„Es ist unmöglich, nur beobachtbare Größen in eine Theorie aufzunehmen. Es ist vielmehr die Theorie, die entscheidet, was man beobachten kann.“ (Einsteins Bemerkung in einem Gespräch mit Heisenberg; In: WATZLAWICK 2000, S.97) Ist es möglich, dass Erwartungen, die an eine Person gerichtet sind, ihr Verhalten in einer Art und Weise beeinflussen, dass diese Person sich letztlich unbewusst den Erwartungen entsprechend verhält? Wenn dies der Fall ist, welche Prozesse laufen dann in der zwischenmenschlichen Interaktion ab, die diese Form der Erwartungsübernahme bedingen? Und welche Folgen hat das dann für die Arbeit von Pädagogen? Der erstmals von ROBERT ROSENTHAL und LENORE JACOBSEN (1971) untersuchte Pygmalion-Effekt – als ein Phänomen im Schulunterricht - beschreibt die Auswirkungen der Lehrererwartungen auf das Verhalten ihrer unterrichteten Schüler.
Die zentrale Frage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, ist jene, warum der Pygmalion-Effekt bei der pädagogischen Arbeit eine besondere Rolle spielt und welche Konsequenzen er für das Handeln und die Denkweise von Pädagogen in Bezug auf ihre Klienten hat. Durch die Kenntnis dieses Effektes sollten Pädagogen ihre an die Klienten gerichteten Erwartungen kritisch hinterfragen können und durch Reflexion ihrer Arbeit ihr Handeln verantwortungsvoller gestalten. Benannt wurde der Pygmalion-Effekt nach einem in der griechischen Mythologie bekannten König von Zypern, der ein begabter Bildhauer war. Keine noch so schöne Frau konnte seinen hohen Ansprüchen genügen, so dass er sich schließlich aus Elfenbein nach seinen eigenen Idealvorstellungen selbst ein Bildnis von einer Frau schuf, in das er sich dann verliebte. Voller Verzweiflung bat er die Liebesgöttin Aphrodite, seine Statue zum Leben zu erwecken, die ihn schließlich erhörte. Pygmalion nahm das Mädchen zur Frau, und sie gebar ihm sogar eine Tochter (vgl. Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003. © 1993-2002 Microsoft Corporation). Der Pygmalion-Effekt kann als Spezialfall der „Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung“ gesehen werden, weshalb ich im anschließenden Abschnitt kurz auf diese Form der Prophezeiungen eingehen werde. Aber es ist auch notwendig zu klären, wie der Pygmalion-Effekt zustande kommt, was eine Erläuterung von Erwartungsbildung und ihrer Bestätigung voraussetzt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die „Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung“
- 3. Erwartungen
- 3.1 Was sind Erwartungen?
- 3.2 Phasen der Bestätigung einer Erwartung
- 4. Studien zu Erwartungseffekten
- 4.1 Ratten im Labyrinth
- 4.2 Planarien in der Schale
- 5. Begriffsklärungen
- 5.1 Der Halo-Effekt
- 5.2 Der Hawthorne-Effekt
- 5.3 Der Placebo-Effekt
- 5.4 Der Pygmalion-Effekt
- 6. „Pygmalion im Unterricht“ - Die ROSENTHAL / JACOBSEN - Studie
- 6.1 Durchführung
- 6.2 Auswertung des Experimentes
- 7. Zur Kritik an der ROSENTHAL / JACOBSEN - Studie
- 8. Konsequenzen für pädagogische Arbeit
- 9. Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Pygmalion-Effekt im Kontext der pädagogischen Arbeit. Ziel ist es, die Bedeutung dieses Effekts für das Handeln von Pädagogen aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen zur verantwortungsvolleren Gestaltung pädagogischen Handelns zu geben. Die Arbeit analysiert die Wirkungsweise des Pygmalion-Effekts und seine Beziehung zur sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung.
