„Eine sichere Bindungsentwicklung und das damit verbundene Urvertrauen wirken wie ein großer Schatz auf seiner anstehenden Reise“ (Brisch, 2010, zitiert nach Leitner und Schmieder, 2013, S. 2).
Leider kann ein Kind nicht immer auf den von Brisch erwähnten Schatz zurückgreifen. Vor allem Heimkinder haben vielmals negative Bindungserfahrungen erleben müssen. Durch Vernachlässigung und Zurückweisung, aber auch Missbrauch war es ihnen nicht möglich dieses Urvertrauen aufzubauen. Statt in wohlbehüteten Verhältnissen wuchsen sie größtenteils in einer traumatisierender Umwelt auf, in der Sicherheit nicht zu finden war. Aus diesen oder weiteren Gründen, welche meist auf Negativerfahrungen beruhen, wurden diese Kinder und Jugendlichen in einem Heim untergebracht.
Aus bindungstheoretischer Sicht sind diese Kinder und Jugendlichen in vielen Fällen als unsicher gebunden oder auch bindungsdesorganisiert einzustufen. Bedingt durch die Erlebnisse der Vergangenheit sind sie misstrauisch und angstvoll ihrer Umwelt, aber insbesondere Erwachsenen gegenüber. Sie erwarten nicht einmal mehr von neuen zur Verfügung stehenden Bezugspersonen Gutes, sondern rechnen immer wieder damit, in ihren Wünschen und Bedürfnissen zurückgewiesen und enttäuscht zu werden. Hier finden sich Aspekte der Bindungstheorie wieder. Diese beschreibt die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Kind und primärer Bezugsperson, welche meist die Mutter ist, und erörtert, wie diese Erfahrungen das kindliche Verhalten, sowie die inneren Erwartungen an die Bindungsperson beeinflussen.
Die Heimerziehung soll Kindern und Jugendlichen eine neue, verbesserte Lebensumwelt bereitstellen und sie bestmöglich in ihrer Entwicklung fördern. Doch dies ist in der Praxis immer wieder mit Schwierigkeiten verbunden. Die BetreuerInnen im Heim sollen im Rahmen von Schichtdienst und hoher Fluktuation zu einer Bezugsperson für ein Kind werden, welches Feinfühligkeit und ein Eingehen auf seine Bedürfnisse kaum oder nie erlebt hat. Es stellt sich deshalb die Frage, wie genau pädagogisch auf diese bindungsunsicheren oder sogar bindungsgestörten Kinder und Jugendlichen in der Heimerziehungspraxis eingegangen werden kann, um ihnen einen Weg zu einem sicheren Bindungskonzept aufzuzeigen und welche Rahmenbedingungen dafür zu beachten sind.
Damit verbunden sollten jedoch zunächst grundlegende Aspekte der Bindungstheorie beleuchtet werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bindungstheoretische Grundlagen
2.1 Die Bindungstheorie nach John Bowlby
2.1.1 Bindung
2.1.2 Bindungsverhalten
2.1.3 Die sichere Basis
2.1.4 Bindungsentwicklung
2.1.5 Das innere Arbeitsmodell
2.2 Bindungsqualität
2.2.1 Die sichere Bindung
2.2.2 Die unsicher-vermeidende Bindung
2.2.3 Die unsicher-ambivalente Bindung
2.2.4 Die desorganisierte/ desorientierte Bindung
3. Bindungsstörungen
3.1 Klassifikation von Bindungsstörungen nach dem ICD-10-GM
3.2 Diagnostik und Typologie von Bindungsstörungen nach Brisch
4. Heimerziehung
4.1 Definitionen der Begriffe Heim und Heimerziehung
4.2 Betreuungsformen der Heimerziehung
4.3 Rechtliche Grundlagen
5. Bindungsstörungen und Heimerziehung
5.1 Die Rolle des Erziehers
5.2 Pädagogisches Handeln in Abhängigkeit der verschiedenen Bindungstypen
5.2.1 Zur Korrigierbarkeit innerer Arbeitsmodelle
5.2.2 Unterbringungsempfehlung
5.2.3 Umgang mit bindungsunsicheren Kindern und Jugendlichen
5.2.4 Umgang mit bindungsdesorganisierten Kindern und Jugendlichen
6. Fazit
Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Rebecca Romana Schaus (Author), 2014, Bindungsstörung und Heimerziehung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/287535