Der Begriff „Autobiografie“ wird im Duden umschrieben als eine „literarische Darstellung des eigenen Leben.“ In dem Proseminar „Weder Literatur-oder-Leben noch Mann-oder-Frau, sondern...“ im Wintersemester 2001/2002 haben wir die Autobiografie anhand von theoretischen, literarischen und autobiografischen Texten untersucht. Dabei standen vor allem die Geschlechterdifferenz, die Gattungsdiskussion und die Opposition von Literatur und Leben im Mittelpunkt. Wir haben festgestellt, dass die Autobiografie ein Bereich ist, an dem Kategorien wie Autor, Werk und Gattung zusammentreten. Die Diskussion um die Definition dieser Kategorien und die Definition der Autobiografie selber, hat mich am meisten interessiert. Deswegen habe ich für meine Hausarbeit zwei Aufsätze ausgesucht, die versuchen, die Autobiografie zu definieren und die mit ihr auftauchenden Probleme aufzuzeigen. Einer der Aufsätze ist von dem Franzosen Georges Gusdorf und trägt den Titel „Voraussetzungen und Grenzen der Autobiographie.“ Der andere Aufsatz, „Der autobiographische Pakt“, ist von Philippe Lejeune, ebenfalls ein Franzose. In den fünfziger Jahren setzte eine neue Phase der Autobiografie-Forschung ein, bei der Frankreich und die angelsächsischen Länder für längere Zeit die Führung übernahmen, vor allem in der gattungstheoretischen Diskussion. Die Formgesetzte der Gattung traten hier erstmals in das Blickfeld. Es wurde versucht, die Gattung der Autobiografie von anderen Selbsterzeugnissen und von der Biografie, wie auch ihre verschiedenen Typen untereinander, formal zu unterscheiden. Der Begriff „Kunstwerk“ tauchte im Zusammenhang mit der Autobiografie zum ersten Mal 1956 bei Georges Gusdorf auf. Philippe Lejeune stellte in seinem Aufsatz heraus, dass die Beziehung des Autobiografen zum Leser eine sehr wichtige Rolle spielt. „Der autobiographische Pakt“ erschien fast zwanzig Jahre nach dem Aufsatz von Gusdorf (nämlich 1974). In dieser Zeitspanne hat sich die Diskussion um die Autobiografie stark weiterentwickelt und somit sind Lejeune´s Überlegungen und Gedankengänge natürlich ausgereifter. Im ersten Kapitel meiner Hausarbeit werde ich den Aufsatz von Georges Gusdorf mit eigenen Worten zusammenfassen und erklären und im zweiten Kapitel den von Philippe Lejeune. Im Schlussteil werde ich dann auf Verknüpfungspunkte der beiden Aufsätze eingehen und meine eigene Meinung darstellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Selbsterkenntnis eines Menschen als Kunstwerk
- 2. Eine vertragliche Gattung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit der Autobiografie und analysiert zwei Aufsätze von Georges Gusdorf und Philippe Lejeune, die sich mit der Definition und den Problemen der Gattung auseinandersetzen. Die Arbeit untersucht, wie Gusdorf und Lejeune die Autobiografie als literarische Gattung begreifen und welche Besonderheiten sie ausmachen. Die Arbeit beleuchtet die historische Entwicklung der Autobiografie und geht auf die Bedeutung von Selbsterkenntnis und dem autobiographischen Pakt ein.
- Die Entstehung der Autobiografie als literarische Gattung
- Die Rolle der Selbsterkenntnis in der Autobiografie
- Der "autobiographische Pakt" und die Beziehung zwischen Autor und Leser
- Die Autobiografie als Kunstwerk und Dokument des Lebens
- Die Relevanz der Autobiografie für die kulturelle Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
1. Selbsterkenntnis eines Menschen als Kunstwerk
Georges Gusdorf sieht die Autobiografie als eine fest etablierte Gattung, die sich durch eine ganzheitliche und zusammenhängende Darstellung des eigenen Lebens auszeichnet. Er betrachtet sie als Kunstwerk, das den inneren Menschen und seine verborgenen Seiten offenbart und somit zur Selbsterkenntnis des Autors beiträgt. Gusdorf beschreibt die historische Entstehung der Autobiografie und erklärt, dass sie ein spezifisches Anliegen des abendländischen Menschen widerspiegelt, der seine eigene Existenz als bedeutend wahrnimmt. Er argumentiert, dass die Autobiografie erst in einer Kultur möglich wurde, in der das Bewusstsein für die Individualität und die Einzigartigkeit jedes einzelnen Lebens vorhanden war.
2. Eine vertragliche Gattung
Philippe Lejeune argumentiert, dass die Beziehung zwischen dem Autobiografen und dem Leser eine entscheidende Rolle in der Autobiografie spielt. Er spricht von einem "autobiographischen Pakt", der zwischen Autor und Leser geschlossen wird. Dieser Pakt basiert auf dem Vertrauen des Lesers, dass die dargestellten Ereignisse tatsächlich stattgefunden haben, und auf der Verpflichtung des Autors, die Wahrheit über sein Leben zu erzählen. Lejeune untersucht die unterschiedlichen Arten von autobiografischen Werken und ihre spezifischen Merkmale.
Schlüsselwörter
Autobiografie, Selbsterkenntnis, Kunstwerk, Gattung, autobiographischer Pakt, Geschichte, Kultur, Literatur, Individualität, Identität, Wahrheit, Vertrauen, Leser, Autor, Biografie, Geschichte des Privaten, Geschichte des Öffentlichen.
- Quote paper
- Verena Roelvink (Author), 2002, DIE AUTOBIOGRAFIE - Eine Gegenüberstellung der Theorien von Georges Gusdorf und Philippe Lejeune, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/27345