Wenn man sich ausschliesslich mit den Romanen eines und dazu noch lebenden Autors befasst, muss zunächst die dafür angebrachte Mindestdistanz gefunden werden. Hier empfiehlt sich gleich zum ersten Mal Markus Werner selbst: "Das Schreiben ist [...] beides: Annäherung und Entfernung. Paradoxerweise ist das Ergebnis der Annäherung grössere Distanz." Wenigstens vorläufige Klarheit hinsichtlich dieser Arbeit kann deshalb nur eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Autorschaft schaffen, welche im ersten Kapitel der Arbeit angegangen wird.
Nach diesem 'theoretischen Präludium' wird in einem 'praktischen Präludium' auf den Autor Markus Werner und auf die Rezeption seiner Romane eingegangen. Als erste umfangreichere literaturwissenschaftlich motivierte Arbeit gilt es sich von der grossen Anzahl literaturkritischer Textsorten (Rezensionen, Laudationes, Hommages) zu distanzieren, ohne jedoch deswegen darauf zu verzichten, im zweiten Kapitel der Arbeit einen Seitenblick darauf zu werfen. Ausserdem interessiert uns hier, wie sich Markus Werner selbst in Reden und Interviews zu seiner Rolle als Autor sowie zu seinen Romanen äussert - mit den im ersten Kapitel formulierten theoretischen Vorbehalten.
Nebst den literaturkritischen Texten, welche durchaus erste Ansätze eröffnen, werden den Romanen aber im Verlauf der Arbeit vermehrt allgemeinere literaturtheoretische Kontexte zur Seite gestellt. So werden in einem weiteren Schritt produktive Anknüpfungspunkte zwischen Markus Werners Romanen und theoretischen Diskursen gesucht (z.B. zur Roman- oder Subjekttheorie oder zur Moderne/Postmoderne-Diskussion). Die Ablösung der Literaturkritik durch Literaturtheorie im dritten Kapitel 'Der Roman – zwischen Spätmoderne und Postmoderne', der sich an Peter V. Zimas Romantheorie orientiert, soll weitgehend diesen Zweck erfüllen.
Nach diesem einführenden Kapitel zur Romantheorie Zimas, folgt eine thematische Einleitung in Markus Werners Romane. Diese werden anschliessend im Spannungsfeld zwischen Spätmoderne und Postmoderne kontextualisiert. In Anlehnung an Zimas Theorie der Moderne/Postmoderne und – man darf es nicht verhehlen – auch auf Grund der sich vehement gegen die postmoderne 'Gleichgültigkeit' richtenden Autorenkommentare, werden die Romane als spätmoderne Kritik der Postmoderne gelesen. Aber "[d]er Roman als ideologiekritischer Entwurf [...] muss zwangsläufig in eine aporetische Situation geraten, in der der Romancier eifrig den Ast absägt, auf dem er sitzt."
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung — Nähe und Distanz
- Hauptteil — Die Position der Ambivalenz
- Theoretisches Präludium: Das Problem der Autorschaft
- Praktisches Präludium: Autor und Kritik
- Der Roman — zwischen Spätmoderne und Postmoderne
- Markus Werners Romane als spätmoderne Kritik der Postmoderne
- Die Wirklichkeit — zwischen Gesellschaftskritik und Partikularisierung
- Das Subjekt — zwischen Autonomie und Heteronomie
- Das Erzählen — zwischen Sinnstiftung und Offenheit
- Schlusswort — Am Rand der Postmoderne
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Lizenziatsarbeit analysiert die Romane des Schweizer Autors Markus Werner aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. Sie untersucht, wie Werners Werke die spätmoderne Kritik an der Postmoderne verkörpern und welche zentralen Themen und Konzepte in seinen Romanen behandelt werden.
- Die Ambivalenz der Spätmoderne im Vergleich zur Indifferenz der Postmoderne
- Die Konstruktion von Wirklichkeit und Gesellschaftskritik in Werners Romanen
- Die Frage nach der individuellen Subjektivität in einer von Entfremdung und Heteronomie geprägten Gesellschaft
- Die Funktionen und Grenzen des Erzählens in Werners Romanen
- Die Rolle des Autors und die Frage nach der Bedeutung von autobiographischen Elementen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung — Nähe und Distanz: Die Einleitung stellt das Problem der Distanzierung vom Autor und der angemessenen literaturwissenschaftlichen Annäherung an Markus Werners Romane vor. Sie führt den Begriff der Autorschaft ein und beleuchtet die Schwierigkeit, eine unkritische Verwendung des Autorbegriffs zu vermeiden.
