-Pool einer Pflanze setzt sich nicht nur aus freiem IAA zusammen, sondern schließt ebenfalls andere Auxin wie IBA, Auxinkonjugate und Methyl-IAA (MeIAA) mit ein. Tatsächlich machen freie aktive Auxine nur einen geringen Teil des gesamten Auxin-Pools aus. Die temporäre Inaktivierung durch die Bildung von Konjugaten und die Umwandlung zu IBA oder zu MeIAA ermöglicht den Schutz vor einem Auxinüberschuss und die reversible Speicherung des Phytohormons. Zusätzlich trägt der Auxinabbau durch Modifizierung des Indolrings maßgeblich zur Homöostase bei (zusammengefasst in Ljung et al., 2002; Korasick et al., 2013).
3.2.1 IAA-Konjugate
Die in Pflanzen vorkommenden IAA-Konjugate teilen sich in zwei Gruppen. Estergebundene Konjugate weisen eine Sauerstoffbrückenbindung zwischen der IAA- Carboxylgruppe und Zucker (z. B. Glucose) oder zyklischem Alkohol (z. B. Inositol) auf. Amidgebundene Konjugate allerdings zeichnen sich durch eine Amidbindung zwischen der IAA-Carboxylgruppe und Aminosäuren (oder Polypeptiden) aus (zusammengefasst in Ljung et al., 2002). Studien an Arabidopsis nach besteht der gesamte IAA-Pool zu rund 90% aus amidgebundenen Konjugaten, zu 10% aus estergebundenen Konjugaten und lediglich zu 1% aus freiem IAA. Das Verhältnis von freiem IAA zu IAA-Konjugaten variiert jedoch bedeutend innerhalb des Pflanzenreiches (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). Konjugate gelten allgemein als inaktiv (zusammengefasst in Korasick et al., 2013) und funktionieren nicht nur als Speicher, sondern dienen vermutlich auch dem Transport, der Kompartimentierung, dem Schutz vor peroxidativem Abbau und beugen Schäden durch IAA-Uberschuss vor (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005).
In höheren Pflanzen konnte bereits eine Vielzahl an IAA-Aminosäure- Konjugaten nachgewiesen werden (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Dabei sind insbesondere die in Arabidopsis überwiegenden IAA-AS-Konjugate IAA-Alanin (Ala), IAA-Leucin (Leu), IAA- Asparaginsäure (Asp) und IAA-Glutaminsäure (Glu) heute detailliert charakterisiert (zusammengefasst in Sauer et al., 2013). Die auxininduzierte GRETCHEN HAGEN3 (GH3)-Familie von Amido-Synthetasen katalysiert die Bildung von IAA-AS-Konjugaten, wobei noch nicht bekannt ist, ob GH3 gewebespezifisch wirkt oder spezielle Entwicklungsrollen innehat (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Bislang wird die Existenz von sechs verschiedenen Amidkonjugat- Hydrolasen, u. a. die IAA-LEUCINE-RESISTANT1-Hydrolase, die die Freisetzung von aktivem IAA erleichtern, in Arabidopsis vermutet (zusammengefasst in Ljung et al., 2002). Die hohe Affinität der Hydrolasen zu IAA-Ala- und IAA-Leu-Konjugaten verdeutlicht, dass diese Konjugate Teil des Auxin-Pools sind und dazu dienen, freies IAA bereitzustellen (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). IAA-Asp- und IAA- Glu-Konjugate hingegen werden in Arabidopsis nicht merklich hydrolysiert, wodurch ihnen eine katabolische Wirkung zugesprochen wird (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). In Medicago truncatula jedoch zeigen IAA-Asp- Konjugate eine Affinität zur Hydrolyse, was zu der Hypothese führt, dass IAA- Aminosäure-Konjugate in verschiedenen Pflanzenspezies divergente Funktionen aufweisen (Campanella et al., 2008).
Estergebundene Konjugate konnten sowohl in Monokotyledonen als auch in Diko- tyledonen nachgewiesen werden (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Katalysiert von einer Uridindiphosphatglucose (UDPG)-abhängigen Glucosyltransferase wird IAA in Anwesenheit von UDPG reversibel zu 1-0-(indol-3-acetyl)-|3-D-glucose (1-O-IAGlc) konvertiert. 1-0-IAGlc wiederum kann in Anwesenheit von Myoinositol zu IAA-myo-inositol umgewandelt werden, welches nachfolgend auch an Monosaccharide wie Galactose (Gal) und Arabinose (Ara) gekoppelt werden kann. Sowohl 1-O-IAGlc und IAA-myo-inositol als auch IAA-myo-inositol-Gal und IAA- myo-inositol-Ara setzen durch Hydrolyse wieder aktives IAA frei (zusammengefasst in Ljung et al., 2002; Normanly et al., 1995).
Die Hydrolyse von Konjugaten scheint besonders in Keimlingen, in denen die de-novo-Synthese noch nicht etabliert ist, IAA allerdings benötigt wird, von Bedeutung zu sein (zusammengefasst in Bartel, 1997).
