Nofretete hatte als Große Königliche Gemahlin, also als Hauptfrau des Königs, neben Echnaton eine in der altägyptischen Geschichte herausragende Stellung. Sie war zusammen mit Echnaton Teil des neuen, monotheistischen Aton-Kultes, dessen Zentrum das Königspaar in der neu gegründeten Hauptstadt Achet-Aton etablierte, dem heutigen Tell el-Amarna.
Vorwort
Bei meinen Kemet-Artikeln handelt es sich um Texte, in denen ich versuche auf wenigen Seiten viele Informationen zu liefern. Der inhaltliche Rahmen ergibt sich aus dem Titel-Thema der jeweiligen Kemet-Ausgabe. Alle Artikel in den Kemet-Magazinen sind bebildert; die Fotos ergänzen die Texte.
Mir war bei jedem einzelnen Artikel wichtig, nicht lediglich schon bekannte und überall nachzulesende Informationen zusammenzustellen und nachzuerzählen. Ich betrachte alle Themen aus einer über den Tellerrand der Ägyptologie hinausgehenden Perspektive und stelle oftmals Thesen in den Raum, die eine Diskussion anstoßen sollen. Es handelt sich dabei aber immer um begründete und nicht aus der Luft gegriffenen Überlegungen.
Für viele meiner Artikel bilden ethnologische, soziologische oder religionswissenschaftliche Ansätze den Rahmen, um alternative Sichtweisen zu ermöglichen. Dabei gehe ich durchaus – aus ägyptologischer Sicht – etwas provokativ an ein Thema heran. Aber immer nur mit dem Ziel, neue oder unbekanntere Aspekte darzustellen.
Um altbekannter Kritik von vornherein entgegenzutreten: Grundsätzlich ist ein über räumliche und zeitliche Grenzen hinwegreichender Kulturvergleich ebenso statthaft wie ein sich ausschließlich an die Originalquellen haltender Versuch, Erkenntnisse über die altägyptische Kultur zu gewinnen. Das Argument, es handle sich bei dem einen um eine anachronistische und bei dem anderen um die einzig akzeptable Vorgehensweise, greift nicht. Denn schließlich findet auch das sprachwissenschaftlich fundierte Interpretieren einer altägyptischen Originalquelle alles andere als zeitnah zu ihrer Entstehung statt. Und eine Quelle aus der ägyptischen Spätzeit ist immerhin auch schon zweitausend Jahre jünger als etwa eine aus der Pyramidenzeit, so dass die Interpretationsergebnisse der jüngeren Quelle als anachronistisch bewertet und zum Verständnis der älteren nicht herangezogen werden dürften, wollte man dieser Argumentation folgen.
Nicht nur der Kulturvergleich, sondern gerade auch der interdisziplinäre Ansatz erweitert unseren Verstehenshorizont. Dann finden sich Antworten auf Fragen, die sich aus ägyptologischer Sicht nie stellen würden und werfen Licht auf unbeachtete oder unbekannte kulturelle Phänomene. Auch scheinbar wissenschaftlich längst bearbeitete Bereiche müssen immer wieder auf den Prüfstand; allein, weil jedem Wissenschaftler und jeder Wissenschaftlerin eine subjektive Sichtweise zueigen ist und jeder Versuch, Subjektivität aus der Arbeit auszuschließen und reine Objektivität walten zu lassen, niemals gelingen kann.
Letztendlich kann es immer nur darum gehen, ein weiteres kleines Fenster zum Verständnis der altägyptischen Kultur aufzustoßen.
Nofretete und die Amarna-Religion
Einleitung
Nofretete hatte als Große Königliche Gemahlin, also als Hauptfrau des Königs, neben Echnaton eine in der altägyptischen Geschichte herausragende Stellung. Sie war zusammen mit Echnaton Teil des neuen, monotheistischen Aton-Kultes, dessen Zentrum das Königspaar in der neu gegründeten Hauptstadt Achet-Aton (dt. „Horizont des Aton“) etablierte, dem heutigen Tell el-Amarna.
Im Folgenden möchte ich die Rolle Nofretetes innerhalb der Amarna-Religion herausstellen. Ich meine, es gibt Hinweise, die auf eine Einweihung Nofretetes in den von Echnaton gestifteten Aton-Kult gibt. Und ich denke sogar, dass der König selbst Nofretete in die Mysterien des neuen Kultes einweihte.
Zur Amarna-Religion
Die Amarna-Religion um den Lichtgott Aton konzentriert sich auf den „Aspekt des Lebensgottes und bemüht sich in einer einzigartig expliziten und eindringenden Beschreibung der sichtbaren Wirklichkeit, alles auf die eine Lebensquelle Sonne zurückzuführen“.[1] Aton war die lichterfüllte Luft und sein Kultbild war die leuchtende Sonne am Himmel.
Der Lichtgott wurde im Flachbild als Sonnenscheibe mit dem Uräus dargestellt. Dass es nicht möglich war, Licht rundbildlich darzustellen, wie Erik Hornung meint,[2] ist nicht überzeugend. Schließlich konnte auch die Luft in Form des Gottes Schu, die Fruchtbarkeit des Landes durch den Nilgott Hapi oder die Mutterliebe durch Isis abgebildet werden.[3] In den Flachbildern wurde Aton jedenfalls immer in Konstellation mit dem König oder dem Königspaar dargestellt. Jede Kulthandlung fand unter dem Strahlenaton, im lichtdurchfluteten Raum statt, wie die Darstellungen zeigen: „Von der Sonne gehen nach unten Strahlen ab, die in Händen dem einzigen anthropomorphen Relikt enden. Die Hände halten dem König und der Königin niemals normalen Sterblichen Lebenszeichen an die Nase“.[4]
Nofretete nahm nicht nur aktiv am Kult teil, sondern war Teil des Kultes. „Sie gehört zur Triade, die das Königspaar zusammen mit dem Aton bildet, als Entsprechung zu den Triaden, die bisher in Theben (Amun-Mut-Chons) und Memphis (Ptah-Sachmet-Nefertem) an der Spitze des Pantheons standen“.[5]
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[1] Jan Assmann, Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, 1984, 249
[2] Erik Hornung, Echnaton, Die Religion des Lichts, 2001, 87
[3] David P. Silverman/Josef W. Wegner/Jennifer Houser Wegner, (Akhenaten and Tutankhamun. Revolution and Restoration, 2006, 33) schreiben, dass die Bildhauer Aton nicht dreidimensional abbildeten, weil der König selbst die Verkörperung des Gottes darstellte. Aton wäre auf Erden durch Echnaton in menschlicher Form und am Himmel als Sonnenscheibe sichtbar gewesen.
[4] Assmann, Theologie und Frömmigkeit, 244. Das Lebens- bzw. Anch-Zeichen diente dazu, seine Träger oder Empfänger aus der menschlichen Sphäre herauszuheben. Deswegen wurden bis auf sehr wenige Ausnahmen ausschließlich Gottheiten, Könige und Königinnen damit abgebildet (s. Gay Robins, Frauenleben im Alten Ägypten, 1996, 29).
[5] Hornung, Echnaton, 83
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- M.A. Sabine Neureiter (Author), 2010, Nofretete und die Amarna-Religion, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/262202