- Der Pygmalion-Effekt und seine Auswirkungen auf Schülerverhalten
- Die Rolle von Erwartungen in der Lehrer-Schüler-Interaktion
- Die Rosenthal/Jacobsen-Studie und ihre Kritik
- Konsequenzen des Pygmalion-Effekts für die pädagogische Praxis
- Der Pygmalion-Effekt im Kontext der sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Pygmalion-Effekts ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Bedeutung dieses Effekts für die pädagogische Arbeit. Sie thematisiert den Einfluss von Erwartungen auf das Verhalten von Personen und skizziert den Aufbau der Arbeit. Der Bezug zu Einsteins Zitat über die Rolle der Theorie bei der Beobachtung unterstreicht die Bedeutung von theoretischen Rahmenbedingungen für die Untersuchung des Effekts. Die mythologische Referenz auf Pygmalion dient als einprägsamer Vergleich für das Phänomen.
2. Die „Sich – selbst - erfüllende Prophezeiung“: Dieses Kapitel erläutert das Konzept der sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung als übergeordneten Rahmen für den Pygmalion-Effekt. Anhand von Beispielen wie der Benzinknappheit in Kalifornien 1979 und der Geschichte von Viktor Frankl aus einem KZ wird die Wirkungsweise dieses Prinzips verdeutlicht. Die Beispiele zeigen, wie erwartungsgesteuerte Handlungen zu einer Bestätigung der ursprünglichen Erwartung führen können, unabhängig von deren tatsächlicher Richtigkeit.
3. Erwartungen: Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff „Erwartung“ und seine verschiedenen Phasen. Es wird differenziert zwischen der Bildung von Erwartungen und den Prozessen ihrer Bestätigung. Die Kapitelteile befassen sich mit der Entstehung und den Auswirkungen von Erwartungen auf das Verhalten, speziell im pädagogischen Kontext. Die detaillierte Analyse der Phasen der Erwartungsbestätigung legt den Grundstein für das Verständnis des Pygmalion-Effekts.
4. Studien zu Erwartungseffekten: Das Kapitel präsentiert Studien, die den Einfluss von Erwartungen auf das Verhalten untersuchen. Es werden Beispiele aus der Tierforschung (Ratten im Labyrinth, Planarien in der Schale) herangezogen, um die Wirkung von Erwartungen auch außerhalb des menschlichen Bereichs zu verdeutlichen. Diese Beispiele dienen der Veranschaulichung des allgemeinen Prinzips der sich selbst erfüllenden Prophezeiung und legen einen wissenschaftlichen Grundstein für das Verständnis des Pygmalion-Effekts.
5. Begriffsklärungen: In diesem Kapitel werden verwandte Effekte wie der Halo-Effekt, der Hawthorne-Effekt und der Placebo-Effekt definiert und vom Pygmalion-Effekt abgegrenzt. Diese Abgrenzung ist wichtig, um den Pygmalion-Effekt präzise zu definieren und von ähnlichen Phänomenen zu unterscheiden. Jede Definition trägt zum Verständnis der spezifischen Wirkungsweise des Pygmalion-Effekts bei.
6. „Pygmalion im Unterricht“ - Die ROSENTHAL / JACOBSEN - Studie: Dieses Kapitel beschreibt detailliert die Rosenthal/Jacobsen-Studie zum Pygmalion-Effekt im Unterricht, einschließlich der Durchführung und Auswertung des Experiments. Es wird der Ablauf der Studie erläutert und die Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses von Lehrererwartungen auf den Schülererfolg interpretiert. Die ausführliche Darstellung ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit der Methode und den Schlussfolgerungen der Studie.
7. Zur Kritik an der ROSENTHAL / JACOBSEN - Studie: Das Kapitel analysiert die Kritikpunkte an der Rosenthal/Jacobsen-Studie, wobei methodische Schwächen und alternative Erklärungen für die Ergebnisse diskutiert werden. Hier werden die Limitationen der Studie und die Notwendigkeit weiterer Forschung betont. Diese kritische Auseinandersetzung ist essentiell für ein ausgewogenes Verständnis der Ergebnisse der Studie.
8. Konsequenzen für pädagogische Arbeit: Dieses Kapitel beschreibt die praktischen Konsequenzen des Pygmalion-Effekts für Pädagogen. Es werden Handlungsempfehlungen zur Vermeidung negativer Auswirkungen und zur Förderung positiver Effekte entwickelt. Der Fokus liegt auf der Verantwortung von Pädagogen für die Gestaltung ihrer Erwartungen und deren Einfluss auf die Schüler.