3.2.2 Indol-3-buttersäure
Das erstmals über Papierchromatographie in der Kartoffelknolle nachgewiesene natürliche Auxin Indol-3-buttersäure (IBA) wurde bereits in einer Vielzahl von weiteren Pflanzenspezies, darunter Mais, Erbse und Arabidopsis, identifiziert (zusammengefasst in Bartel, 1997). Obwohl es sich lediglich in zwei zusätzlichen Methylengruppen von IAA unterscheidet, tritt es nur in vergleichsweise geringen Mengen in Ara- bidopsis-Keimlingen auf (Epstein und Ludwig-Müller, 1993). Wie IAA existiert IBA sowohl in freier Form als auch in Konjugaten und wird ebenfalls von Zelle zu Zelle über verschiedene Transportsysteme, jedoch unabhängig von IAA, transportiert (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Ob IBA eigene Signalwege und Rezeptoren nutzt oder lediglich durch die Umwandlung zu IAA aktiv wird, konnte noch nicht vollständig beantwortet werden. Während die Aktivität von IBA in Arabidopsis aus der Umwandlung zu IAA resultiert (Zolman et al., 2008), zeigt das Auxin in Reis auch IAA-unabhängige Effekte (Chhun et al., 2003).
Isotopenmarkierungen brachten den Nachweis über die Synthese von IBA aus IAA (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). Uber die Acetylierung von IAA durch Acetyl-Coenzym A, ähnlich dem Mechanismus der Fettsäurebiosynthese, kommt es zur Kettenverlängerung (Epstein und Ludwig-Müller, 1993). Mutationsanalysen an Arabidopsis führten zu der Annahme, dass die Umwandlung von IBA zu IAA mit der ß-Oxidation von Fettsäuren vergleichbar ist und wie diese in Peroxiso- men stattfindet (zusammengefasst in Woodward und Bartel, 2005). Die Dehydrogenase/Reduktase INDOLE-Y-BUTYRIC ACID RESPONSE1 (IBR1), die Enoyl-CoA- Hydratase IBR10 und die Acyl-CoA-Dehydrogenase/Oxidase IBR3 werden als Proteine der IBA-Oxidation vermutet (Zolman et al., 2008). Starke Wurzeldefekte in IBA- resistenten Arabidopsis-Mutanten führen zusätzlich zu der Schlussfolgerung, dass die Oxidation von IBA eine wichtige Auxinquelle für die Entwicklung des Arabidopsis- Keimlings darstellt und IBA maßgeblich an der IAA-Homöostase beteiligt ist (zusammengefasst in Korasick et al., 2013), wobei bezüglich des IBA-Metabolismus noch viele Fragen offen stehen.
3.2.3 Methyl-IAA
Eine weitere Möglichkeit der temporären Inaktivierung stellt die Methylesterform von IAA dar. Die Umwandlung zu MeIAA, einer unpolaren Form von Indol-3- essigsäure, wird in Arabidopsis von der IAA-METHYLTRANSFERASE1 (IAMT1) katalysiert. MeIAA kann sich unabhängig von IAA-Influx-Transportern wie AUXIN1 (AUX1) bewegen und tritt durch Diffusion in Pflanzenzellen ein. In Arabidopsis inhibiert MeIAA effizienter als IAA die Hypokotylelongation und induziert verstärkt die Bildung lateraler Wurzeln, ist jedoch weniger effektiv in der Inhibierung der Elongation primärer Wurzeln. In der auxl Transportmutante kann die Zugabe von MeIAA zwar den defekten Phänotyp der lateralen Wurzeln kompensieren, nicht aber den der Wurzelhaare. Diese Ergebnisse führen zu der Annahme, dass MeIAA durch eine Familie von Methylesterasen, die gewebespezifisch für Hypokotyle und die Primor- dien von lateralen Wurzeln sind, schnell und effizient zu aktiven IAA umgewandelt werden kann. Die Methylester-Form von IAA ist daher wirksamer als andere Speicherungsformen, wie z. B. Konjugate (Li et al., 2008).
3.2.4 OxIAA
Wie bereits erwähnt, stellen die Konjugate IAA-Asp und IAA-Glu Intermediate des IAA-Katabolismus dar (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). Die Inaktivierung von IAA durch Oxidation des Indolringes zu (2-Oxo-2,3-dihydroindol)-3-essigsäure (OxIAA) ist eine weitere Möglichkeit des IAA-Abbaus und der Hauptweg in Ara- bidopsis. Ähnliche Wege konnten ebenfalls in anderen Pflanzen nachgewiesen werden, jedoch unterschieden sich die Pflanzenspezies in ihren Endprodukten (zusammengefasst in Ljung et al, 2002). Als Intermediate des Katabolismus werden (3- Hydroxy-2-oxo-2,3-dihydroindol)-3-essigsäure (DiOxIAA), OxIAA-Hexose, OxIAA- Glucose, OxIAA-Asp, OxIAA-Glu, DiOxIAA-Asp und (Di-)OxIAA-Asp/Glu-Glucose vermutet (zusammengefasst in Korasick et al., 2013). In vielen Pflanzen ist zudem die direkte Oxidation von IAA-Asp-Konjugaten zu OxIAA-Asp oder DiOxIAA-Asp möglich.
Neben der Umwandlung zu OxIAA bestehen Hinweise auf einen decarboxyla- tiven Abbau von IAA durch Peroxidasen (zusammengefasst in Ljung et al., 2002).
3.3 Auxintransport
Der hoch regulierte Auxintransport führt zu der Bildung von Konzentrationsgradienten. Als Morphogen nimmt Auxin so, in Abhängigkeit von Schwellenwerten, auf verschiedene physiologische Prozesse, wie z. B. die laterale Wurzelentwicklung, Va- skularisierung, Phyllotaxis und embryonale Achsenentwicklung, Einfluss. Uber lange Strecken ermöglicht das Vaskularsystem der Pflanze den Transport von ursprünglichem Gewebe (source), wie z. B. jungen Blättern, zu Senken (sinks).
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- Quote paper
- Julie Lüttgen (Author), 2013, Rolle von Auxinen während der Entwicklung höherer Pflanzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/293132