In seinem Aufsatz Gottfried Keller and the Fate of the Epigone beschäftigt sich Kaspar T. LOCHER mit einer das dichterische Werk KELLERS durchziehenden Thematik, die den realistischen Autor während seines gesamten literarischen Schaffens beschäftigt haben muss: Das ausgehende 19. Jahrhundert erschien Gottfried KELLER als eine epigonale Epoche, in der den Menschen fremdbestimmt von den äußeren Einwirkungen des prosaischen industriellen Zeitalters ihre Spontaneität und Natürlichkeit, wie auch ihr Bezug zu künstlerischem und literarischen Schaffen weitgehend verloren gegangen ist. Somit war auch die Rolle des Poeten im Vergleich zur Romantik stark marginalisiert.
Vor dem Hintergrund und im Bewusstsein großer Werke, die den Realisten voraus gegangen waren, fühlte sich KELLER oft in der Rolle eines nur noch beobachtenden Außenseiters und die Frage nach Originalität und Epigonalität in der Dichtung drängte sich dem von romantischen Vorbildern (wie z.B. GOETHE) stark beeinflussten Realisten geradezu auf.
Hierdurch erklärt sich LOCHER [Keller's] (...) loss of creative naiveté and the resulting ironic and suspicious attitude toward all that has to do with poetic activity, especially his own. (LOCHER, 1960: 167) Was für LOCHER ,,the final symptom of the epigone" ist, nämlich die Ironie und Selbstreflexivität in Kellers Werken, findet seinen Ausdruck unter anderem in einem Gedicht KELLERS von 1847, in dem es heißt:
Unser ist das Reich der Epigonen, / Die im großen Herkulanum wohnen; / Seht wie ihr noch einen Tropfen presset / Aus den alten Schalen der Zitronen! / Geistig ist noch genug vorhanden, / Auch der Liebe Zucker wird noch lohnen. / Wasser fluthet uns in weiten Meeren, / Brauchen es am wenigsten zu schonen: / Braut den Trank für lange Winternächte, / Bis uns blühen neue Lenzenskronen. (KELLER, 1932: 61)
Obgleich die Haltung, die der Autor in diesem Gedicht bezüglich seiner Epoche zum Ausdruck bringt, zunächst sehr resignativ erscheint, so stellt das Ende der zitierten Strophe doch optimistisch ,,neue Lenzenskronen" in Aussicht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Originalitätsbegriff im Sturm und Drang
- Auswahl der zu analysierenden Novellen
- Novellenanalyse
- Züricher Novellen
- Die Rahmenerzählung über Herrn Jacques
- Hadlaub
- Der Narr auf Manegg
- Der Landvogt von Greifensee
- Romeo und Julia auf dem Dorfe
- Züricher Novellen
- Ergebnis der Untersuchung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das spezifische Originalitätsverständnis Gottfried Kellers anhand verschiedener Novellen. Sie analysiert die Rolle des Dichters in einer Epoche epigonalen Übergangs und erforscht, wie Kellers Werke mit dem traditionellen Originalitätsbegriff des Sturm und Drang umgehen.
- Der Originalitätsbegriff im Sturm und Drang und seine Relevanz für Kellers Werke
- Kellers spezifisches Originalitätsverständnis und seine Darstellung in seinen Novellen
- Die Bedeutung von Tradition und Innovation in Kellers Novellen
- Die Rolle des Dichters in einer Epoche epigonalen Übergangs
- Die Vermittlung zwischen Natur und Kultur, Dichtung und Wahrheit in Kellers Novellen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet Kellers Auseinandersetzung mit dem Begriff der Epigonalität und seinen Auswirkungen auf das dichterische Schaffen. Das zweite Kapitel erklärt den Originalitätsbegriff im Sturm und Drang und seine Abgrenzung vom Epigonenbegriff. Im dritten Kapitel werden die Novellen ausgewählt, die für die Untersuchung des Originalitätsverständnisses Kellers relevant sind. Die Analyse der Züricher Novellen (Kapitel 4.1) untersucht die Rahmenerzählung über Herrn Jacques, die Novellen Hadlaub und Der Narr auf Manegg, sowie die Novelle Der Landvogt von Greifensee. Kapitel 4.2 widmet sich der Novelle Romeo und Julia auf dem Dorfe und analysiert ihre Beziehung zu Shakespeare's Vorlage. Das Kapitel "Ergebnis der Untersuchung" fasst die wichtigsten Ergebnisse der Analyse zusammen und beleuchtet Kellers spezifisches Originalitätsverständnis im Kontext seiner Zeit.
Schlüsselwörter
Gottfried Keller, Originalität, Epigonalität, Sturm und Drang, Züricher Novellen, Romeo und Julia auf dem Dorfe, Tradition, Innovation, Natur, Kultur, Dichtung, Wahrheit, Vermittlung.
- Quote paper
- Jan H. Hauptmann (Author), 2008, Originalität und Epigonentum in Gottfried Kellers Novellen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/264231