- Hauptteil — Die Position der Ambivalenz: Der Hauptteil der Arbeit widmet sich der Analyse von Markus Werners Romanen im Spannungsfeld zwischen Spätmoderne und Postmoderne. Er untersucht die drei romankonstitutiven Konzepte Wirklichkeit, Subjekt und Erzählen in ihren jeweiligen Ambivalenzen und zeigt, wie Werners Romane sich implizit gegen die postmoderne Aufgabe dieser Konzepte wenden.
- Theoretisches Präludium: Das Problem der Autorschaft: Dieses Kapitel beleuchtet die aktuelle Diskussion um die Problematik der Autorschaft. Es stellt die unterschiedlichen theoretischen Perspektiven auf den Autorbegriff vor und zeigt, wie die Poststrukturalismen die interpretatorische Verfügungsgewalt des Autors in Frage stellten. Die Arbeit plädiert für eine ambivalente theoretische Positionierung, die zwischen unreflektierter Verwendung des Autorbegriffs und der poststrukturalistischen Gesamtabsage vermittelt.
- Praktisches Präludium: Autor und Kritik: Dieses Kapitel befasst sich mit der Rezeption von Markus Werners Romanen und den Äusserungen des Autors selbst zu seiner Rolle als Autor und seinen Werken. Es zeigt, wie Markus Werner sich in Interviews und Reden zu seiner Rolle als Autor äussert und wie seine Werke von der Literaturkritik aufgenommen wurden.
- Der Roman — zwischen Spätmoderne und Postmoderne: Dieses Kapitel stellt Zimas Theorie der Moderne/Postmoderne vor und definiert die beiden Epochen anhand der Problematiken von Ambivalenz und Indifferenz. Es zeigt, wie der moderne Roman als oppositionelle Prosagattung durch die drei Komponenten Wirklichkeit, Subjektivität und Narrativität charakterisiert wird und wie diese Konzepte im Laufe des 20. Jahrhunderts prekär wurden.
- Markus Werners Romane als spätmoderne Kritik der Postmoderne: Dieses Kapitel argumentiert, dass Markus Werners Romane als spätmoderne Kritik der Postmoderne gelesen werden können, indem sie an den romankonstitutiven Werten der Gesellschaftskritik, des Subjektentwurfs sowie des Erzählens festhalten.
- Die Wirklichkeit — zwischen Gesellschaftskritik und Partikularisierung: Dieses Kapitel untersucht die Konstruktion von Wirklichkeit und Gesellschaftskritik in Markus Werners Romanen. Es zeigt, wie die Protagonisten die gesellschaftliche Wirklichkeit kritisch beleuchten und gleichzeitig die Grenzen ihrer eigenen Partikularität und Bedingtheit erkennen.
- Das Subjekt — zwischen Autonomie und Heteronomie: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage nach der Subjektkonstruktion in Markus Werners Romanen. Es zeigt, wie die Romane die spätmoderne bis postmoderne Kritik am autonomen Subjektbegriff thematisieren und zugleich am Konzept des kritischen Subjekts festhalten.
- Das Erzählen — zwischen Sinnstiftung und Offenheit: Dieses Kapitel untersucht die Funktionen und Grenzen des Erzählens in Markus Werners Romanen. Es zeigt, wie die Romane den Anspruch auf einen allwissenden Erzähler aufgeben und stattdessen die Perspektive des rückschauenden Ich-Erzählers einnehmen. Die Arbeit beleuchtet die Rolle der mündlichen Erzählsituation, die existenzielle Erzählmotivation und die Offenheit der Erzählenden.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Markus Werners Romane, Spätmoderne, Postmoderne, Gesellschaftskritik, Entfremdung, Subjektivität, Autonomie, Heteronomie, Erzählen, Sinnstiftung, Offenheit, Ambivalenz, Indifferenz, Kritische Theorie, Literaturwissenschaft.
- Quote paper
- Arto Schürch (Author), 2007, Markus Werners Romane als spätmoderne Kritik der Postmoderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/273095