Schlüsselwörter
Pygmalion-Effekt, sich-selbst-erfüllende Prophezeiung, Lehrererwartungen, Schülerleistung, Rosenthal/Jacobsen-Studie, pädagogische Praxis, Erwartungseffekte, zwischenmenschliche Interaktion, Reflexion, Verantwortungsvolles Handeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Der Pygmalion-Effekt im Unterricht
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Pygmalion-Effekt im Kontext der pädagogischen Arbeit. Das Hauptziel ist es, die Bedeutung dieses Effekts für das Handeln von Pädagogen aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen für verantwortungsvolleres pädagogisches Handeln zu geben. Die Arbeit analysiert die Wirkungsweise des Pygmalion-Effekts und seine Beziehung zur sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Der Pygmalion-Effekt und seine Auswirkungen auf Schülerverhalten, die Rolle von Erwartungen in der Lehrer-Schüler-Interaktion, die Rosenthal/Jacobsen-Studie und ihre Kritik, Konsequenzen des Pygmalion-Effekts für die pädagogische Praxis und der Pygmalion-Effekt im Kontext der sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung. Zusätzlich werden verwandte Effekte wie der Halo-Effekt, der Hawthorne-Effekt und der Placebo-Effekt definiert und vom Pygmalion-Effekt abgegrenzt.
Was ist der Pygmalion-Effekt?
Der Pygmalion-Effekt beschreibt den Einfluss von Erwartungen auf das Verhalten von Personen. Erwartungen, die eine Lehrkraft an einen Schüler hat, können dessen Leistungen beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Die Arbeit erläutert den Pygmalion-Effekt im Detail und setzt ihn in den Kontext der sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung.
Welche Rolle spielt die sich-selbst-erfüllende Prophezeiung?
Die sich-selbst-erfüllende Prophezeiung ist ein übergeordnetes Konzept, welches den Pygmalion-Effekt erklärt. Sie beschreibt, wie erwartungsgesteuerte Handlungen zu einer Bestätigung der ursprünglichen Erwartung führen können, unabhängig von deren tatsächlicher Richtigkeit. Die Arbeit illustriert dies anhand von Beispielen aus verschiedenen Kontexten.
Welche Studien werden behandelt?
Die Arbeit analysiert vor allem die Rosenthal/Jacobsen-Studie, welche den Pygmalion-Effekt im schulischen Kontext untersucht hat. Darüber hinaus werden Studien aus der Tierforschung (Ratten im Labyrinth, Planarien in der Schale) herangezogen, um die Wirkung von Erwartungen auch außerhalb des menschlichen Bereichs zu verdeutlichen.
Wie wird die Rosenthal/Jacobsen-Studie bewertet?
Die Arbeit beschreibt die Rosenthal/Jacobsen-Studie detailliert, inklusive ihrer Durchführung und Auswertung. Gleichzeitig werden jedoch auch kritische Punkte und methodische Schwächen der Studie diskutiert, um ein ausgewogenes Bild zu vermitteln.
Welche Konsequenzen ergeben sich für die pädagogische Praxis?
Die Arbeit leitet aus der Analyse des Pygmalion-Effekts und der Rosenthal/Jacobsen-Studie Handlungsempfehlungen für die pädagogische Praxis ab. Der Fokus liegt auf der verantwortungsvollen Gestaltung von Erwartungen durch Pädagogen und deren Einfluss auf die Schüler.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Pygmalion-Effekt, sich-selbst-erfüllende Prophezeiung, Lehrererwartungen, Schülerleistung, Rosenthal/Jacobsen-Studie, pädagogische Praxis, Erwartungseffekte, zwischenmenschliche Interaktion, Reflexion, Verantwortungsvolles Handeln.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit ist in neun Kapitel gegliedert: Einleitung, Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung, Erwartungen, Studien zu Erwartungseffekten, Begriffsklärungen, Rosenthal/Jacobsen-Studie, Kritik an der Rosenthal/Jacobsen-Studie, Konsequenzen für die pädagogische Arbeit und Abschließende Bemerkungen. Jedes Kapitel wird in der Zusammenfassung der Kapitel detailliert beschrieben.
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- Kathleen Hilpert (Author), 2003, Der "Pygmalion-Effekt", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/28533